Unter den Opfern in Theresienstadt waren auch Juden, die einst in Rottweil gelebt hatten. Foto: Siegmeier Foto: Schwarzwälder Bote

Serie: Jüdisches Leben in Rottweil / Wanderausstellung "Ausgrenzung, Raub, Vernichtung" zeigt Schicksal der Opfer auf

Als Reichspogromnacht ist die Nacht auf den 10. November 1938 in die Geschichte eingegangen. Im gesamten Deutschen Reich kam es damals zu Ausschreitungen gegen die Juden.

Rottweil. Eine Ausstellung in Rottweil sollte diese Zeit beleuchten, musste aber coronabedingt ausfallen. Das Thema Deportationen beschließt die eindrückliche Wanderausstellung "Ausgrenzung, Raub, Vernichtung" über die jüdische Geschichte. Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann die Vernichtung der europäischen Juden. Aus ganz Württemberg und Hohenzollern wurden insgesamt 1000 jüdische Männer, Frauen und Kinder auf den Stuttgarter Killesberg gebracht, wo sie in den Hallen der ehemaligen Reichsgartenschau "zusammengepfercht wurden".

Die Juden, die einst in Rottweil für ein florierendes Geschäftsleben mitverantwortlich und gesellschaftlich integriert waren, hatten Rottweil zu dieser Zeit bereits verlassen. So habe es keine direkten Deportationen aus Rottweil in die Vernichtungslager gegeben, aber Rottweiler Juden waren dennoch unter den Opfern.

So wurde beispielsweise Max Brandenburger, Teilhaber der Firma Gabriel Degginger, 1942 über den Nordbahnhof Stuttgart nach Theresienstadt deportiert. Rottweil hatte er bereits 1935 verlassen. Regine Degginger, die Ehefrau des Rottweiler Hemdenfabrikanten Oskar Degginger, wurde im August 1942 ebenfalls über Stuttgart nach Theresienstadt deportiert. Nathan Fröhlich, der einst ein Schuhgeschäft in der Oberndorfer Straße 15 betrieb, kam, nachdem er Rottweil 1937 nach Stuttgart verlassen hatte, von dort nach Dachau. Sohn Albert Fröhlich wurde mit nur 20 Jahren in die Landesheilanstalt Grafeneck gebracht. Berta und Siegfried Sander, die ein Spezialhaus für Pelzwaren und Herrenausstattung in der Hochbrücktorstraße 9 betrieben hatten, starben 1942 im Konzentrationslager Ravensbrück.

Ella Preuss, die in Rottweil als zweites von sechs Kindern des Lehrers Solomon Königsbacher aufgewachsen war, kehrte 1925 als Witwe zu ihrer Mutter nach Rottweil zurück, zog 1938 zu ihrem Sohn nach Amsterdam, von wo aus sie schließlich nach Auschwitz deportiert wurde.

Die Finanzämter hatten dem Oberfinanzpräsidium zu melden, was an Raubgut – das Hab und Gut der Opfer – angefallen war. Der Oberfinanzpräsident und seine Beamten gaben dann den Finanzämtern Anweisung, wer welchen Teil erhalten sollte.

Die Ausstellungstafeln zeigen das Prozedere am Beispiel des Horber Finanzamtes auf, dessen Akten weitgehend erhalten sind. An diesem Beispiel lasse sich der "Raubzug", wie es heißt, gut nachvollziehen. So durften wohl zunächst der höhere SS- und Polizeiführer Südwest in Stuttgart und der Oberfinanzpräsident aus den besten Stücken, die vom Finanzamt beschlagnahmt worden waren, auswählen. Im Anschluss bekamen das örtliche Finanzamt und die lokalen NS-Organisationen das Recht auf Zugriff. Aber auch aus dem weiten Umfeld hätten sich Kaufinteressenten gemeldet. Für viele sei dies eine Art Schnäppchenjagd gewesen, besonders bei Immobilien und Grundstücken.

Die Ausstellung wie auch das Buch "Ausgrenzung, Raub, Vernichtung" sind das Ergebnis eines sechsjährigen Forschungsprojekts. Etwa 30 Historiker, Aktive an Gedenkstätten und Forschende haben zu dem Werk beigetragen, das von Heinz Högerle und Martin Ulmer vom Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb sowie Peter Müller vom Landesarchiv Baden-Württemberg herausgegeben wird.