Fast ein halbes Jahrhundert ist Fritz Klotz Schornsteinfeger

Von Bodo Schnekenburger

Sulz/Vöhringen. "Ich würde meinen Beruf sofort noch einmal erlernen, weil es immer noch mein Traumberuf ist", bekennt Fritz Klotz. Schön, wenn jemand das sagen kann, der nach 49-jähriger Tätigkeit in Ruhestand geht.

Ab morgen Abend lautet Klotz’ offizielle Bezeichnung "Bezirksschornsteinfegermeister i. R.". Mit Erreichen der Altersgrenze von 62 Jahren ist Schluss. Und, Traumberuf hin oder her, dass er diesen Winter zum ersten Mal seit fast einem halben Jahrhundert nicht mit klammen Klamotten in der Kälte auf den Dächern herumturnen muss, das empfindet der Vöhringer als angenehm. Dabei ist es gerade das Draußensein, das ihm immer besonders gefallen hat: "Man ist immer wieder über den Dingen. Da gibt es eine gewisse Freiheit, die man in der Fabrik oder im Büro nicht hat", sagt er und fügt an: "Wenn ich auf einem Dach stehe, fühle ich mich wohl." Da mag man auch verstehen, dass er auf eine Entwicklung, die der Beruf durchläuft, gerne verzichtet hätte. Bürokratie und Verwaltungsaufgaben haben immer mehr zugenommen. "Der Bürokram überrollt uns voll", meint Klotz.

Dass er den Menschen aufs Dach steigen musste, geschah in den letzten Jahren dafür auch immer häufiger. Gerade in Neubaugebieten, in denen die Gebäude bis unter den First ausgebaut sind, ist Dacharbeit gefragt. Das ist gewissermaßen auch der Bogenschlag zum Beginn der Schornsteinfegerkarriere von Fritz Klotz. Dass er einmal die schwarze Tracht tragen würde, war ihm bereits zu Kinderzeiten klar. "Mit acht Jahren habe ich meine Mutter vollgeheult, ich möchte Kaminfeger werden", erinnert er sich. Sechs Jahre später begann er die Ausbildung. Die führte den gebürtigen Marbacher nach Heilbronn. Es seien harte, aber lehrreiche Jahre gewesen. 1972 legte er die Meisterprüfung ab, dann begann die Wartezeit auf einen Bezirk.

Am 1. November 1987 war es so weit. Klotz wanderte quasi wieder neckaraufwärts, weit über seine alte Heimat hinaus nach Sulz. Das Regierungspräsidium hatte ihn für den "Kehrbezirk Rottweil Nr. 4" vorgesehen, ein ländlicher Bezirk, der von Wittershausen das Mühlbachtal hinunter bis Fischingen reicht. In Zahlen: Ungefähr 2500 Häuser mit rund 5000 Schornsteinen oblagen seiner Sorge. Der Bezirk verändere sich durch An- und Abmeldungen dabei täglich. Und nicht jeder Kunde zeigt sich einsichtig, wenn es darum geht, den richtigen Brennstoff zu verwenden oder erforderliche Bauteile zu installieren. Um so schöner ist es, wenn man den Menschen sagen kann: "Es ist alles in Ordnung, die Feuerstätten sind sicher, die Schornsteine sind sicher, Sie können mit Wonne ›a warme Stub‹ machen." Einer der bewegendsten Momente liegt übrigens noch gar nicht so lange zurück. Im vergangenen Jahr sei er an einem Haus vorbeigekommen, das "aus allen Fenstern geraucht" habe. Also Leiter gepackt, eingestiegen – und wahrscheinlich ein Menschenleben gerettet. Nicht nur in diesem Fall war der Schornsteinfeger ein echter Glücksbringer. Dass sein Stand traditionell mit Glück verbunden wird, freut Klotz, und so hat er auch gar nichts dagegen, wenn man bei Feiern eingeladen wird, eine Hand zu schütteln oder einen Knopf zu drehen. "Wir machen das gerne."

Dass ausgerechnet er an seinem letzten Tag im Dienst sogar von einem Fernsehteam begleitet wird, das eine Sendung über die letzten Arbeitstage eines Schornsteinfegers, eines Taxifahrers und eines Kapitäns macht, freut Klotz besonders. Und dass er jetzt mehr Zeit hat, einmal besonders gut essen zu gehen – oder dorthin zu fahren, wo es ihm besonders gut schmeckt, stört ihn jedenfalls auch nicht.