Kriminalität: Staatsanwaltschaft Rottweil zieht Bilanz / Zahl der Sexualdeliktsklagen könnte steigen
Bewaffnete Überfälle, Tötungen und Messerattacken – während der Eindruck vieler Bürger ist, dass Gewalttaten zunehmen, spricht die Statistik der Staatsanwaltschaft Rottweil eine andere Sprache. Dennoch gab es einige Fälle, die aufgrund ihrer Schwere publik wurden.
Region. Ganz aktuell, aber noch nicht abgeschlossen und deswegen auch nicht in der Statistik, ist der Dreifachmord in Villingendorf. Doch es gab weitere besondere Fälle, die der Leitende Oberstaatsanwalt Joachim Dittrich, Oberstaatsanwalt Christoph Kalkschmid und der Erste Staatsanwalt Frank Grundke beim Jahrespressegespräch der Staatsanwaltschaft Rottweil auf den Tisch brachten.
Einer war das Tötungsdelikt, das sich im vergangenen Juli in Horb ereignet hatte. Die Aushilfe an einem Döner-Stand hatte einen 33-Jährigen mit einem 19,5 Zentimeter langen Messer attackiert. Das Urteil fiel vor einigen Tagen: acht Jahre und zehn Monate Freiheitsentzug sowie die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt.
Ein weiterer prägender Fall sei eine Einbruchsserie von April 2016 bis April 2017 gewesen. In 59 Fällen war der 52-jährige Kroate aus dem Bodenseekreis nachts in Wohn- und Geschäftshäuser in den Landkreisen Rottweil, Freudenstadt, Offenburg, Konstanz, Sigmaringen und im Schwarzwald-Baar-Kreis eingebrochen. Der Fensterbohrer habe dabei Ware im Wert von 50 Euro bis zum fünfstelligen Bereich erbeutet. Für Aufsehen gesorgt hatten auch der 35-jährige "Autokratzer" aus Nordstetten sowie ein Mann, der im März 2016 in Spaichingen die 90-jährige Mutter eines Bekannten tötete.
Zwei versuchte Tötungen fanden zudem in Tuttlingen statt. Akribischer Ermittlungsarbeit sei es zu verdanken, so Dittrich, dass ein 57-Jähriger, der zwei Überfälle auf Kreditinstitute in Merklingen und Empfingen verübt hatte, und ein 24-Jähriger, der eine Bank in Schramberg-Sulgen überfiel, überführt wurden.
Während in Deutschland die Messerattacken zuzunehmen scheinen, gab es auch im Zuständigkeitsgebiet der Staatsanwaltschaft Rottweil einige Fälle, in denen die Waffe verwendet wurde. "Messer spielen immer wieder eine Rolle", bestätigte Dittrich. "Erschreckend ist, wie häufig junge Leute oder sogar Kinder ein Messer mit sich führen", meinte der Leitende Oberstaatsanwalt.
Derzeit brandheiß diskutiert wird auch der mögliche Wegfall der Bagatellgrenze bei Ladendiebstählen, so dass auch Diebstähle von Sachen, die weniger als 25 Euro wert sind, verfolgt werden. "Auch kleine Fische sind Fische", meinte Dittrich. Die Entscheidung sei konsequent und nachvollziehbar. "Es ist eben eine Abwägungsfrage, wie man die nicht so reichlichen Ressourcen der Justiz einsetzt", so sein Fazit.
Neues Recht – mehr Fälle
Einen Verfahrenszuwachs von 1032 Fällen (rund 59 Prozent mehr als 2016) habe es im Bereich Verkehrsdelikte gegeben. Vieles davon sei auf Geschwindigkeitskontrollen zurückzuführen, so Dittrich.
Die Ermittlungen seien insgesamt, unter anderem durch viele Tätigkeiten im Ausland, komplizierter geworden. Des Weiteren sei die Arbeitsbelastung um gut drei Prozent gestiegen. 2017 waren die Anklagen mit 1039 (2016: 1027) recht stabil. Deutlich gestiegen ist die Zahl der Schöffengerichtsverfahren im Erwachsenen- und im Jugendbereich (von 73 auf 102 und von 88 auf 122). Dabei handelt es sich laut Dittrich um "mittlere Kriminalität" mit einer Freiheitsstrafe von maximal vier Jahren. 2471 Strafbefehle wurden ausgestellt, 1245 Fälle eingestellt oder als Ordnungswidrigkeiten an die Verwaltungsbehörden abgegeben.
Erheblich reduzieren, nämlich um 41 Prozent, konnte die Staatsanwaltschaft die länger als ein Jahr anhängigen Altfälle. Davon gebe es nun nur noch 70 statt 118.
Bei Verschiebungen von Straftatschwerpunkten müsse man laut Dittrich derweil unterscheiden, ob die Zunahme durch die Kriminalitätsentwicklung oder eher durch die neue Gesetzgebung bedingt ist. So sei das vermutlich bei den Verfahren wegen sexueller Belästigung der Fall. Wohnungseinbruch gelte mittlerweile auch als Verbrechen und werde die Zahl der Anklagen wohl steigen lassen. Zusammenfassend sagte Dittrich: "Wir haben mit mehr Personal mehr Arbeit zu tun, denn nur eine zügige Strafverfolgung ist eine wirksame".
Insgesamt sind bei der Staatsanwaltschaft Rottweil derzeit 52 Personen beschäftigt, davon 16 Staatsanwälte, die für die Kreise Tuttlingen, Rottweil und Freudenstadt zuständig sind. 2017 gab es rund 22 700 neue Ermittlungsverfahren zu bearbeiten (2016: 22 035). 13 000 davon wurden gegen bekannte Täter geführt.