Gemüse statt Fleisch. Foto: dpa

Ernährung: Interesse an bewusster Lebensmittelauswahl steigt auch in Rottweil. Sorgfältige Umstellung nötig.

Rottweil - Leben ohne Fleisch liegt im Trend. Doch bloßes "Weglassen" reicht für eine gesunde Ernährung nicht. Auch in Rottweil ist der Wandel im Bewusstsein der Konsumenten zu spüren.

Vor 20 Jahren dachten viele bei dem Begriff Vegetarier noch an Hippies mit Blumen in den langen Haaren, Schlaghosen und einer etwas weltfremden Lebensweise. Auch war die Auswahl an Fleischersatzprodukten im Supermarkt ziemlich mager. Doch mit den Jahren änderte sich dieser Zustand. Mittlerweile gibt es in größeren Städten sowie gut sortierten Lebensmittelläden so ziemlich alles, was das fleischfreie Herz begehrt. Von vegetarischen Schnitzeln, Würstchen, pflanzlichen Brotaufstrichen bis hin zu Spaghetti Bolognese ohne Fleisch und Soja-Milch, die Produktpalette wird stetig erweitert. Nur können sich diese Ersatzprodukte gegen die Originale beweisen? Und lebt man durch fleischlose Ernährung wirklich gesünder? "Nein", so lautet die eindeutige Antwort der diplomierten Oecotrophologin Silke Heizmann aus Zimmern. "So einfach kann man es sich nicht machen", sagte sie schmunzelnd.

Teils lange Transportwege

In ökologischer Hinsicht machen die Ersatzprodukte zwar immer noch eine bessere Figur als die der Fleischindustrie. Doch auch für die verwendeten Sojabohnen aus China müssen lange Transportwege in Kauf genommen werden, und der Gebrauch von Gensoja ist bei einigen Produkten ebenfalls nachzuweisen. Ebenso steht die starke Verarbeitung der Produkte in der Kritik, da eine große Menge von Aromen und Zusatzstoffen beigefügt werden muss, um einen annehmbaren Geschmack zu erzeugen, so klärt die Fachzeitschrift für Gesundheitsförderung "UGBforum" auf.

Beim Thema Gesundheit scheiden sich die Geister. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sind 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche für einen gesunden, erwachsenen Menschen unproblematisch. Umgerechnet sind das 43 bis 86 Gramm pro Tag. Zum Vergleich: Derzeit isst der Deutsche, laut Focus Online, im Schnitt 150 Gramm täglich. Wer sich also beim lokalen Biobauern oder dem Metzger vor Ort über die Herkunft und Aufzucht der Tiere informiert und ab und an etwas Fleisch kauft, kann dieses guten Gewissens essen. Fleisch ist reich an Eiweiß, lebenswichtigen Vitaminen (vorwiegend Vitamin B 12) und Mineralstoffen.

Falls der Verzehr eines toten Tieres jedoch keinesfalls zur Debatte steht, so ist eine bewusste Lebensmittelauswahl unabdingbar. Silke Heizmann ist Verfechterin der regional angebauten Produkte sowie eines saisonalen Speiseplans. Ebenso ist es ihrer Meinung nach wichtig, nicht zu glauben, dass es für eine gesunde Lebensweise reiche, wenn schlichtweg auf Fleisch verzichtet wird. "Ich bin nicht gesünder, nur weil ich Fleisch weglasse." Denn für jedes gestrichene Lebensmittel müsse ein Ausgleich gefunden werden.

Die Ernährungsexpertin ist mit ihrer Meinung nicht alleine. Auch der Bioladen "b2" setzt auf die Region. 2011 hat sich der Laden in Rottweil niedergelassen. In den Regalen finden sich viele vegetarische, aber auch vegane Produkte. "Seit knapp drei Jahren haben wir vegane Lebensmittel", erinnert sich Geschäftsführer Semjon Schirott. "Am Anfang waren die Reaktionen noch verhalten." Doch dann begann vor eineinhalb Jahren ein Boom, als der deutschlandweit gefeierte Vegan-Koch Attila Hildmann seine ersten Kochbücher veröffentlichte.

Plötzlich strömte auch eine Vielzahl von jungen Menschen in den Bioladen, mit eben diesen Kochbüchern in der Hand und suchte nach den ausgefallenen Zutaten. "Attila hat einen Markt gesehen, der eigentlich nicht da war." Auch wenn der Marktanteil von Bio-Läden deutschlandweit noch nur bei knapp vier bis fünf Prozent liegt, so erlebt der "b2" doch ein stetiges Wachstum. "Durch Vegetarismus und Veganismus begannen die Leute, wieder mehr über das Essen nachzudenken."

Silke Heizmann zieht das Fazit, dass eine vegetarische und vegane Ernährung unbedenklich ist, solange Verbraucher sich ausreichend darüber informieren und ihren Ernährungsplan sorgfältig umstellen. Zudem sind sich die Ernährungsberaterin und der Bioladen-Geschäftsführer einig: "Der Fleischkonsum wie er momentan in Deutschland und auch weltweit praktiziert wird, müsste dringend reduziert und optimiert werden."