Der Tatort im Juni 2018. Foto: Schulz

Angestellter gesteht Raubüberfall auf Rottweiler Bastelladen. "Keine finanziellen Probleme."

Rottweil - "Am Morgen war der Gedanke einfach da", sagt der 25-Jährige, der am 26. Juni 2018 ein Bastelgeschäft in der Rottweiler Stadionstraße überfallen haben soll. Beim Prozessauftakt vor dem Landgericht legte der Angeklagte ein Geständnis ab.

An jenem Morgen habe er einen Suchtberatungstermin gehabt und sei mit dem Bus nach Rottweil gefahren, sagte der Mann, der aus einer Kreisgemeinde kommt, aus. Ihm wird besonders schwerer Raub vorgeworfen. Der Angeklagte zeigte sich kooperativ und schilderte den Tathergang.

Am Friedrichsplatz sei er ausgestiegen und bis zum Römerbad gegangen. Auf dem Weg habe er mit der Absicht des Raubes verschiedene Läden ausgekundschaftet, unter anderem einen Optiker und ein Restaurant. In seiner Tasche hatte er Wechselschuhe, eine Discounter-Plastiktüte und ein Küchen-Messer mit einer rund 25 Zentimeter langen Klinge. Zudem trug er zwei Schichten Kleidungen.

Der Entschluss zur Straftat sei am selben Morgen gefallen, berichtete er. "Ich hatte keinen direkten Grund, keine finanziellen Probleme. Der Gedanke war einfach da." Das Geld hatte er für eine baldige Reise in den Libanon, wo Verwandte des Angeklagten wohnen, vorgesehen – "bisschen was extra auf die Tasche".

Schließlich sei seine Wahl auf den Bastelladen gefallen. Erst habe er im Nebenraum des Ladens so getan, als würde er Lottoscheine ausfüllen, bis der letzte Kunde den Laden verließ. Dann zog er sich eine schwarze Maske mit Sehschlitzen über, die er offenbar von zu Hause mitgenommen hatte, an deren Aussehen und Entstehung er sich aber nicht erinnern konnte.

Der 65 Jahre alte Geschädigte schilderte, er habe mit dem Rücken zur Tür gestanden und telefoniert, als jemand gesagt habe "Das ist ein Überfall". Daraufhin sei ihm vom Maskierten das Telefon aus der Hand geschlagen worden. Der Fremde habe ein Messer mit der Klinge in seine Richtung gehalten und die Einnahmen aus der Registrier- und der Lottokasse gefordert.

Nach der Übergabe der rund 500 Euro habe der nervös wirkende Täter alles in eine Discounter-Tüte gestopft und sei geflohen. Alles habe nur etwa fünf Minuten gedauert. "Ich war wie paralysiert", schilderte der Geschädigte.

Elfjährige löst Schock aus

Was dem Angeklagten bei der Schilderung sichtlich an die Nieren ging, war die Anwesenheit der elfjährigen Enkelin des Ladenbesitzers, die sich auch dort aufgehalten hatte. Das tue ihm am meisten leid. "Ich wusste nicht, dass sie da war. Das war für mich ein Schockmoment. Ich hätte die Chance gehabt, die Tat bleiben zu lassen, aber ich steckte schon mittendrin", sagte der 25-Jährige, der einen Entschuldigungsbrief verfasst hatte. "Ich muss jeden Tag daran denken und wünsche dem Mädchen alles Gute. Das belastet mein Gewissen."

Nach der Tat sei er mit dem Messer in der Hand in Richtung Apotheke geflüchtet und habe dort im Untergeschoss die obere Kleidungsschicht abgelegt. "Ich war aufgebracht."

Obgleich er den Tathergang umfassend schilderte, konnte sich der Angeklagte, der ruhig wirkte, an manches nicht erinnern. Das reichte von Details bis zu ganzen Passagen seines Lebens. Vor allem eins wurde deutlich: dass er ein massives Drogenproblem hat. Auch am Tattag und am Abend zuvor hatte er reichlich konsumiert, sagte er aus. Vier bis acht Milligramm des Opiats Subutex, eine halbe Ecstasy-Tablette, ein paar Gramm Marihuana und ein Bier seien seine tägliche Dosis, erzählte er. Damit starte er nach dem Aufstehen.

Mit dem Konsum begonnen hat der vorbestrafte 25-Jährige nach eigener Aussage mit 15 Jahren. Auf Marihuana folgten Ecstasy, Speed, Kokain, Heroin, LSD und Medikamente. Zweimal hatte er eine Überdosis. "Ich bin extrem abhängig." Früher sei er auch glücksspielsüchtig gewesen.

In der Familie sei er zudem mit der Gewalttätigkeit des Vaters konfrontiert worden, war auch einmal in einer Pflegefamilie. Er wolle einfach seine Ruhe. "Ich bin anders als meine Geschwister, ein Einzelgänger", meinte der Angeklagte. Thematisiert habe er das oft. "Aber das interessiert keinen."

Drogen hatten Priorität

Nach einer abgebrochenen Ausbildung und Gelegenheitsjobs wünsche er sich einfach eine Ausbildung. "Ich würde liebend gern einmal mitten im Leben stehen." Die Drogen hätten bislang immer Priorität gehabt. Das liege auch an seinem Wohnort und den Menschen dort, meinte er. Deshalb wolle er diesem den Rücken kehren.

Ein völlig anderes Bild als das des ruhigen, in sich gekehrten Angeklagten vor Gericht ergab sich nach der Schilderung eines Polizeibeamten. Als klar war, dass dieser in Haft müsse, sei er "auffällig" geworden. So habe der 25-Jährige davon gesprochen, dass Blut fließen werde, er vom Teufel besessen sei und ein Grab für die Polizisten ausheben würde. Er habe "Allahu akba" geschrien und versprochen, er werde im Gericht alle "hochsprengen".

Zudem habe sich der junge Mann gewehrt, gespuckt und seinen Kopf gegen die Autoscheibe geschlagen. Dem Angeklagten war das wohl alles neu: "Ich höre das gerade zum ersten Mal. Ich erinnere mich nicht daran".

Überführt hatte die Polizei ihn nach der ergebnislosen Fahndung mit 17 Streifenwagen und einem Hubschrauber wohl mitunter anhand der aufgefundenen Kleidung. Eine Vertrauensperson habe zudem gemeldet, sie habe den Angeklagten beim Tatort gesehen.  Der Prozess wird am 23. Januar um 9 Uhr fortgesetzt. Dann kommen unter anderem Angehörige des Angeklagten zu Wort. Außerdem stellt der psychiatrische Sachverständige Charalabos Salabasidis sein Gutachten vor.