Diesmal dirigiert der Herr des Neckartals im Kraftwerk nicht nur einen Wirtschaftskomplex, sondern auch ein Schattenorchester. Foto: Schnekenburger

Inszenierte Führungen mit Robert Weippert machen das Kraftwerk vom Veranstaltungsort zum Programmpunkt.

Rottweil - Die Feuerwehrleute in ihren historischen Uniformen halten die Straße vor dem Kraftwerk frei, links und rechts stehen Besucher. Ein Streifenwagen und mehrere Feuerwehrfahrzeuge rauschen in den hinteren Teil des Gewerbegebiets Neckartal: Die Szene gestern Abend hatte Symbolwert. Viel ist geschehen an diesem wirtschafts- und architekturgeschichtlich interessanten Ort, der aber den Übergang in die Gegenwart geschafft hat. Längst steht das früher "Pulverloch" genannte Gebiet, die "I.G.", die "Rhodia" in neuer Blüte. Ziemlich bunt übrigens, und das Kraftwerk spielt dabei eine besondere Rolle.

Gestern Abend spielte es wieder einmal die Hauptrolle beim Ferienzauber. Einmal im Jahr wird der Veranstaltungsort selbst Programmpunkt. Das Interesse ist erstaunlich. Bei den vier Führungen tauchen gut 400 Menschen in das Gemäuer und dessen Geschichte ein. Manche waren zuvor noch nie hier, obwohl sie, im 20-Kilometer-Umkreis angesiedelt, durchaus schon lange Interesse daran haben. Andere sind bekennende Wiederholungstäter. Und obwohl sich am Gebäude, nachdem es zu einem funktionierenden Veranstaltungskomplex umgebaut wurde, selbst nicht mehr so sehr viel ändert, lohnt sich der wiederholte Besuch. Denn die Führungen werden durch eine Kunstfigur begleitet, deren Biographie eine Mischung aus dem Firmengründer Max von Duttenhofer und dem Kraftwerksgeist ist, der die erste Blüte des Bonatz-Baus miterlebt hat.

Robert Weippert spielt diese Figur und wartet Jahr für Jahr mit neuen Details auf. Gestern Abend legte er besonderes Gewicht nicht so sehr auf die Technik-Begeisterung Duttenhofers als auf ein Spezialprodukt. Dem rauchlosen Pulver, dessen Erfindung die Rottweiler Fabrik in Zeiten von Aufrüstung und Krieg zu einer Goldgrube machte, stellte Weippert Showeffekte zur Seite: Pyro-Pulver für Wagner. Ob der so genannte "Holländerbau" in der Industrieanlage allerdings tatsächlich unter dem Eindruck von "Der fliegende Holländer" seinen Namen erhielt sei dahin gestellt. Dafür erlebten die Teilnehmer nach artistischer Schlüsselholaktion über historisches Feuerwehrgerät und einem laut krachenden Kanonenschuss mit gar nicht rauchlosem Pulver eine besondere Performance. Der Herr des Neckartals dirigiert im Kolossaal, einer einem Kirchenschiff ähnelnden Halle, in der früher drei Öfen Wärme und Strom für den gesamten Industriekomplex lieferten, für ein Schattenorchester vom Zuspielband den "Walkürenritt". Ach ja, und wie die Künstler den Saal mit seiner besonderen Atmosphäre erleben, wenn sie bei den Ferienzauber-Veranstaltungen auf die Bühne treten, konnten die Besucher auch gleich testen: schlicht beeindruckend.