Er hat versucht, Fußball-Bundesligisten und Firmen um Millionen zu erpressen. Das Motiv, das der Mann aus dem Kreis Tuttlingen vor Gericht angab, ist erschütternd. Foto: Kwest – stock.adobe.com

32-Jähriger wegen versuchter räuberischer Erpressung vor Gericht. "Ich war völlig am Ende, es war ein Tod auf Raten".

Kreis Rottweil - Mit einem Geständnis hat vor dem Landgericht Rottweil der Prozess gegen einen 32-jährigen Mann aus einer Tuttlinger Kreisgemeinde begonnen, der sich wegen versuchter räuberischer Erpressung in 34 Fällen mit hohen Millionen-Forderungen verantworten muss.

Auf der Anklagebank sitzt ein großgewachsener, schlanker Mann mit langen, gepflegten Haaren, einer modischen Brille, etwas zu groß geratener Häftlingshose und Fußfesseln. Er wirkt in sich gekehrt, berichtet mit gedämpfter Stimme über sein Leben und seine Taten. Und schnell wird deutlich, dass bei ihm von Anfang an vieles schiefgelaufen sein muss: Er war zwölf, als sich die Eltern scheiden ließen. Er musste beim Vater und dessen neuer Lebensgefährtin bleiben, bis es eskalierte und er bei der Mutter und der Schwester im Nachbarort Unterschlupf suchen musste. Doch die Probleme wurden größer, er wurde zum Schulverweigerer. Es hing wohl auch mit depressiven Verstimmungen zusammen.

Angeklagter droht Firmenchefs

Eine Therapie und ein vierwöchiger Aufenthalt in der Jugend-Psychiatrie halfen nicht. Trotzdem schaffte er den Hauptschul-Abschluss. Er fand aber keine Lehrstelle, ging zur Bundeswehr, schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. Später schaffte er die Hochschulreife. Aber auch bei der Suche nach einem Studienplatz hagelte es Absagen. Von nun an ging’s nur noch bergab. Bis zu jenem 3. Dezember 2019. Da hatte er sich bereits eineinhalb Jahre in seinem völlig vermüllten und abgedunkelten Zimmer isoliert, konnte kaum noch schlafen und fast nichts mehr essen. Das war die Lage, als er begann, Erpresser-Briefe und Mails zu schreiben.

Mit die ersten Adressen waren zwei große Unternehmen aus Tuttlingen und einer Nachbar-Gemeinde. Er forderte jeweils 7,5 Millionen Euro und drohte, er werde die Firmenchefs öffentlich an den Pranger stellen wegen Sexualdelikten. Von nun an verschickte er fast täglich Briefe oder Mails mit Droh-Szenarien und Millionen-Forderungen: An Krankenhäuser, an Bundesligaclubs, an Bistümer in ganz Deutschland. An den Europa-Park. An den Rottweiler Oberbürgermeister. Er sei im Besitz von Giftstoffen und Krankheitserregern, mit denen er Hunderte von Menschen töten könne.

Die Forderungen summierten sich auf annähernd 100 Millionen Euro. Das Geld sollte auf ein Bitcoin-Konto überwiesen werden. Eine DNA-Spur auf einem der Briefe führte schließlich zum Täter, der am 16. Januar festgenommen wurde.

Widersprüchliche Aussagen

Staatsanwältin Isabel Gurski-Zepf benötigt mehr als eine halbe Stunde, um alle Vorwürfe aufzulisten. Der 32-Jährige berichtet, er habe die Drohschreiben aus dem "Deepnet" eins zu eins kopiert und mit gleichen Inhalten verschickt. "Ich war damals völlig am Ende, bin tagelang nur noch apathisch rumgelegen", sagt der junge Mann. "Es war ein Tod auf Raten." Zweimal habe er vorher schon versucht, sich umzubringen.

Und dann macht er eine Aussage, die Erstaunen hervorruft: "Es ging mir nicht um Geld. Geld interessiert mich überhaupt nicht! Ich wollte mich schlecht fühlen und zeigen, dass ich ein böser Mensch bin, damit ich mich endlich umbringen kann."

Anders war dann aber die Darstellung eines Kripo-Beamten, der am zweiten Verhandlungstag als Zeuge aussagte. Er berichtete, der Täter habe bereits kurz nach der Festnahme erklärt, er wäre froh gewesen, wenn wenigstens einer bezahlt hätte. Nur so hätte er sich aus seiner aussichtslosen Situation befreien und ein neues Leben beginnen können. "Das war seine letzte Hoffnung", sagte der Beamte.

Der Prozess wird am heutigen Donnerstag fortgesetzt.