Die Musikvereine leiden unter der Corona-Krise. Proben fallen aus, Konzerte müssen abgesagt werden.Foto: pixabay Foto: Schwarzwälder Bote

Musikvereine: Abgesagte Veranstaltungen bedeuten finanzielle Einbußen / Lehrer bieten Online-Unterricht an

Sie waren mitten in der Vorbereitungszeit für wichtige Konzerte und mussten alles schnell auf null herunterfahren. Die Musikvereine leiden unter den Auswirkungen der Corona-Krise. Veranstaltungen fallen aus, Einnahmen brechen weg – und auch die Jugendarbeit bereitet viele Sorgen.

Rottweil. "Wir haben die vergangenen Wochen als sehr unstete Zeit erlebt", sagt Sandra Sauter, Vorsitzende der Musikkapelle Neukirch. Zunächst habe man nur eine Probe abgesagt, kurz darauf sei klar geworden, dass auch das geplante Probenwochenende mit den Musikkameraden aus Zepfenhan und sechs eingeladenen Fremddozenten nicht stattfinden kann. Abgesagt seien mittlerweile auch die Feierlichkeiten zum Gemeinde-Jubiläum "900 Jahre Neukirch" im Juli.

"Im Moment gehen wir davon aus, dass bis zum 15. Juni keine Proben in unserem Probelokal stattfinden können. Somit wird es natürlich sehr schwer, die angestrebten Auftritte – sollten diese stattfinden können – problemlos musikalisch zu meistern", macht Sauter klar.

Auswirkungen hat die Corona-Krise selbstverständlich auch auf die Jugendarbeit in der Musikkapelle Neukirch. Offen sei derzeit zum Beispiel, ob die geplanten Lehrgänge für die Nachwuchsmusiker durchgeführt werden. "Der Einzelunterricht an den Instrumenten findet teilweise per WhatsApp-Videoanruf statt", sagt Sauter.

Sie bedauert, dass das diesjährige Vorspiel für die Jungmusiker im Bürgerhaus abgesagt werden musste. "Das Vorspiel ist die einzige Gelegenheit für unsere mehr als 30 Kinder und Jugendliche, ihr Können in Einzel- oder Gruppenvorträgen zu präsentieren", erklärt die Vorsitzende. "Im Anschluss an dieses Vorspiel gibt es jedes Jahr noch eine Instrumenteninfo, hier können interessierte Kinder alle Holz- und Blechblasinstrumente ausprobieren. Für den Verein ist es eine gute Möglichkeit, neue Kinder für dieses Hobby zu begeistern", fügt sie hinzu.

Einschneidender Ausfall

Als "turbulent" bezeichnet die vergangenen Wochen Sophia Pichler, eine der drei Vorsitzenden des Musikvereins Rottweil-Hausen. "Eine der größten Herausforderungen war und ist für uns unser jährliches Frühjahrskonzert. Wir waren mitten in den Proben, hätten eigentlich Ende März ein intensives Probenwochenende abgehalten und haben uns schon alle riesig auf das Konzert gefreut. Aber: Aufgeschoben ist ja bekanntermaßen nicht aufgehoben", bleibt Pichler optimistisch.

Sie macht deutlich: "Wenn man jahrelang ein gemeinsames Hobby pflegt und sich so dicke Freundschaften entwickeln wie in unserem Verein, ist so ein Ausfall und die soziale Distanz sehr einschneidend. Uns fehlen unsere Musikerfreundinnen und -freunde und natürlich auch das gemeinsame Musizieren."

Diese probenfreie Zeit zu überbrücken, sei schwer. "Alleine die Stücke zu Hause zu spielen, macht weder so viel Spaß wie mit den anderen, noch klingt es so schön. Erst gemeinsam entsteht die Harmonie – das betrifft die Musik und die Freundschaften", betont Pichler. Nun habe aber jeder Musiker Zeit, für sich zu üben, Techniken zu verbessern und an Kleinigkeiten zu feilen. "Den Probenbesuch dadurch wettmachen kann man leider nicht", stellt die Vorsitzende fest.

