Christoph Frank (von links), Max Burger und Jörg Gronmayer vom Freundeskreis Asyl kritisieren die Bundesregierung. Foto: Kübler

Flüchtlings-Familie durch Abschiebung entzweigerissen. Helfer sprechen von "System der Angst".

Rottweil - Eine Asylbewerberfamilie aus Serbien wird entzweigerissen. Mutter und Sohn werden abgeschoben. Vater und Tochter bleiben im Kreis Rottweil. So etwas darf nicht sein, meint der Freundeskreis Asyl in Rottweil.

Max Burger, Christoph Frank und Jörg Gronmayer vom Freundeskreis Asyl sind aufgebracht. Nicht darüber, dass sie mit den Flüchtlingen so viel Arbeit haben. Nein, ihre Wut richtet sich gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Das treffe Entscheidungen, die die Helfer nicht nachvollziehen könnten.

Sie berichten: Als Helfer engagiere man sich für die Asylbewerber, teilweise über mehrere Jahre hinweg. Man erreiche gemeinsam mit den Flüchtlingen Erfolge – beispielsweise wenn Aussicht auf ein Arbeitsverhältnis bestehe. Und dann, plötzlich, seien die Menschen weg. Abgeschoben. Von einer Nacht auf die andere. Weil ihr Asylantrag vom Bamf abgelehnt sei. Oft würden die Helfer das erst erfahren, wenn die Flüchtlinge bereits fort seien. In seltenen Fällen hätten die Helfer die Menschen nachts noch auf der Dienststelle der Rottweiler Polizei treffen und Abschied nehmen können.

"So etwas passiert ständig", sagt Max Burger resigniert. "Das ist für uns Ehrenamtliche fürchterlich", fügt Jörg Gronmayer an. Er kenne Helfer, die aus Frust darüber ihr Engagement aufgegeben hätten. Zurzeit werde besonders viel abgeschoben, um während der Bundestagswahl eine klare Kante zu zeigen, haben die Männer den Eindruck.

Besonders groß ist die Verbitterung der Engagierten, wenn Flüchtlinge abgeschoben werden, die hier eine Perspektive hätten. Wie die serbische Familie: Der Sohn habe bis zur Abschiebung eine Kooperationsklasse besucht. Zudem hatte der 16-Jährige die Absichtserklärung in der Tasche, dass ihn ein Unternehmen nach Schulabschluss ausbildet. Die Mutter wiederum stand nur einen Tag vor dem Ablegen einer Deutschprüfung. Was mit Vater und Tochter geschieht, ist noch unklar. Das Familienoberhaupt arbeitet in Deutschland bei einer Baufirma, die junge Frau als Zahntechnikerin.

Dass das Bamf die Fälle lediglich einzeln prüfe und eine Familie entzweireiße, ist für die Rottweiler Helfer ein Unding. "Da läuft unheimlich viel falsch", bewertet Burger.

Die Ehrenamtlichen haben außerdem den Eindruck, dass junge Asylbewerber gezielt abgeschoben würden, bevor ein Ausbildungsverhältnis bestehe, denn für die Dauer der Ausbildung dürfe nicht abgeschoben werden. Angesichts des Fachkräftemangels sei dieses Vorgehen "doch sehr verwunderlich", kommentiert Christoph Frank.

"Es krankt an vernünftigen Gesetzen"

Verwunderlich finden die drei vom Freundeskreis auch die Gesetzeslage, nach der Anträge auf Familiennachzug im Herkunftsland und zudem von den Nachziehenden selbst gestellt werden müssen. Sie haben ein Beispiel, bei dem diese Regelung zum Problem wird: Eine Jesidin, die vom Rottweiler Freundeskreis betreut werde, wolle ihre 16-jährige Tochter sowie die zwölfjährige Nichte aus Mossul nachholen. Die beiden kämen derzeit bei der 82-jährigen Großmutter unter. Sonst hätten sie im Irak niemanden mehr.

Nun müssten die jungen Irakerinnen enorme Hürden überwinden: Die nächstgelegene deutsche Botschaft sei in Erbil und damit 85 Kilometer von Mossul entfernt. Es gebe lange Wartezeiten (die Helfer sprechen von bis zu zwei Jahren) für Termine in der Botschaft. Und: Die Nichte gehöre nach deutschem Recht nicht zur sogenannten Kernfamilie der Jesidin. Somit müsse das Mädchen im Irak erst adoptiert werden, bevor es nachkommen darf – auch das sei von Deutschland aus leichter gesagt als getan.

Burger bemerkt: "Das nimmt kuriose Auswüchse an." Zudem entsprächen diese Vorgaben nicht der UN-Kinderrechtskonvention, meint Gronmayer. Die Rottweiler sind überzeugt, dass das Gesetz bewusst so gestaltet wurde, um den Nachzug zu erschweren. Sie kommen zu dem Schluss: "Es krankt an vernünftigen Gesetzen." Generell brauche Deutschland neben dem Asylrecht ein vernünftiges Zuwanderungsgesetz, unter das auch Kriegsflüchtlinge fielen, meinen die Helfer.

Burger, Frank und Gronmayer fordern zudem, dass die Kommunen an Entscheidungen des Bamf beteiligt werden. Das Amt kenne nur die Akten, sie selbst jedoch die Menschen. Mit Blick auf Abschiebungen meinen die drei, die Bundesregierung schaffe ein "System der Angst". Es sei nicht verwunderlich, dass Integrationsmaßnahmen ins Leere liefen, denn: "Wie soll so Vertrauen entstehen?"