Um 18 Uhr endet am Fasnetsdienstag der letzte Narrenmarsch der Stadtkapelle. Die "Hu-Hu-Hu!" zum Abschied voor dem Alten Rathaus sind leise, wenn nicht stumm, die Narren feiern noch ein bisschen da. Doch das Trauern hat ein Ende: Wenn der Kater am heutigen Aschermittwoch verraucht ist, wird klar: "Es goht dagega!" Foto: Schnekenburger Foto: Schwarzwälder Bote

Fasnet : Die Narren entwickeln clevere Strategien zur Bewältigung der Zukunft / "Briekere" gibt geistlichen Impuls mit auf den Weg

Von Bodo Schnekenburger

Es ist der große Stillstand – vielleicht vor dem noch größeren Aufbruch, der den Stillstand ja irgendwie überwinden muss. Die Narren haben die Zeichen der Zeit freilich erkannt, wie der Blick in ihren Themenkatalog zeigt.

Rottweil. Es gibt am diesem Fasnetmontagmorgen einen besonderen Impuls mit auf den Weg. Betriebsseelsorger Paul Schobel, inzwischen 80 Jahre alt, erinnert sich an und erzählt seinem Radio-Auditorium von seiner Rottweiler Vergangenheit. In den Mittelpunkt seiner Betrachtung rückt die "Briekere", jene Narrenfigur mit der "weinenden" Larve, die zeige, dass Freud’ und Leid nahe bei einander liegen. Sie sei dabei keine Spaßverderberin. Wer Schmerz, Trauer und Tod nicht verdränge, könne lachen und feiern. Schobel erwähnt auch die Träne, nicht die von Lene aus dem Narrenmarsch, sondern jene, die hinter mancher Larve hinunter rinnt.

Natürlich gibt es auch die "Lene"-Typen, die in den vergangenen Tagen sicher manche Träne schlucken – "weil sie in d’Fasnetszeit so ganz vernarret" sind. Woher man das weiß? Aus Otto Wolfs Text zum Narrenmarsch. Wer ihn nicht draufhat, bekommt in diesem Jahr von zwei kleinen Gschell mit glockengleich Sopran übrigens nicht nur Gesangsunterricht, der eigenen, jämmerlichen Singsang freilich nicht auf Anhieb in Wohlklang aufzulösen vermag, sondern auch ein Textbüchlein zum Üben bis zur nächsten Fasnet.

War bisher ja auch nichts sonst zu tun. Selten sind sich die Narren mit der Obrigkeit, sei es der städtischen oder der närrischen, so einig wie in diesem Jahr. Würde es "Zeit der Stille" nicht schon lange geben, man müsste ihn glatt in Rottweil drehen. Nichts ist hier los, nicht geschieht, Nichts ist Programm. Nicht einmal mehr ordentlich Unrat gibt es – außer zu Abfuhr-Verspätungsterminen und am Schmotzigen. Sowas macht ratlos. Bestes Zeichen ist eine durchaus nette Pointe, die Oberbürgermeister Ralf Broß beim Empfang für die Partnerstädte setzt. Er lädt zum Glühweinempfang nach dem Narrensprung am Montag in den Bürgersaal ein und erklärt, man sei am Überlegen, ob man statt des Glühweins nicht besser Eis am Stiel anbieten solle. Wäre ’ne Option gewesen. Oder wenigstens lauwarmes Alkoholfrei.

Es gibt allerdings Narren, die haben sich die Zukunft aufs Panier geschrieben – so lange sie zumutbar ist. Wie jene Fransenkleidle und Schantle, die bar jeder Unvernunft wunderbare Lösungen für die Konzeption einer besonderen Fasnetsbar finden. Andere wollen die große Öffentlichkeit teilhaben lassen. Eine Volksbefragung soll über die Programmatik der Zukunft der Leerstände entscheiden. Die Erhebungsbasis ist riesig: Das ganze Rottweiler Fasnetspublikum darf mitstimmen. Wenn das keine herrliche Zukunft wird. Bereits ab 2024 sollen weitere Visionen der inhaltlichen Leere Einhalt gebieten. Und 2049 ist es endgültig an der Zeit, dem "Ewig" in "Ewiger Bund" wieder zu seinem Recht zu verhelfen: Zum 550. Jubiläum soll all das nachgeholt werden, was vergangenes Jahr etwas kurz kam. Oder zu leise. Und dann geht es mit Karacho hinein in die Schweiz als neuer kleiner großer Kanton. Das dazu nötige bisschen "Roxit" wird bis dahin wohl zu schaffen sein.

Und wenn nicht? Wenn die Lichter vorher nicht mehr angehen? Dafür haben Narren im Münster gelernt. Damit das Licht wenigstens der Fasnet weiter brennt, geben sie den Zivilnarren vorsichtshalber Ersatz mit in die vier kalten Jahreszeiten. Wer gut haushaltet, sollte damit ewig hinkommen! Und sollte dann doch eine gewisse Leere Raum greifen, gilt es, die Chance zu nutzen: "Carpe Diem" heißt in der Kurztakt-Aktionismus-Ära nicht mehr "Party, los!", sondern eröffnet den Luxus, sich "Zeit für nix" zu gönnen. Das zuzulassen muss man erst wieder lernen – und wird erkennen, dass Rottweil ein Paradies sein kann.