Ihre Gastfamilie hat Dajana (Zweite von links) sofort ins Herz geschlossen. Aus ihrer serbischen Heimat hat die Gastschülerin (von links) Anke, Rahel, Kilian und Stephan Wohlgemuth zahlreiche Geschenke mitgebracht. Foto: Bienger

Die 17-jährige Dajana Vidovic aus Serbien ist Gastschülerin in Rottweil. Für die Wohlgemuths eine kulturelle Bereicherung.

Rottweil - Was haben Feldsalat und kohlensäurehaltiges Mineralwasser gemeinsam? Für die 17-jährige Dajana Vidovic sehr viel – denn mit beidem konnte die Gastschülerin aus Serbien zunächst nicht viel anfangen.

Das erste, was Dajana Vidovic in jenem Land kennenlernen darf, in dem sie ein Jahr lang leben soll, ist eine typisch deutsche Tugend: "Mit der Pünktlichkeit ist man hier viel strenger als bei uns", sagt die 17-Jährige lachend. In ihrem Heimatland Serbien, wo Dajana herkommt, sei man da entspannter.

Inzwischen dürfte sich die Schülerin aber an so einiges hier gewöhnt haben. Zum Beispiel daran, dass es gar nicht so einfach ist, in der Schule Freundschaften zu knüpfen, weil viele Jugendliche denken, für ein Jahr lohne sich der Aufwand nicht. Oder daran, dass Schule hier immer zu einem festen Stundenplan stattfindet und nicht wie in ihrer Heimatstadt Novi Sad schichtweise: eine Woche vor- und eine Woche nachmittags. Doch vor allem eine ganz banale Sache genießt die 17-Jährige in Deutschland: das morgendliche Frühstücksritual mit ihrer Gastfamilie.

Diese hat die Jugendliche sichtlich ins Herz geschlossen. Seit fünf Monaten lebt die Serbin als Gastschülerin bei Familie Wohlgemuth in einem Rottweiler Altbau. Die Wohlgemuths, das sind: Mutter Anke (39) Vater Stephan (48) und die Kinder Rahel (14) und Kilian (zwölf). Im vergangenen Jahr hatte die Familie über eine internationale Organisation, die Austauschschüler vermittelt, bereits eine Gastschülerin aus Finnland bei sich aufgenommen.

"Wir hatten so viel Spaß an der Aktion, dass wir das auch dieses Jahr wieder mitmachen wollten", sagt Anke Wohlgemuth. Über eine andere Organisation, AFS Interkulturelle Begegnungen, lernte die Familie Dajana kennen. Man sieht: Die Chemie zwischen der Schülerin und ihren Gasteltern stimmt einfach. "Der Austausch versteht sich nicht als touristischer Aufenthalt", macht Stephan Wohlgemuth deutlich. Es geht darum, eine fremde Kultur kennenzulernen, auch muss der Gastschüler während seines Aufenthalts ganz normal die Schule besuchen. Und natürlich geht’s auch um das Lernen einer Fremdsprache: "Als Dajana zu uns kam, hatte sie einen Koffer voller Geschenke dabei – und sprach kein Wort Deutsch", erzählt Anke Wohlgemuth.

Die Familie unternimmt mit Dajana einige Reisen

Dafür kannte sie Baden-Württemberg wie ihre Westentasche, denn Dajana musste hart arbeiten, um die beiden Stipendien des Landes Baden-Württemberg und ihrer Heimat Serbien zu ergattern, die ihr den Aufenthalt in Deutschland ermöglichen. Das hieß: pauken, pauken, pauken, ganze drei Monate lang. Am Ende beeindruckte sie den Prüfer, weil sie im Gegensatz zu ihm sogar wusste, wo Offenburg und Rottweil liegen.

Ihre Gastfamilie versucht, Dajana so viel wie möglich von Deutschland zu zeigen. "Wir reisen gerne mit dem Wohnwagen umher und waren zum Beispiel an der Nordsee", sagt Anke Wohlgemuth. Auch große deutsche Städte wie Berlin und Freiburg hat die Familie besucht – doch auch die unmittelbare Umgebung kam nicht zu kurz. Schließlich gehören etwa die Vogtsbauernhöfe und die Gegend rund um Lauterbach, wo die Wohlgemuths mit Dajana wandern waren, einfach zum Schwarzwald dazu. Überhaupt: Die Landschaft in Deutschland hat es der 17-Jährigen besonders angetan: "Ich finde die Wälder hier toll", sagt sie. "Und im Vergleich zu meiner Heimat ist es sogar in einer Großstadt wie Berlin grün."

Dajanas Aufenthalt betrachten die Wohlgemuths als eine kulturelle Bereicherung, vor allem, was das Essen und die Bräuche angeht. Seit Dajana in Rottweil ist, wird regelmäßig serbisch gekocht. Dann gibt’s zum Beispiel Pljeskavica, Fladenbrot mit Cevapcici und Joghurtsoße, oder Baklava, ein süßes Blätterteiggebäck. Umgekehrt mag Dajana sehr gerne Feldsalat, den sie vorher nicht kannte: "Anfangs sagte sie immer: ›Wir essen jetzt Gras‹", sagt Anke Wohlgemuth und lacht. Und das mit Kohlensäure versetzte Mineralwasser trank die Schülerin anfangs überhaupt nicht gerne; mittlerweile ist es umgekehrt. Nur an eines habe sie sich noch nicht gewöhnt: "Ich mag die deutschen Karotten nicht", sagt sie. "Bei uns in Serbien schmecken die einfach viel besser."

Weihnachten wird doppelt gefeiert

Was die Bräuche angeht, erlebten die Wohlgemuths an Weihnachten einen richtigen Kulturschock. Dajana verbrachte das erste Mal überhaupt Weihnachten in der Fremde. Doch anpassen mussten sich beide Seiten: "Dajana selbst ist katholisch, ihre Mutter orthodox", erklärt Anke Wohlgemuth. Das bedeutet: Weihnachten und Neujahr wird quasi zweimal gefeiert, nämlich zusätzlich am 7. und 14. Januar. Weil das in Deutschland aufgrund der hiesigen Feiertage nur begrenzt möglich ist, gab’s eben ein großes "Weihnachtsfrühstück" am 7. Januar.

Von einem derartigen kulturellen Austausch profitiert die ganze Familie: "Unsere Kinder lernen Toleranz", sagt Anke Wohlgemuth. Das sehe man vor allem im Vergleich zum vergangenen Jahr, als die Finnin zu Gast war. "Sie mussten das erst begreifen, dass jetzt jemand mit einer anderen Kultur bei uns lebt und sich nicht ohne Weiteres anpasst." Kilian fügt hinzu: "Es gibt immer Höhen und Tiefen, aber Streit hatten wir noch nie."

Ob das mit der anderen Kultur auch umgekehrt klappt, wird sich vielleicht noch in diesem Jahr herausstellen, denn Dajana kehrt im September zurück in ihre Heimat. Und ihre Familie hat die Wohlgemuths zu sich nach Serbien eingeladen. "Wir werden sie auf jeden Fall besuchen", verspricht Stephan Wohlgemuth. Immerhin: Die serbische Begrüßung kennen sie bereits – zwei Küsschen auf die Wange plus Umarmung – und dürften deshalb im Gegensatz zu Dajanas deutschen Schulkameraden am Anfang weniger irritiert sein.