In den 1970er-Jahren hat man für die Siedlung "Auf der Brücke" verpasst, die ursprüngliche Struktur zu erhalten. Foto: Nädele

Genehmigung für Neubauvorhaben in der Scheffelstraße trifft bei Anwohnern auf Unverständnis.

Rottweil - In der Siedlung herrscht dicke Luft. Ein Neubauvorhaben treibt Anwohner "Auf der Brücke" um. Und auch die Diskussionen im Gemeinderat vertreiben die dunklen Wolken nicht.

Schon in der Sitzung des Umwelt-, Bau- und Verkehrsausschusses sorgten die Planung von Architekt und Bauherr für Gesprächsbedarf. Zu groß sei das Gebäude, zudem die Firstrichtung im Vergleich zu den benachbarten Gebäuden in der Scheffelstraße um 90 Grad gedreht. Der Ausschuss – zumindest eine knappe Mehrheit – sah da zunächst nochmals die Stadtverwaltung gefordert, vertagte die Entscheidung in den Gemeinderat und hoffte auf ein Einlenken des Bauherrn.

Doch eine Woche später hatte sich weder an den Plänen noch an den Positionen der Parteien etwas geändert. Der Bauherr beharre auf die Firstrichtung, berichtete Sachbearbeiter Marcus Kempka. Er wiederholte nicht nur seine Feststellungen aus der Ausschusssitzung, dass mangels Bebauungsplan ein Rechtsanspruch bestehe, das Wohnhaus wie geplant zu bauen, sondern hatte für die Mitglieder des Gremiums überdies einen Streifzug mit der Kamera durch die Siedlung gemacht.

Seine Bemühungen zeigten am Ende Wirkung – zwar nicht bei den anwesenden Bewohnern der Scheffelstraße und der angrenzenden Straßen, aber doch bei den Mitgliedern des Gemeinderats. Aus der knappen Mehrheit, die sich im Ausschuss noch gegen das Bauvorhaben ausgesprochen hatte oder zumindest unschlüssig war und deshalb die Vertagung wollte, wurden im Gemeinderat 14 Ja-Stimmen. Fünf Stadträte enthielten sich. Vier lehnten es mit Verweis auf Grund- und Geschossfläche, Dachneigung, Stockwerkzahl und Ausrichtung ab. Max Burgers (FFRundPRoFi) Exkurs über die Siedlung, die im Architekturmuseum der TU Berlin zu finden sei, bleibt Historie.

Etwa einen Ensembleschutz für die Siedlung zu beschließen, blickte Hermann Breucha (FWV) auf den Wandel in den zurückliegenden Jahrzehnten, habe man in den 1970er-Jahren verpasst. Und auch Adelbert Hugger (CDU) hatte nach den Ausführungen von Kempka und Fachbereichsleiter Lothar Huber keine Zweifel mehr, dass "die ursprüngliche Struktur nur noch im Süden erhalten" sei. Wie für seinen Fraktionskollegen Günter Posselt stand für ihn außer Frage, dass eine Ablehnung des Bauvorhabens die Stadt zwangsläufig in einen Gerichtsprozess treiben würde, der nur zu verlieren wäre. "Das Recht ist doch auch bindend für uns", mahnte Walter Stegmann (FWV), nicht "mit dem Kopf gegen die Wand zu laufen", sondern Toleranz zu zeigen und den Bau zu ertragen.

Dass die Planung für das Wohnhaus nicht unbedingt den Geschmack der Mehrzahl der Stadträte trifft und sich im Gremium ähnlich viele Zweifler finden, die sich für die Scheffelstraße Passenderes wünschen würden, wurde in der Diskussion deutlich. Karl-Heinz Weiss (FWV) machten auch keinen Hehl aus seiner Enttäuschung, dass der Bauherr das Angebot für ein anderes Grundstück ausgeschlagen hat. Vom Plädoyer für den vielzitierten Baulückenschluss bis zur Ablehnung, weil der Bau durch seine Firstrichtung zum Fremdkörper werde, reichte die Bandbreite der Meinungen. Marianne Wucher (FFRundPRoFi) sah durch den Bau in der Siedlung "Auf der Brücke" gar das Tor für gesichtslose Architektur aufgestoßen. Jedoch schon Kempka, gleich zu Beginn der Beratung, hatte klargestellt: "Es sind zulässige aber keine begründeten Einwände", insofern gebe es also keinen Verstoß gegen Bestimmungen.

Das Ergebnis der Abstimmung besprachen die Anlieger direkt im Anschluss vor dem Ratssaal. Ihre Sorge um "ihre" Wohngegend, die sich auch in den Aktivitäten der Siedlergemeinschaft widerspiegelt, sind seither nicht ausgeräumt. Einer von ihnen, der frühere SPD-Stadtrat Heinz Vogt, hatte in der Sitzung Gelegenheit bekommen, das Wort zu ergreifen. Von einem "massiven Einschnitt ins Gesamtkonzept der Anlage" hatte er gesprochen, von einer Störung und Zerstörung der geliebten Umgebung.