Vortrag beim Seniorenverband öffentlicher Dienst. Fazit: JVA-Neubau dringend erforderlich.
Rottweil - Strafvollzug ist eine bedeutende soziale Aufgabe. Dies wurde bei einem Vortrag vor Mitgliedern des Seniorenverbandes öffentlicher Dienst deutlich. Wie wichtig ein JVA-Neubau in Rottweil ist, zeigt die Tatsache, dass das alte Gefängnis dauerhaft überbelegt ist.
Im Mittelpunkt der Monatsversammlung des Seniorenverbandes öffentlicher Dienst, Kreisverband Rottweil, stand ein Vortrag der Leiterin der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rottweil, Jennifer Rietschler, und ihres Kollegen Christian Reichle, Justizvollzugsbeamter in der Außenstelle Oberndorf.
Christian Reichle stellte die wichtigsten Gründe für einen Neubau der JVA Rottweil dar. Er begann mit den baulichen Gegebenheiten. So sei die Bausubstanz allerorts sanierungsbedürftig. Es gebe viel zu wenige Räume, einen schlecht entlüfteten Sanitärbereich, immense Temperaturschwankungen in den Räumen. Des Weiteren sei die Schaffung von notwendigen Haftplätzen vordringlich, um die Mehrfachbelegung zu beenden.
Die Konzentration auf eine große Anstalt statt kleiner Teilanstalten bringe Vorteile bei der Infrastruktur und spare Kosten. Weitere Gründe seien die Gewährleistung eines zeitgemäßen Strafvollzugs sowie die Erfüllung der Standards bei Behandlung und Therapie.
Zum Stand der Planungen für den Neubau der JVA Rottweil berichtete Reichle, dass in diesem Jahr die Auslobung des Planungswettbewerbs erfolgt sei. Die Entscheidung im Architektenwettbewerb falle im Juni 2018. Laut dem Auslobungstext sei die Erstellung des Bauwerks im Zeitraum Sommer 2021 bis Sommer 2025 vorgesehen. Die Gesamtbaukosten beziffere das Land auf 118 Millionen Euro. Ziele seien eine multifunktionale JVA des geschlossenen Vollzugs mit 500 Haftplätzen, die eine sichere Unterbringung der Gefangenen und ein Umfeld, das die Resozialisierung fördere, gewährleiste.
Im Rahmen des Bürgerdialogs seien zahlreiche Anregungen erfolgt, auch die Nutzung der Drei- Feld-Sporthalle für Rottweiler Vereine. Vorrangig gehe es darum, einen Gebäudekomplex zu erhalten, der sich in das landschaftliche Umfeld einfüge. Neben Unterbringungsgebäude und einer in die Außensicherung integrierten Torwache würden auch Arbeitsbetriebe, Räumlichkeiten für Bildung, Sport und Freizeit, Ver- und Entsorgungseinrichtungen sowie ein Verwaltungstrakt benötigt. Auch die Einbettung in die Landschaft sei gefordert.
Die Hauptanstalt der JVA Rottweil wurde 1861, damals noch als Zuchthaus, gebaut; die Außenstelle VS-Villingen kam 1847, Hechingen 1876 und Obendorf 1909 dazu. In Baden-Württemberg gibt es 17 Gefängnisse mit 23 Außenstellen, berichtete Jennifer Rietschler. Insgesamt hat die JVA Rottweil 86 Haftplätze, davon in Rottweil 20, in VS-Villingen 18, in Hechingen 32 und in Oberndorf 16. In Rottweil, Villingen und Hechingen seien ausschließlich Männer im geschlossenen Vollzug in Untersuchungshaft oder mit kurzen Freiheitsstrafen. In Rottweil gibt es noch eine Freigängerabteilung. In Oberndorf sind Jugendliche und Heranwachsende, getrennt von Erwachsenen, untergebracht.
Seit 2015 sei die JVA Rottweil überbelegt. So mussten in der Gesamtanstalt durchschnittlich 95 Gefangene einsitzen, 2016 waren es bereits 102 und in diesem Jahr häufig über 120 Gefangene. Der Ausländeranteil in der Gesamt-JVA sei sehr hoch. Die Deliktsbereiche gliederten sich auf in 50 Prozent Eigentums- und Vermögensdelikte, 15 Prozent Gewaltdelikte und 20 Prozent Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die durchschnittliche Verweildauer in der JVA liege zwischen 70 und 100 Tagen; die Haftkosten pro Gefangener betrügen circa 130 Euro pro Hafttag.
Eine Aufgabe des Vollzugs sei die Resozialisierung. Der Gefangene solle befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. In der Strafhaft bestehe Arbeitspflicht, in der Untersuchungshaft nicht. 60 Arbeitsplätze seien in drei Arbeitsbereichen in der JVA vorhanden. Industrie, Handwerk- und Dienstleistungsunternehmen unterstützen diese Arbeit. Im Servicebereich stehe die eigene JVA im Mittelpunkt. Die Häftlinge würden bei der Verpflegungswirtschaft, Bauinstandhaltung und bei Reinigungsarbeiten eingesetzt. Für diese Arbeiten erhielten die Gefangenen eine Entlohnung.
Jugendliche Gefangene könnten in Oberndorf einen Hauptschulkurs besuchen und auch den Hauptschulabschluss absolvieren. Zahlreiche Behandlungsangebote mit Bearbeitung der persönlichen und sozialen Angelegenheiten der Gefangenen werden von Psychologen und Fachdiensten angeboten, ebenso eine Suchtberatung. In jedem Haftraum könne, sofern genehmigt, ein Fernsehgerät auf eigene Kosten des Gefangenen aufgestellt werden.