Auch den jungen Nachwuchsmusikern aus Hausen fehlt derzeit der Input von Musiklehrern, weiß Pichler. Einige Ausbilder lassen ihren Schülern per E-Mail Noten zukommen. "Das ergibt jedoch nur dann Sinn, wenn schon ein gewisses Niveau beim Beherrschen des Instruments vorhanden ist und die Technik so weit steht", sagt die Vorsitzende.

Der Zusammenhalt im Musikverein Rottweil-Hausen leide aber keinesfalls unter der sozialen Distanz – im Gegenteil, betont Pichler. "Eher merkt man jetzt, was man wirklich am anderen hatte und wie wichtig genau jetzt Gemeinschaft ist." Und: Musik verbinde auch virtuell.

Kameradschaft fehlt sehr

Von einer herausfordernden Zeit spricht Sabine Digeser, Vorsitzende des Musikvereins Göllsdorf. Da große Veranstaltungen und Auftritte abgesagt werden, werden dem Verein dadurch wertvolle und notwendige Einnahmen fehlen, macht sie deutlich. Ohne Proben können die Musiker ihr Programm nicht einüben. "Wir hoffen, dass unser Jahreskonzert am ersten Advent stattfinden kann und wir auch davor genug Zeit zum Proben haben", sagt Digeser.

In der Corona-Pause verabredet sich die jüngere Generation der Göllsdorfer Musiker einmal wöchentlich zur Probezeit per Videochat. "Ansonsten sind wir über unsere Whatsapp-Gruppe verbunden. Aber das ist natürlich nicht das Gleiche, wie wenn man sich persönlich in der Probe begegnet", meint Digeser. "Die Kameradschaft fehlt uns sehr."

Motivation vom Dirigenten

Die Einstellung der Proben traf auch den Musikverein Frohsinn Altstadt hart. "Wir steckten mitten in der Vorbereitung für unser Frühjahrskonzert", schildert Vorsitzende Jasmin Bihl. Nun müsse der musikalische Jahreshöhepunkt auf unbestimmte Zeit verschoben werden. "Zum aktuellen Zeitpunkt ist noch nicht absehbar, ob weitere Veranstaltungen vielleicht sogar bis Ende des Jahres abgesagt werden müssen. In unserem Fall würde dies unsere vereinseigenes Oktoberfest-Wochenende betreffen, was für uns nicht nur eine große finanzielle Einbuße bedeuten würde, sondern sich auch kameradschaftlich negativ auswirken könnte", so Bihls Befürchtung.

Dirigent Axel Zimmermann hatte nun die Idee, wie seine Musiker die Spielqualität trotz des Probenausfalls aufrechterhalten können: Jeden Donnerstag – das ist der regulärere Probetag bei den Frohsinn-Musikern – sendet er von einem Konzertstück eine musikalische Aufnahme sowie genaue Spielanweisungen für die einzelnen Instrumentenregister an die Musiker. "Die genauen Angaben, wie einzelne Stellen in den Musikstücken zu spielen sind, motivieren zum Üben und machen Lust darauf, das Ganze nach der Krise mit allen Kameraden und Stimmen zusammenzusetzen", weiß Bihl.

Sorgen macht sich die Vorsitzende um den Bereich Nachwuchsförderung: "Die Erfahrung in der Jugendarbeit zeigt, dass besonders bei Jugendlichen längere Pausen für den Verein fatale Auswirkungen haben können." Da sei schon im normalen Unterrichts- und Probenbetrieb Fingerspitzengefühl und ein regelmäßiger Kontakt der Jugendleiter zu den Kindern gefragt. "Vieles läuft hier auch über außermusikalische Aktivitäten wie Ausflüge und gemeinsame Grillabende, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken und den Jugendlichen Kontakte zu den Musikern aus der aktiven Kapelle zu ermöglichen. Dies bricht natürlich neben den Proben momentan auch weg", sagt Bihl.

Das kameradschaftliche Vereinsleben laufe währenddessen über die sozialen Medien. "Es ist schön zu sehen, dass den Musikern der Kontakt sehr wichtig ist", betont die Vorsitzende. Die Altstädter Musiker hätten bereits an mehreren Aktionen und Challenges im Netz teilgenommen. "Auch während dieser Krise halten die Menschen zusammen", sagt Bihl.