Die Pretty Maids zeigen, dass sie wissen, was sie ihren Fans schuldig sind. Bonfire-Sänger Claus Lessmann steht dem nicht nach. Foto: Schnekenburger

Rock bis die Bude wackelt: Bei der Heavy-Nacht feiern die Fans die Kultbands bis fast Mitternacht.

Rottweil - Comedy, Geschichte, Heavy-Metal: Der Ferienzauber hat’s in sich. Auch nach dem Umzug ins Kraftwerk geht es Schlag auf Schlag. Langweilig wird es jedenfalls nicht. Dafür sorgten am Donnerstagabend Bonfire und Pretty Maids.

Leben ist inzwischen wieder viel im repräsentativen Bauwerk mit dem morbiden Charme. Doch einmal im Jahr wird das von Paul Bonatz gezeichnete Gebäude selbst förmlich lebendig. Bei den inszenierten Führungen im Rahmen des Ferienzauber-Programms ist es Kulisse, Zeuge und Hauptdarsteller zugleich. Längst sind diese Führungen zum Geheimtipp geworden. Stammgäste erfreuen sich immer wieder an kleinen Veränderungen oder genießen einfach den alten Bau und seine Geschichte. Und dann soll es da noch welche geben, die schon viel vom Kraftwerk gehört, es aber noch nie so richtig gesehen haben... Das heißt: Obwohl gleich vier Touren angeboten werden, sind Karten beizeiten rar.

"Ausverkauft" heißt es dann, denn mehr geht nicht. Mehr Teilnehmer pro Tour genauso wenig wie höhere Frequenz. Immerhin muss Schauspieler Robert Weippert, der als "Graf Karl von Kohle" sein Unwesen treibt, den Teilnehmern einen Teil der Geschichte vorführt und schließlich unrühmlich endet, auch noch Zeit für seine Szenen haben. Die Führungen holen die Besucher aber auch in die Gegenwart. Der Ferienzauber öffnet Türen, die Besuchern normalerweise verschlossen bleiben. Zum Beispiel zu Bühne und Hinterbühne, die einfrüherer Kohlebunker beherbergt. Außer dem Veranstaltungs-Team, den Künstlern und ihrer Crew kommt da eigentlich niemand hin. Und dann der Blick in den Kolossaal, wenn sich der Bühnenvorhang öffnet: Das sehen auch die Künstler. Nur, dass dann normalerweise mehr Betrieb zwischen den alten Öfen ist.

Wie gestern. "Laut" ist Ansichtssache. Zu knackigem Rock gehört ein bisschen mehr "laut" dazu als bei einem auch noch so engagierten Liedermacher. Gestern gab es davon jede Menge. Sehr zur Freude des Publikums, das einmal mehr bewies, dass der Anspruch, beim Rottweiler Sommerfestival zumindest einen Abend für jeden Geschmack zu bieten, ernsthaft verfolgt wird. Will sagen: Viele der Besucher wird man wohl im nächsten Jahr wiedersehen – bei genau einem Konzert.

Dieses Jahr waren es zwei Kultbands, die eine rund drei, die andere streng genommen vier Jahrzehnte alt, beide immer irgendwie präsent geblieben, und die Pretty Maids, der Import aus Dänemark, auf neuem Höhenflug. Den Abend eröffnet hatten Bonfire. Feiner Sound, druckvolles Spiel, klare Vocals – allein, die letzte Portion fehlte. Ein bisschen wäre viel mehr gewesen. So blieb es bei einem gut einstündigen sauber austarierten Gig, der kurz vor dem Finale noch mit einem fulminanten Schlagzeugsolo aufwartete. Das Publikum war jedenfalls schon ordentlich aufgewärmt. Mehr wäre drin gewesen.

Die Pretty Maids haben sich mehr erlaubt. Mehr Zeit zum Umbau, weil es technische Probleme gab, deshalb auch ein bisschen mehr Vorfreude beim Publikum, und als sie gegen 22.25 Uhr die Bühne betraten, auch deutlich mehr "laut". Egal. Es wird mitgesungen, was das Zeugs hält. Nicht nur Klassiker, auch vom neuen Album "Motherland". Ken Hammer besorgt die beeindruckende Gitarrenkulisse und Basser Rene Shades ist nebenher zuständig für den direkten Kontakt zum Publikum.

Das macht Spaß, auch wenn ein bisschen weniger laut mehr gewesen wäre. Dan hätte man vielleicht auch Ronnie Atkins besser verstanden. Egal. Wer ihn nicht versteht oder die Texte nicht kennt, kann immer noch Luftgitarre spielen, dass sich das Rückgrat in Schlangenlinien zwirbelt, oder einfach nur die Hände heben. Mehr ging vor der Bühne bei der Menge ohnehin nicht. Und dem Ende zu ging’s noch einmal lauter, hatte man den Eindruck, bis nach zwei Zugaben die Regler um 23.50 Uhr auf "0" gestellt wurden..