Werner Mezger Foto: Mezger Foto: Schwarzwälder Bote

Serie: Wird die Mundart zum Pflegefall? / Professor Werner Mezger beurteilt differenziert

Kreis Rottweil. Ist die Mundart noch zu retten? Spätestens seit Ministerpräsident Winfried Kretschmann sich öffentlich für den Erhalt der Mundart einsetzt, ist das Thema in aller Munde. In einer kleinen Serie beleuchtet der Schwarzwälder Bote die Mundart aus verschiedenen Blickwinkeln. Heute schildert Werner Mezger, Germanist und Professor für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, seine Sichtweise.

Werner Mezger schwätzt schwäbisch. So kennen wir ihn von zahlreichen Fernsehübertragungen rund um die Fasnet, und auch daheim "ist Dialekt angesagt", erzählt Mezger. Denn eines ist für ihn wichtig: Dialekt ist eine Bereicherung, aber nur dort, wo er hinpasst. "Er passt nicht immer und überall", erklärt Mezger. Das liege daran, dass es bestimmte Begriffe in der Mundart nicht gebe. "Denken Sie mal an Artikel 1 im Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das kann man nicht in die Mundart übertragen", schildert er bildhaft. Denn: "derfsch it alanga, ist hier nicht gemeint", sagt er. Bei fachlichen Sachverhalten, oder wissenschaftlichen wie juristischen Formulierungen versage der Dialekt komplett. Aber wenn es um Nähe und feine Nuancen gehe, dann versage oft die Hoch- oder Standardsprache. Das macht er an einem Beispiel deutlich. Für das Wort Weinen gibt es im Schwäbischen unglaublich viele Begriffe, die alle – und das ist das Interessante daran –unterschiedliche Arten des Weinens beschreiben. So beispielsweise: heulen, schreia, plärre, flenna, oder brieke. Mezger spricht zudem nicht von Dialekten, sondern vielmehr von Sprachvarietäten, die verschiedene Reichweiten hätten. Dass diese Sprachvarietäten für Sprachbarrieren sorgen würden – wie es oft heißt – hält Mezger schlicht für "Unsinn". Genau das Gegenteil sei der Fall, das habe inzwischen auch die Wissenschaft bewiesen. "Wer Dialekt spricht, darf nicht diskriminiert werden", betont Mezger. Dialekt sei kein Hindernis und schon gar keine sprachliche Verarmung, sondern ein "Kulturgut, bei dem es gilt, es nicht auf der Strecke zu lassen". Der Dialekt setze zudem voraus, dass man auch die Standardsprache beherrscht. Mezger hat im Jahr 2011 einen Aufsatz zum Thema "Muttersprache Schwäbisch – Leben mit dem Dialekt" verfasst und darin eine persönliche Bilanz gezogen. "Der Dialekt hat durchaus Vorzüge, wenn’s um Nähe geht", weiß er nicht zuletzt von seinen vielen Fasnetssendungen. Auch in der Fasnet spielt die Mundart eine große Rolle. "Viele Dinge, die ein Narr mitteilt kommen in Mundart nett, oder etwas derb rüber, aber durchaus sozialverträglich. In Hochsprache könnte manches als beleidigend verstanden werden". Auf jeden Fall ist es laut Mezger wichtig, die kulturelle Vielfalt, zu der die Dialekte zählen, zu erhalten. "Die Dialekte sind ein Identitätsnachweis", betont er.