Über diese Passage am Schwarzen Tor wird in der Stadt gesprochen. Otto Burger war NSDAP-Mitglied. Foto: Palik Foto: Schwarzwälder-Bote

FDP-Stadtrat Klein stößt Debatte über Otto Burger an / Nach NSDAP-Mitglied Passage am Schwarzen Tor benannt

Von Armin Schulz

Rottweil. "Ich steh an Ihrem Grab" – so beginnt ein offener Brief des DHG-Lehrers Jürgen Lutz an den früheren Schulleiter Otto Burger. Veröffentlicht wurde er vor zehn Jahren in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Droste-Hülshoff-Gymnasiums. Dass der Brief Jahre danach an Aktualität und Brisanz gewinnt, hat mit FDP-Stadtrat Hermann Klein zu tun. Und mit der nach Otto Burger genannten Passage neben dem Schwarzen Tor.

Klein beantragte vor fast einem Jahr, die Passage, die seit einem Antrag der Freien Wähler in den 70er-Jahren so heißt, umzubenennen. Als Grund führte er an, dass Burger während der NS-Zeit mehr als nur Mitläufer des Terror-Regimes gewesen sei. Unbestritten ist, dass Burger 1933 Mitglied des NS-Lehrerbundes wurde, bis 1935 Mitglied der Reserve des Rottweiler SA-Sturmes war, die ganze Zeit der NS-Herrschaft dem NS-Reichskriegerbund angehörte, im Mai 1934 der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt beitrat und im November 1939 schließlich NSDAP-Mitglied wurde. Trotz allem war Burger drei Jahre nach Kriegsende, im August 1948, vom damaligen Staatskommissariat für politische Säuberung lediglich als Mitläufer eingestuft worden.

Burger, bis kurz davor Schulleiter, verlor laut Entnazifizierungsbescheid zwei Gehaltsstufen. Er durfte nicht mehr Schulleiter sein, verlor den Titel Studiendirektor, wurde zum Oberstudienrat degradiert. Das alles wurmte ihn offensichtlich sehr – Lutz zeichnet das in seinem mehrseitigen offenen Brief detailliert nach. Immer wieder wies Burger die übergeordneten Behörden auf die von ihm empfundene Ungerechtigkeit hin und verstieg sich dazu, sich als "Hauptredner gegen die Hitlerpartei" zu bezeichnen. Lutz, der sich mit der Akte Burger intensiv befasste, bezeichnete dieses Verhalten als "dreist".

Eigentlich hätte der Kultur-, Sozial- und Verwaltungsausschuss des Gemeinderats Rottweil in seiner Sitzung am Mittwoch über den Antrag Kleins hinter verschlossenen Türen sprechen sollen. Die Verwaltung hätte dabei empfohlen, den Antrag Kleins abzulehnen. Dies sei nach Rücksprache mit ebenjenem Autor des offenen Briefs, Jürgen Lutz, und dem Geschichts- und Altertumsverein erfolgt, sagt Oberbürgermeister Ralf Broß im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. Lutz habe eine Umbenennung der Verwaltung gegenüber als "unverhältnismäßig" bezeichnet.

Doch so weit kam es erst gar nicht. Broß selbst nahm die Vorberatung von der Tagesordnung. Zum einen, da Lutz nicht zur Sitzung kommen konnte. Er sollte im Ausschuss über seine Recherchen und seine Einschätzung über Burgers Person berichten. Zum anderen hatte die SPD im Vorfeld der Sitzung einen Antrag auf Vertagung gestellt, war aber ebenfalls nicht vertreten. Schließlich sind offensichtlich neue Erkenntnisse aufgetaucht, die die Person Burgers in ein neues Licht tauchen und die an der bisherigen Einschätzung, Burger sei lediglich Mitläufer gewesen, zweifeln lassen.

So berichtet Klein davon, dass der verstorbene Heimatgeschichtler Karl Lambrecht in seinen persönlichen Erinnerungen an Otto Burger einen Vorfall schildert, in den Lambrechts Mutter involviert war. Sie hatte zusammen mit ihrem Mann Hausmeistertätigkeiten an der damaligen Mädchenschule übernommen. Und eines Morgens, als sie Direktor Burger mit "Grüß Gott" begrüßte, soll dieser sie angeherrscht haben: Das heiße jetzt "Heil Hitler". Lambrecht war sich zeitlebens sicher: Sollte er das publik machen, müsste die Passage umbenannt werden.

Es gibt einen weiteren, bislang nicht öffentlich gemachten Vorfall. So soll Burger einmal morgens zwei jüdischen Mädchen entgegengeschleudert haben, dass diese ab morgen an der Schule unerwünscht seien. Eines der Mädchen soll Lore Stone gewesen sein. Jene Frau, die im vergangenen Sommer ihre Geburtsstadt Rottweil besuchte und dabei von OB Broß empfangen wurde. Ihre Familie, die Familie Rothschild, war im August 1937 in die Schweiz und nach dem Krieg in die USA emigriert.

Für Klein ist damit die These, dass Burger lediglich ein Mitläufer gewesen sei, widerlegt.

Das alles hätte am Mittwoch zunächst nicht öffentlich und zu einem späteren Zeitpunkt im Gemeinderat öffentlich besprochen werden sollen. Wann die Debatte nun stattfindet, ist offen. Broß will keinen Zeitpunkt nennen. Das Thema solle aufgegriffen werden, wenn es reif sei, sagte er. Ob die Verwaltung an ihrem Empfehlungsbeschluss weiterhin festhalte, könne ebenfalls nicht gesagt werden.

In Rottweil vollzieht sich damit eine Diskussion, die in Balingen zur Jahrtausendwende für Unruhe gesorgt hatte. Damals rückte der frühere Dorfschulleher und Heimatdichter Karl Hötzer in den Blickpunkt. Er hatte während der NS-Zeit Gedichte und Lustspiele verfasst. 2001 brandete die Diskussion über ihn wieder auf, nachdem man in Nehren (bei Tübingen) kurz zuvor sein Leben kritisch unter die Lupe genommen hatte und darauf gestoßen war, dass Hötzer NSDAP-Mitglied gewesen sei. Damals wurde argumentiert, als Lehrer habe Hötzer eine besondere Verantwortung gehabt. Am Schluss der hitzigen Debatte stimmte der Gemeinderat zu, einen nach Hötzer benannten Saal der Stadthalle umzubenennen.