Eckart Sailer kontrolliert die fertige Salbe, die PTA Mona Henne gefertigt hat. Bei der "Zubereitung" der Rezepturen ist Konzentration gefragt. Fotos: Siegmeier Foto: Schwarzwälder Bote

Handwerk: In Sailers Apotheken werden viele Rezepturen in Handarbeit hergestellt / Jede Zutat ist wichtig

Was soll denn bei einem Apotheker Handwerk sein?, könnte man sich fragen, wenn man den Blick über die bunten Arzneimittelschachteln schweifen lässt, die aufgereiht in den Regalen stehen. Und doch fertigen Apotheker Tag für Tag individuelle Medikamente an. Salben, Kapseln, Tinkturen, Infusionen und vieles mehr.

Rottweil. Mucksmäuschenstill ist es in der Rezeptur der Rottweiler Römer Apotheke. Die pharmazeutisch technische Assistentin, oder auch PTA, Mona Henne, wiegt gerade verschiedene Substanzen ab. Sie muss eine Rezeptur anfertigen. Bei dieser Arbeit ist Genauigkeit und hohe Konzentration gefragt, denn bei falsch hergestellten Medikamenten können Patienten schnell in Lebensgefahr geraten.

"Bei den selbsthergestellten Arzneien haftet der Apotheker persönlich und mit vollem Vermögen", betont Apothekenleiter Eckart Sailer. Und so wird jeder Inhaltsstoff der Rezeptur akribisch aufgezeichnet und exakt abgewogen.

"Die Waage überträgt das Ergebnis direkt auf den Computer, dann hat man gleich die Dokumentation", erklärt Mona Henne, während sie das abgewogene weiße Pulver mit einer Paste verrührt.

Tag für Tag stehen sie und ihre Kolleginnen in der Rezeptur, um so genannte Individualmittel herzustellen. "Die industrielle Produktion von Tabletten und anderen Medikamenten ist noch gar nicht so alt", erklärt Apotheker Eckart Sailer.

Noch bis in die 1960er-Jahre hätten Apotheker viel mehr Medikamente selbst hergestellt, bevor die Pharmakonzerne ihnen die Arbeit mit Massenproduktionen quasi aus der Hand nahmen. Mehr denn je seien individuelle Medikamente gefragt und die Herstellung solcher Rezepturen – wie man die Zusammensetzung eines Arzneimittels nennt, das in der Apotheke für einen bestimmten Patienten aus benötigten Ausgangsstoffen hergestellt wird – fester Bestandteil sowohl des Pharmazie-Studiums, als auch der PTA-Ausbildung. Ein wenig erinnert die Arbeit ans Kuchenbacken. Dem stimmt Apotheker Sailer sofort zu: "Wer hier gute Medikamente herstellt, ist meist auch ein sehr guter Hobby-Bäcker oder Koch", sagt er schmunzelnd. Jedoch sind beim Umgang mit den Substanzen besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt gefragt.

Zahlreiche Tests

So werden die einzelnen Ausgangssubstanzen vor erstmaliger Verwendung eingehend geprüft. Ausgangsstoffprüfung nennt man dies. Die Grundstoffe müssen vor Verwendung nochmals identifiziert und analysiert werden. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Neben der Bestimmung der physikalischen Eigenschaften, wie dem Schmelzpunkt werden auch chemische oder chromatographische Analysen durchgeführt. "Das ist sehr aufwendig, aber unbedingt notwendig", betont Eckart Sailer. Erst wenn alle Tests mit den Anforderungen übereinstimmen, kommt der Stoff vom Labor in die Rezeptur und darf verwendet werden. Übrigens müssen alle Apotheken ein Laboratorium und eine Rezeptur haben, denn jede Apotheke müsse in der Lage sein, individuelle Arzneimittel herzustellen. Damit er sich sicher sein kann, dass seine Arbeit höchsten Ansprüchen genügt, lässt sich Sailer regelmäßig vom Zentrallaboratorium der Apotheker in Eschborn kontrollieren.

Auch Kapseln werden in Sailers Apotheken befüllt. "Meist handelt es sich dabei um spezielle Dosierungen, die es bei den Standardmitteln nicht gibt, beispielsweise müssen Mittel für herzkranke Kinder ganz individuell dosiert sein", erklärt der Apotheker. So wird die richtige "Mischung" vorbereitet und dann in die Kapseln gefüllt, die zuvor in eine spezielle Einrichtung eingespannt werden, damit sich Ober- und Unterteil voneinander lösen. Sind sie befüllt, werden die Kapseln wieder verschlossen und für die Patienten verpackt. "Unsere Rezeptur ist halbtags mit einer Mitarbeiterin besetzt", informiert Eckart Sailer.

Mit den Ärzten, die die Rezepturen in Auftrag geben, steht die Apotheke in engem Austausch. "Wir haben hier einen sehr respektvollen Umgang, den die Ärzte sehr schätzen. Die Herstellung von Medikamenten ist die ureigenste pharmazeutische Kompetenz", so Sailer. Derweil ist auch das letzte Mittel angefertigt und die Tuben, Kruken und Pipettengläser – alle sorgfältig mit Inhaltsstoffen und Dosierung beschriftet – warten darauf, abgeholt zu werden.