Zusammen die große Aufgabe bewältigen: Die Stadt Rottweil stellt sich mit einem "lokalen Bündnis" auf weitere Flüchtlinge ein. Foto: Holweger

In Rottweil will man große Aufgabe gemeinsam bewältigen. Im September 158 Neuankömmlinge. Mit Kommentar

Rottweil - Nicht nur reagieren, sondern selbst aktiv werden: Mit einem neuen »lokalen Bündnis« will die Stadt Rottweil die Flüchtlingsthematik so gut und umfassend wie möglich bewältigen. Dabei geht es nicht nur um Unterkünfte, sondern auch um Integration und das gesellschaftliche Klima.

Das Thema Flüchtlinge stand im Kultur-, Sozial- und Verwaltungsausschuss gleich zweimal auf der Tagesordnung. Zum einen hatte die CDU-Fraktion beantragt, Möglichkeiten zu überprüfen, wie die Angebote des Kinder- und Jugendreferats (KiJu) auch Flüchtlingskindern nähergebracht werden können. Zum anderen ging es darum, wie die Stadt mit der aktuellen Situation umgeht. »Der Strom wird nicht abebben. Wir müssen uns dieser großen Herausforderung stellen«, so Oberbürgermeister Ralf Broß. Das Thema werde sich in absehbarer Zeit noch stärker vor der eigenen Haustür abspielen. Darauf will man vorbereitet sein. »Wir wollen ein lokales Bündnis bilden, und damit quasi ein Pilotprojekt werden«, gab der Oberbürgermeister in der Sitzung bekannt. Anfang der Woche gab es mit dem Landratsamt, dem Arbeitskreis Asyl, dem Bürgerforum Perspektiven für Rottweil – mit Henry Rauner in Personalunion damit auch der Bürgerstiftung und der Wirtschaft – sowie einigen engagierten Privatpersonen eine erste Gesprächsrunde. Ziel ist es, Kräfte zu bündeln und das weitere Handeln gemeinsam zu koordinieren. Broß ist zuversichtlich, dass sich weitere Institutionen, die mit der Thematik zu tun haben, von der Idee begeistern lassen.

Aufgaben sieht Broß zum einen darin, neue Unterbringungsmöglichkeiten in der Stadt zu prüfen, die Integration der Menschen – gemäß dem Leitbild »soziale Stadt« – voranzutreiben und Netzwerkarbeit zu betreiben. Beim Besuch der Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer gestern sprach Broß auch die meist knappe Vorlaufzeit bei der Verteilung der Flüchtlinge im Land an. Frühere Meldungen darüber, wie viele Menschen kommen, wären hilfreich – sind aber bislang schwierig.

Das zeigt sich in der zentralen vorläufigen Unterbringungsstelle für die Flüchtlinge in Rottweil. 200 Menschen leben dort derzeit. Herbert Schneider vom Landratsamt ist vor Ort, um die Verteilung der ankommenden Menschen im Landkreis zu organisieren. Im Juli waren es noch rund 40 im Monat. »Im September sind wir bei 158. Und im Oktober werden es sicher nicht weniger«, sagt Schneider. Für diesen Tag sind 16 Syrer angekündigt, für die meisten von ihnen geht die Fahrt direkt weiter nach Lauterbach, wo Platz gefunden wurde.

Sozialdezernent Bernd Hamann ist derweil ständig im Gespräch mit Privatleuten, die eventuell weiteren Raum anbieten können. Die dezentrale Unterbringung sei weiter das Ziel. Dennoch könne es sein, dass man ab Oktober auf größere Unterkünfte, eventuell Hallen, zurückgreifen müsse.

Bis Ende vergangener Woche waren es laut Sozialdezernent Hamann 932 Flüchtlinge, die im Landkreis Rottweil untergebracht sind – ungefähr verteilt entsprechend der Größe der Städte und Gemeinden. In Rottweil sind es aktuell rund 270 Flüchtlinge – deutlich über dem »Soll«.

Die CDU hatte angeregt, dass das KiJu für Flüchtlingskinder ein Angebot erarbeitet, um diesen die Integration zu erleichtern. KiJu-Leiter Herbert Stemmler berichtete von ersten Versuchen, die Kinder zu Angeboten ins Kapuziner einzuladen. Dies habe jedoch wenig gefruchtet. »Dann muss das Angebot zu den Kindern kommen«, schlug CDU-Stadträtin Monika Hugger vor. Stemmler versicherte, dass das KiJu in Zusammenarbeit mit der Sozialarbeiterin des Landratsamts vor Ort aktiver werden wolle, dem aber personelle Grenzen gesetzt seien.

Zudem, so informierte Fachbereichsleiter Bernd Pfaff, werden in der Römerschule und der Konrad-Witz-Schule Vorbereitungsklassen angeboten. Es gebe auch zusätzlich Sprachangebote. Noch sei alles leistbar, »aber nicht unbegrenzt möglich«. Monika Hugger forderte, dem Thema hohe Priorität einzuräumen. »Wir dürfen uns jetzt nicht zurücklehnen. Das ist eine Gesamtaufgabe.«

Kommentar: Schritt voraus

Von Corinne Otto

Es gibt zwei Möglichkeiten für die Stadt, mit der Flüchtlingsthematik umzugehen: warten, wie groß der Zustrom tatsächlich wird, und darauf reagieren, oder von vornherein aktiv werden, Unterkünfte suchen, die vielleicht erst später gebraucht werden, Integrationskonzepte entwickeln, Hilfen steuern. Rottweil hat sich für die zweite Variante entschieden – und das ist gut so. Wenn die Stadt der Entwicklung immer einen kleinen Schritt voraus ist, verhindert das auch, dass sich die Bürger »überrumpelt« fühlen. Die Stadt signalisiert, dass sie das Zepter in der Hand hat. Denn Unsicherheit will keiner: die Flüchtlinge nicht, die ohnehin schon viele Stationen hinter sich haben, und die Bürger nicht. Unsicherheit macht Angst. Auf beiden Seiten. Das »lokale Bündnis« kann dem entgegenwirken. Wichtig ist, dass viele mitmachen. Dann kann es gelingen.