In der Nacht zum 21. November 2012 wurde die Kassiererin einer Spielhalle in Dornstetten-Aach überfallen. Zu der Tat erfolgte am Dienstag bei der Großen Strafkammer des Landgerichts Rottweil eine umfangreiche Beweisaufnahme. Foto: Schnekenburger

23-Jähriger will nach Tat im November 2012 in Dornstetten-Aach Kurve kriegen und von Drogensucht wegkommen.

Rottweil/Dornstetten-Aach - Seine Drogensucht sorgte bei einem mittlerweile 23-Jährigen für dauernde Geldnot. In der Nacht zum 21. November 2012 – einem Mittwoch – überfiel er deswegen eine Kassiererin in einer Spielhalle in Aach. Am Dienstag – bei der Verhandlung vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Rottweil – beeindruckte der aus der Haft Vorgeführte mit seiner Reumütigkeit und seinen Vorsätzen, von den massiven Drogenproblemen wegzukommen.

 

Der junge Mann, der mit zehn Jahren mit Eltern und Bruder von Russland nach Deutschland kam, fand nach dem Hauptschulabschluss und einer Lehre und mehreren beruflichen Stationen eine Firma, bei der man seinen Fleiß und sein Können sehr zu schätzen wusste. Entsprechend positiv fiel auch das Zeugnis nach der fristlosen Kündigung Ende November 2012 nach Bekanntwerden seiner Inhaftierung aus. Noch erfreulicher trotz der im Augenblick bedrückenden Situation: Sein früherer Meister würde ihn sofort wieder gerne als Mitarbeiter sehen. Davor stehen aber mindestens eine Haftstrafe (Staatsanwaltschaft und Verteidiger zeigten sich bei ihren Plädoyers über eine Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten einig) und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

Drogensucht kostet monatlich bis zu 1000 Euro

Doch der Reihe nach: Mit 15 Jahren habe er zusammen mit Bekannten Marihuana konsumiert. Mit der Zeit wurde der Drogenkonsum immer intensiver, durch Dealer in Freudenstadt sei die Versorgung mit verschiedensten Mitteln kein Problem gewesen. Dies führte dazu, dass der junge Mann meinte, zur Bewältigung des täglichen Lebens große Dosen zu benötigten. Zunächst wurden Tabletten eingenommen, dann wurde – um die Wirkung zu erhöhen – gespritzt.

Die Finanzierung dieser Drogensucht ließ sich der Angeklagte nach eigenen Aussagen monatlich 800 bis 1000 kosten. Die Finanzierung wollte er auch mit Glückssträhnen in Spielhallen sicherstellen. Am Dienstag, 20. November, hatte sich der Angeklagte offenbar hinsichtlich der Geldbeschaffung besonders viel vorgenommen, wollte der begeisterte Motorradfahrer doch zwei Tage später mit einer kostspieligen MPU-Beratung den ersten Schritt zur Wiederbeschaffung seines wegen verschiedener Verkehrsdelikte eingezogenen Führerscheins machen. Doch am Automat in Aach waren rasch mehr als 100 Euro verspielt. Nach Verlassen der Räumlichkeit war deshalb schnell der Vorsatz gefasst, einen Überfall zu wagen. Beim zufälligen Blick in die Spielhallen-Kasse war dem Angeklagten bereits aufgefallen, dass diese gut mit Scheinen gefüllt war.

In einem "Bunker", einem Unterschlupf für eingeweihte Kreise weiter weg von der Ortschaft, bastelte er sich eine Maskerade. Kurz nach Mitternacht kam er dann zurück und klopfte an der Tür der inzwischen geschlossenen Spielothek. Die Kassiererin öffnete und wurde dann von dem mit einem Küchenmesser bewaffneten "schwarzen Mann" genötigt, die Kasse zu öffnen. Scheine wurden zusammengerafft. Gut 1900 Euro waren die Beute. Zwei noch anwesende Gäste registrierten wie im Film auf den kaum mehr als eine halbe Minute dauernden Auftritt. Nach seiner Flucht kam es wegen der beim Überfall getragenen Jacke des Täters zum entscheidenden Hinweis. Nach anfänglichem Leugnen räumte der Angeklagte wenige Tage nach der Tat das Geschehen auch ein.

Vor Gericht zeigte sich am Montag ein sehr reumütiger Mensch, der sich schonungslos zu seinen Taten zu bekennen scheint. In Briefen, die sein Anwalt den vom Überfall Betroffenen persönlich überreichte, bat er die Geschädigten um Verzeihung für "diesen Schandfleck in meinem Leben. Diese Tat bedauere ich zutiefst". Der Kassiererin, die keine Schadensersatzansprüche gestellt hatte und sich von dem Ereignis auch nicht beeinträchtigt fühlte, wie sie vor Gericht sagte, wurde von der Beklagtenseite zudem ein Kuvert mit 300 Euro überreicht. Gewissermaßen als Schmerzensgeld, das auch Symbolcharakter haben soll. Dem Geschäftsführer der Spielhalle wurden auf gleiche Weise 320 Euro übergeben, was den Differenzbetrag zwischen der noch aufgefundenen Beute und dem bis dahin vom Täter ausgegebenen Geld ausmacht.

Gesten, die durchaus beeindrucken können, gerade auch wenn das Gericht bei der Urteilsfindung Paragrafen zu interpretieren hat. Nachdem der Vorsitzende Richter angesichts des gezeichneten Gesamtbilds andeutete, einen minderschweren Fall des schweren Raubs in Erwägung ziehen zu können, nahm die Staatsanwältin diesen Ball auf, und der Verteidiger ließ ebenfalls wissen, dass er sich dieser Sichtweise gerne anschließe.

Dass im für heute erwarteten Urteil auch explizit der Aufenthalt in einer Entziehungsanstalt gefordert werden wird, steht außer Frage. Überaus deutlich sind die Aussagen eines psychologischen Gutachters, der nach wiederholten Sitzungen mit dem Angeklagten deutlich macht, dass die "an sich günstige Sozialprognose" nur eintreten kann, wenn eine zwölf bis 18 Monate dauernde Suchttherapie erfolgreich absolviert wird. Sonst drohe eine lebenslange Abhängigkeit von Opiaten. Dieser Weg erfordere viel Willenskraft, habe der Angeklagte über einen längeren Zeitraum doch gemeint, seine Leistungskraft nur durch die Einnahme von Drogen erhalten zu können.

"Ich will für meine Zukunft alles tun und mein Leben drogenfrei führen", sagte der Angeklagte in seinem Schlusswort. Nach der Aussiedlung musste er mit 14 die Scheidung der Eltern verkraften. Im Arbeitsleben habe er durch sein kompetentes Schaffen hohe Anerkennung erfahren, sagt sein früherer Meister. Von dessen großem Drogenkonsum habe er keine Ahnung gehabt.