Weichen stellen für die Zukunft: Verwaltungsspitze will über Grundsätzliches sprechen. Weitere Großprojekte?

Rottweil - Wenn Gemeinderat und Spitzen der Stadtverwaltung an diesem Wochenende in Klausur gehen, geht es um mehr als um einige Millionen Euro, die Projekte wie Schulen, Parkhaus oder Museum kosten. Es geht um die Zukunft der Stadt und darum, die Weichen richtig zu stellen. Die Verwaltungsspitze will über Grundsätzliches sprechen.

Es hatte sich bereits vor einigen Monaten abgezeichnet, als Oberbürgermeister Ralf Broß und Finanzbürgermeister Werner Guhl den diesjährigen Haushalt in den Gemeinderat einbrachten. Die Haushaltsberatungen im Januar führten erneut vor Augen: Rottweil steht an einem Scheideweg und braucht mehr Zeit, sich zu sortieren. Daher gibt es die Klausurtagung im Frühjahr. Es gibt nämlich viele Projekte und viele Ideen, die viel Geld kosten, Geld, das die Stadt nicht hat. Zur Zeit jedenfalls nicht. Denn das könnte sich ändern. Bald sogar.

Das hängt mit der spektakulärsten Baustelle zusammen, die die Region gerade zu bieten hat und die auf Rottweiler Gemarkung zu finden ist: die Baustelle von Thyssen-Krupp Elevator auf dem Berner Feld. Seitdem hat sich etwas getan in dieser Stadt. Diese Meinung äußern Architekt und Städteplaner Alfons Bürk, OB Broß und Bürgermeister Guhl in einem ausführlichen Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten.

Bürk sitzt nicht zufällig am Tisch. Er hat das Turm-Projekt für die Stadt und den Aufzugshersteller eng begleitet. Jetzt soll er der Stadt helfen, dass es auch mit dem Großgefängnis auf Rottweiler Gemarkung endlich klappt (wir berichteten). So war er auch dabei, als Broß vor einigen Tagen in Stuttgart zu einem Gespräch mit der Landesregierung zusammenkam, um über den besten Rottweiler Standort für ein Gefängnis zu sprechen.

Am Rande erwähnt: Dass nun ein Bauplatz im Esch favorisiert wird, sah nach Informationen der Redaktion zu Beginn des Gesprächs in Stuttgart anders aus. Zu Beginn des Treffens stand der Hochwald hoch im Kurs, dann wendete sich das Blatt. Jetzt ist es das Esch geworden.

Was aus den Plänen wird, das Droste-Hülshoff-Gymnasium zu sanieren? Oder ein Parkhaus zu bauen? Wie sieht es mit dem Stadtmuseum aus, oder dem Spital, und und und? Vom Thema Straßenbeleuchtung ganz zu schweigen.

Allein hier drohen Kosten in einer Größenordnung von dreieinhalb bis vier Millionen Euro auf die Stadt zuzukommen, sollte die Idee, diesen Bereich dem städtischen Eigenbetrieb, dem Energieversorger EnRW zu übertragen, nicht zünden. Das Finanzamt prüft gerade das angedacht Konstrukt. Broß und Guhl rechnen mit einer Entscheidung im Mai. Sie versprühen freilich Zuversicht. "Warum sollte in Rottweil nicht funktionieren, was in anderen Kommunen funktioniert?", sagen sie. Jedenfalls wird die Millionensumme in der mittelfristigen Finanzplanung nicht berücksichtigt.

Schule, Parken, Innenstadtsanierung – will man unter anderem diese Projekte realisieren, müsste die Stadt, die schuldenfrei ist, rund zehn Millionen Euro aufnehmen. Ob sie denn dazu bereit wären? "Liebend gerne, wenn wir es uns leisten können", sagt Guhl. "Doch momentan können wir es nicht", steuert Broß bei, wobei die Betonung auf dem Wort "momentan" liegt. Ein neues Großgefängnis, das allein schon Zuweisungen von bis zu einer halben Million Euro auslösen würde, könnte die Situation so ändern, dass sich neue Kredite dann doch lohnen.

Doch große Hoffnungen setzt das Trio auf den Testturm, auf einen Ruck, der durch Rottweil geht. Diese Hoffnungen könnten sich erfüllen. Denn die Turmbaustelle sorgt jetzt schon dafür, dass – wie am Wochenende – Hunderte Bürger aus der Stadt, die bislang vor allem mit dem Attribut, die älteste des Landes zu sein von sich reden macht, und den umliegenden Gemeinden (selbst aus Schramberg kommen sie hierher) auf das Berner Feld pilgern. Sie wollen zusehen, wie sich Rottweil Stück für Stück in die Höhe schiebt und sich die Zukunft erarbeitet.

Die Zukunft, das ist ein bedeutungsgeladener Begriff hier in Rottweil. Doch der Turm scheint bereits positive Effekte auszulösen. Noch etwas verklausuliert spricht die Stadtverwaltungsspitze davon, dass zwei, drei größere Projekte – vergleichbar mit dem Jugendherbergs-Projekt – an der Schwelle zu Rottweil stünden.

Aus dem früheren Spital soll ein Hotel werden? Das ist ein großer Wunsch. "Seit dem Turm ist das realistischer geworden", so Broß. Ebenso möglich erscheint es nun, dass die Parkhäuser von privater Seite aus betrieben werden. Doch dafür benötigt die Stadt Geld. Daher dürfte die Devise in der Klausur am kommenden Wochenende diese sein; ausgeben, wo nötig, sparen wo möglich.

Und so wird es so sein, dass sie in der Klausur über Grundsätzliches sprechen, beispielsweise über die Schullandschaft ("Sind wir vielleicht zu attraktiv?", fragt beispielsweise Guhl) oder das Parkkonzept ("Bleibt es bei zwei Stunden kostenlosem Parken?", so Broß). Um sich Platz zu schaffen, für weitere Projekte, für die Zukunft. Nach dem Wochenende wissen wir mehr.

Kommentar: Rückenwind

Von Armin Schulz

Kaum ist der Testturm von Thyssen-Krupp Elevator auf dem Berner Feld bei Rottweil ein paar Meter in die Höhe gewachsen, scheint er dieser Stadt Flügel zu verleihen. Die Bürger zieht es in Scharen zu den Bauarbeiten. Auch von außerhalb kommen Schaulustige, um die wohl außergewöhnlichste Baustelle in der Region zu begutachten. Das neue Bauwerk, das mehr als 240 Meter hoch werden soll, ist jetzt schon ein Wahrzeichen geworden. Die Stadtverwaltungsspitze mit Oberbürgermeister Ralf Broß und Werner Guhl spüren Rückenwind und zeigen sich zuversichtlich, im Sog des Turms weitere Großprojekte in die Stadt zu bringen. Offensichtlich klopfen mehrere Investoren an die Tür. Da wäre es natürlich das i-Tüpfelchen, wenn es mit dem Großgefängnis auf Rottweiler Gemarkung klappen würde. Das aber, das wissen Broß und Guhl, ist ein anderes Kaliber.