Gedenken: Erdbeben in der Partnerstadt forderte vor zehn Jahren 309 Todesopfer / Interviewreihe
Zum zehnten Mal jährt sich am 5./6. April das furchtbare Erdbeben in Rottweils Partnerstadt L’Aquila, das binnen knapp 30 Sekunden in den Morgenstunden um 3.32 Uhr die Stadt komplett zerstört und viele Menschenleben gefordert hat.
Rottweil/L’Aquila (hf). Die SMS von Dolmetscherin Uschi Aichholzer: "L’Aquila ist kaputt" erreichte Ludwig Kohler von der deutsch-italienischen Kulturvereinigung "Amici dell’Aquila" am frühen Morgen des 6. April 2009. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt das Ausmaß einschätzen – es gab den spontanen Entschluss des damaligen Bürgermeisters Werner Guhl zur Einrichtung eines städtischen Spendenkontos und den Entschluss, mit der Feuerwehr (Reiner Müller), dem THW und dem DRK (Michael Häring) sowie Freiwilligen (Walter Melchiore, Bernhard Pahlmann, Max Burger) direkt nach L’Aquila zu fahren, um vor Ort zu helfen. Und es gab von der ersten Stunde an in der Rottweiler Bürgerschaft eine große Welle an Spenden für die Bürger der italienischen Partnerstadt. Beides wurde umgesetzt: die unbürokratische Hilfe vor Ort in Italien und die Spendengelder, die später für das Bürgerhaus in Onna verwendet werden konnten.
Im August vergangenen Jahres trafen sich Mitglieder von "Amici dell’Aquila" mit dem Ortsverein Onna Onlus im dortigen Bürgerhaus "Casa Onna", um den zehnten Jahrestag des Erdbebens vorzubereiten. Neben dem stillen Fackelzug in L’Aquila und Onna wird es am 6. April in Onna ein Konzert geben mit Mitgliedern der Stadtkapelle. OB Ralf Broß und Kulturamtsleiter Marco Schaffert werden gemeinsam mit Mitgliedern von "Amici dell’Aquila" vor Ort sein, um zu gedenken.
In der Vorbereitung entstand auch der Wunsch, Interviews mit Bürgern aus L’Aquila und Onna zu erstellen, die auf die damalige Betroffenheit und Verluste ebenso eingehen wie auf die Einschätzung der zukünftigen Entwicklung dieser ehemals stolzen Regionalstadt der Abruzzen. Acht Frauen und Männer aus L’Aquila und Onna haben auf die Fragen geantwortet: Der Journalist Giustino Parisse von der Tageszeitung "Il Centro", der seine beiden Kinder und seinen Vater verloren hatte, Tiziana Colaianni von Onlus Onna, die zwei Töchter verlor, der Lungenfacharzt Franko Papola von Onlus Onna, dessen Mutter und Schwiegermutter in der Erdbebennacht starben, Aldo Scimia aus L’Aquila, der seine Mutter in Onna verloren hat, Gerardino Papola aus Onna, der seinen Vater verloren hat, Walter Capezzali, Archivar und ehemaliger Leiter der Regionalbibliothek der Abruzzen aus L’Aquila, die Medizinstudentin Silvia Frasca von der Associazione Humanitas aus L’Aquila und Marco Carpini aus Onna.
Die Interviews werden wir in den nächsten Tagen auf Sonderseiten in der Rottweiler Ausgabe veröffentlichen. Die Texte wurden übersetzt von Uschi Aichholzer, Dolmetscherin aus L’Aquila, Bernhard Pahlmann, ehemaliger Stadtbotschafter, Giancarlo Rossi, "Amici dell’Aquila". Die Fragen stellte Heide Friederichs, "Amici dell’Aquila" und ehemalige Stadtbotschafterin.
Die Tatsache, dass die meisten Interviews aus Onna stammen, hat auch mit den im Verhältnis zur Einwohnerzahl zu beklagenden Todesopfern in der Erdbebennacht zu tun. Von den 281 Einwohnern starben allein 40 Menschen in Onna, während L’Aquila mit seinen damals 75 000 Einwohnern insgesamt 309 Todesopfer beklagen musste.
Wie jedes Jahr am Jahrestag werden nach dem Fackelzug durch die historische Stadt auf dem Domplatz die Namen der 309 Todesopfer gelesen, und danach erklingen die Glockenschläge der Chiesa di Santa Anime 309 mal. Wie die Menschen mit den Wunden und Verlusten leben müssen und wie sie sich die Zukunft ihrer Stadt wünschten, das berichten uns die Betroffenen in ihren Interview-Antworten.
Ebenso hat Rottweil an den Gedenktagen mit den Amici dell’Aquila an die L’Aquilani am Platz des gepflanzten Kirschbaumes unterhalb der Jugendherberge gedacht.
Dieses Jahr wird, wie berichtet, am Donnerstag, 4. April, im Alten Rathaus eine Ausstellung eröffnet im Gedenken an den Jahrestag des Erdbebens in L’Aquila 2009.