Zwei Rössle-Generationen unter einem Dach: Papa Gunther (Gunne) Wilde und Sohn Simon Foto: Alt

Gunther Wilde und Sohn Simon sehen Rössle-Besitzer in der Pflicht. Beobachtung: Ansehen der Figur schwindet.

Rottweil - Gunther (Gunne) Wilde hat 38 Jahre lang "Rössle g’narrt". Sein Sohn Simon ist in dieser Fasnet das achte Jahr dabei. Mit uns haben Vater und Sohn darüber gesprochen, was es mit den Rottweiler Rössle auf sich hat und warum dieser besondere Narrentyp nahezu an jeder Fasnet für Gesprächsstoff sorgt.

Die Kritik eines anonymen Briefschreibers am Verhalten der Rössle wird unter den "Rössle-Mannen" rege diskutiert – auch bei den Wildes. Aber sind die Unterschiede zwischen dem Benehmen der Rösslebesatzungen früher und heute wirklich so groß? Gunne erinnert sich an seine Anfänge als Treiber.

Mit 16 Jahren hatte er bei einer Verlosung der Altstädter Narrenzuft 1974 das richtige Los gezogen und durfte in den "Otto Wolf", den alten Altstädter Gaul. Ein Glücksfall, denn als Jugendlicher ohne Bezug zu einer der Rössle-Familien wie den Langs, den Baumanns oder den Langenfelds standen früher wie heute die Chancen schlecht, jemals an einem Fasnetsmontag oder -dienstag in einem Rössle "d’Stadt nab" zu dürfen. Dass sein Sohn es geschafft hat, in eine solche Rösslebesatzung zu kommen, freut den Papa.

Für beide, Vater und Sohn, sei immer klar gewesen, dass man sich beim Rösslenarren an gewisse Spielregeln halten muss. Mädchen in den Sprung zu ziehen, sich im Gaul auf die Straße zu legen oder mit einem garstigen Griff an die Innenseite des Oberschenkels zu kneifen (Rösslegriff) – seien Unflätigkeiten, die immer wieder vorkommen aber grundsätzlich unter den "Rösslemannen" nicht gerne gesehen sind.

Wer, wie Simon, schon als kleiner Bub hinter den letzten Rössle im Narrensprung herlief und ab Dreikönig seine Freizeit beim Klepfen auf der Straße verbrachte, dem braucht man nicht zu erklären, was ein Rössle darf und was nicht. "Das Rössle ist genauso ein Narr wie alle anderen. Da gehört das Aufsagen und ein gewisses Benehmen dazu. Eine lange Nase machen oder auf der Straße rumliegen, sind Dinge, die ein Rössle nicht machen sollte", sagt Simon. Das gelte für jene mit wie ohne Plakette, die sogenannten "schwarzen Rössle", die am Narrensprung nicht teilnehmen dürfen. Natürlich gehörten ein wenig Schabernack und das Necken der Zuschauer dazu, aber eben in Grenzen.

Kritik gab’s schon immer

Das Benehmen der Rössle habe allerdings auch schon früher Anlass zur Kritik gegeben: Bereits in den 1990ern habe die Narrenzunft ab und an die Rösslebesatzungen im Visier gehabt, weil vereinzelt immer wieder über die Stränge geschlagen worden sei. So habe die Narrenzunft nach einem Eklat sogar gedroht, das Zimmerner Rössle zu sperren. Ein Treiber hatte aus Übermut einem Narrenzunftmitglied am Straßenrand die Wadelkappe vom Kopf geschlagen. Der damalige Rösslebesitzer Helmut Mager musste intervenieren. "Es ging aber alles gut aus", erinnert sich Gunne. "Die Rössle sorgen aber jedes Jahr für Gesprächsstoff."

Außer bei den zugelassenen Zunft-Rössle aus der Altstadt und Bühlingen obliege es ohnehin dem Rösslevater oder der Rösslemutter, sprich dem Besitzer, der Besatzung bei einem Fehlverhalten die Leviten zu lesen. Rösslevater Rudolf Baumann sei beispielsweise zu Lebzeiten bei jedem Neuling im Rössle hinter den Zuschauerreihen mitgelaufen. "Und spätestens im 'Becher' wusste man dann, ob man es recht g’macht hat", erzählt Simon. Schon deshalb hält er nichts von Ideen wie einem Rössle-Führerschein oder einem Rössle-Brevier der Narrenzunft, wie von einigen angeregt. "Die Rösslebesitzer sollten ihr Team in die Pflicht nehmen", meint auch Gunne.

Das Spiel mit dem Publikum sei es, dass die Rössle manches Mal dazu antreibe, aus dem Rahmen zu fallen. Wenn die Zuschauer beim treffsicheren Schlag auf die Feder johlen, oder weil zwei Treiber fast sportlich ihren Doppelschlag präsentieren, meint sich mancher auf der großen Bühne wiederzufinden. Den traditionelle Fuhrmannsschlag hingegen, gebe es kaum noch.

Was die beiden aber auch wahrnehmen: Das Ansehen der Rössle schwindet. "Sind wir früher in ein Lokal gekommen, haben die Leut’ freudig Platz gemacht. Heute hört man Dinge wie: 'Schon wieder ein Rössle'". Die Omnipräsenz "schwarzer Rössle", deren Zahl in den vergangenen Jahren stark zugenommen habe, "verwässert das Ganze", sagt Gunne. Während die von der Narrenzunft zugelassenen neun Rössle nach dem Narrensprung in Narrenhäusern oder -stuben eine Verschnaufpause einlegen, schlägt die Stunde der "schwarzen Gäuler". "Sie suchen das Publikum und machen eine Show. Dabei kann der Zuschauer meist nicht unterscheiden, ob es sich um ein zugelassenes Rössle handelt oder nicht. Das wissen halt wir Rottweiler", sagt Gunther. Man dürfe aber auch nicht den Fehler machen und alle "schwarzen Rössle" über einen Kamm scheren, betont Simon. "Es gibt auch unter ihnen einige, die die alte Tradion pflegen und sich ihr verpflichtet fühlen."

Gänsehaut pur

Viel wichtiger, als die Diskussion um Doppelschlag und Rösslegriff finden Vater und Sohn, dass die Rösslebesatzungen ein gutes Team bilden und mit Herzblut bei der Sache sind. Für Simon ist mit dem Rösslenarren – wie 1974 für Papa Gunther – ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Und jedes Jahr fiebern er und seine "Rösslemannen" dem Fasnetsmontag entgegen. "Wenn wir uns um halb acht gemeinsam umziehen, ist das Gänsehaut pur. In der Nacht davor schläft man unruhig und ist aufgeregt. Es pfitzelt. Das hält bei mir auch noch während der Tagwacht am Fasnetsmontagmorgen an." Geht’s dann durchs Schwarze Tor ist die Aufregung vergessen, wenngleich in diesem Jahr den Rössle wahrscheinlich eine besondere Aufmerksamkeit zuteil wird.