Vor der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil muss sich ein junger Mann aus Russland verantworten. Er soll die Frau im September erstochen haben. Foto: Schickle

Im Sicherungsverfahren nach tödlicher Messerattacke auf 45-jährige Trossingerin gibt es neue Erkenntnisse.

Kreis Rottweil/Trossingen - Im Sicherungsverfahren nach der tödlichen Messerattacke auf eine 45 Jahre alte Trossingerin gibt es neue Erkenntnisse. Vor der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil muss sich ein junger Mann aus Russland verantworten. Er soll die Frau im September erstochen haben. Nur wenige Wochen vor der Tat war er nach Deutschland gekommen, um eine etwas dubiose Reha-Einrichtung in Trossingen zu besuchen.

Unter dem Vorsitz von Richter Karlhe inz Münzer wurden am fünften Verhandlungstag das medizinische und die psychiatrischen Gutachten verlesen und besprochen.

Sachverständige halten Wiederholung solch einer Tat für möglich

Im linken Temporallappen des Beschuldigten war eine Zyste festgestellt worden. Die Vermutung lag nahe, dass diese Auswirkungen auf die geistige Gesundheit des Mannes gehabt haben könnte. Das Gutachten eines Neurochirurgen belegte jedoch nun, dass die Hirnzyste zu klein ist, um zu Beeinträchtigungen zu führen.

Trotzdem scheint es im Verfahren, dessen Urteilsverkündung bereits für Mittwoch angesetzt ist, auf eine Unterbringung des Angeklagten in einer psychiatrischen Einrichtung hinauszulaufen. Das legten dem Gericht zumindest die beiden psychiatrischen Gutachter Charalabos Salabasidis und Ralph-Michael Schulte nahe, die als Sachverständige die Frage der Schuldunfähigkeit beurteilen sollten.

Schulte hatte den Beschuldigten bereits am Tag nach der Tat kennengelernt, bei dessen Erstaufnahme im Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg. Dort wurde aufgrund seiner damals festgestellten, akuten Psychose direkt eine medikamentöse Behandlung mit Neuroleptika angesetzt.

Diese läuft noch und verwässere leider das Krankheitsbild, was die Erstellung einer exakten Diagnose erschwere, betonten beide Ärzte vor Gericht. Dennoch waren sie sich einig, dass eine krankhafte psychische Störung vorliege und das Risiko einer Tatwiederholung bestehe.

Verkompliziert hatte sich die Betrachtung des Geisteszustands des Beschuldigten durch vorherige Aufenthalte in verschiedenen psychiatrischen Einrichtungen in Moskau. Dort habe nie eine durchgängige und systematische psychiatrische oder medikamentöse Behandlung stattgefunden, schloss Salabasidis aus den Unterlagen aus Russland. Er sprach von einem "kunterbunten Bild von unterschiedlichen Diagnosen" aus den verschiedenen Kliniken.

Auch habe der Mann den Ärzten in seiner Heimat wohl die Stimmen, die er nach eigener Aussage seit mehreren Jahren hört und die ihm den Messerangriff befohlen haben sollen, verschwiegen. Die Angaben, die der Beschuldigte bezüglich seines bisherigen Drogenkonsums gemacht hatte – nämlich den Konsum von Salzen, Amphetaminen und Marihuana über drei Jahre hinweg – bestätigten sich jedoch. Dagegen fanden die Ärzte keinen Anhaltspunkt, dass die Tat möglicherweise sexuell motiviert war.

Angeklagter leidet an paranoider, schizophrener Störung

Nicht ganz einig waren sie sich darin, auf welchen Teil der Differenzialdiagnose das Hauptaugenmerk zu legen ist. Beide diagnostizierten dem Beschuldigten eine paranoide, schizophrene Störung, deren Aufstauung zu einem psychotischen Schub geführt habe.

Im Zuge dessen hätten die akustischen Halluzinationen, unter denen der Patient leide, einen deutlichen Befehlston angenommen, was ihn zur Tat gezwungen habe – weil seine freie Handlungs- und Steuerungsfähigkeit, seine Selbstbestimmung während des Tatgeschehens komplett aufgehoben gewesen sei.

Doch Salabasidis legte besonderen Wert auf die Anzeichen einer hirnorganischen Störung, aufgrund von Kompliaktionen bei der Geburt des Angeklagten. Diese könnten Ursache für weitere Diagnosen sein. Die Mutter hatte bereits berichtet, dass der junge Mann schon in der Kindheit und in seiner Jugend massiv auffiel. Sie beschrieb eine instabile Gefühlswelt, Diebstähle, Verfolgungswahn und aggressive Verhaltensentgleisungen, auch ihr gegenüber.

Die Ärzte sprachen in ihrer Behandlungsprognose von einem langwierigen Prozess. Am Dienstag stehen die Plädoyers an.