An manchen Stellen im Rottweiler Neckartal, wie hier hinter der "Villa Viva" beim Kraftwerk, sind die Gesteinsschichten deutlich zu erkennen. Foto: Schickle

Geograf hält Untergrund am geplanten Standort für ungeeignet: "Viel schlimmer geht's nimmer." Wird Projekt zu teuer?

 Rottweil - Die einen hüllen sich in Schweigen, die anderen veröffentlichen ihre Erkenntnisse nur zu gern: Der Geograf Jürgen Kühn hat den Untergrund am Standort des geplanten Aufzug-Testturms analysiert. Er hält ihn für ungeeignet. ThyssenKrupp schweigt noch.

Unter Punkt 33, auf Seite sieben seiner neunseitigen "Faktensammlung zum geologischen Untergrund des geplanten ThyssenKrupp-Turms im Neckartal in Rottweil", schreibt Jürgen Kühn zum Baugrund: "viel schlimmer geht’s nimmer!" Der Boden rund um Rottweil sei bald überall besser geeignet als im Neckartal.

Vor wenigen Wochen erst hatte der promovierte Geowissenschaftler Kühn Fotomontagen vom Aufzug-Testturm und der Stadtsilhouette erstellt. Genauso akribisch hat er sich nun an die Analyse des Untergrunds gemacht. Anhand einer geologischen Karte erstellte er dafür ein Querprofil durchs Neckartal. In seiner Grafik hat er Gesteinsschichten eingezeichnet, wie sie dort zu erwarten sind.

Während Kühn seine Erkenntnisse ganz und gar nicht für sich behalten möchte, hüllt sich ThyssenKrupp Elevator (TKE) weiter bedeckt. Die Ergebnisse der Bohrung sollen in den nächsten beiden Tagen veröffentlicht werden, sagte eine Unternehmenssprecherin gestern auf Nachfrage unserer Zeitung. Derzeit würden die Ergebnisse von Experten finalisiert, erklärte sie. Die Untersuchung der Bohrproben dauere seine Zeit, "weil wir sehr vorsichtig und in die Tiefe planen müssen".

Über das Ergebnis und mögliche Konsequenzen will die Sprecherin nicht spekulieren. "Das muss man im Gesamtzusammenhang sehen." Deshalb seien an der Prüfung der Bohrproben nicht nur Geologen, sondern auch andere Experten wie Statiker beteiligt.

Bereits bekannt ist, dass die Bohrungen in 18 Meter Tiefe führten, und dass man bereits ab etwa acht Metern auf mittleren Muschelkalk stieß. Dieser wiederum besteht aus mehreren Schichten: zuerst Dolomit, dann Anhydrit und Steinsalz, wie Kühn in seiner Grafik aufzeigt. Er rechnet damit, dass dann wieder Anhydrit, Dolomit und gegebenenfalls Gips folgen. Die Krux: Kommt Anhydrit mit Wasser in Verbindung, quellt er auf, wird zu Gips und der wiederum ist wasserlöslich, genau wie Steinsalz (wir berichteten).

Folgende Schlussfolgerungen zieht Jürgen Kühn: Spätestens 15 Meter unter dem Turmfundament beginne der Anhydrit, wahrscheinlich sei sogar, ihn bereits zwischen zwei bis zehn Meter unterhalb des Fundaments zu finden. "Das wär ein Riesenproblem."

Es gehe nicht nur darum, etwaige Hohlräume zu füllen, sondern auch das Aufquellen der Schichten zu verhindern, erläutert Jürgen Kühn. Was sonst passiert, ist in Staufen zu sehen. Dort drang nach Bohrungen Grundwasser in quellfähiges Material ein. Seither hebt sich die Erde unter der Stadt. Drei Experten an seinen früheren Universitäten habe er den Fall geschildert, berichtet Kühn: "Das, was ich mir eh schon gedacht hatte, hab ich dreimal bestätigt bekommen."

Um sicher zu wissen, wie der Untergrund aussieht, müsse man tief bohren, meint er: Als Faustregel gelte mindestens doppelt so tief wie das Fundament, besser dreimal so tief. Und im Neckartal am besten so tief, "bis man wieder auf festen Grund im unteren Muschelkalk kommt". Das könnte frühestens 75 Meter unter dem Turmfundament der Fall sein.

Warum also ist TKE bisher nur 18 Meter tief vorgedrungen? Das wundert Jürgen Kühn nicht nur ein bisschen. Er fragt sich, ob damit überhaupt die rechtlichen Vorgaben erfüllt worden sind. Zumal nur eine sehr tiefe Bohrung Gewissheit über die Beschaffenheit des Bodens bringen kann. Die allerdings "ist sehr, sehr teuer".

Auch ein Fundament bei eher ungeeignetem Untergrund wird teuer. Deshalb werde der Turmbau am geplanten Standort "unter anderem ganz gewaltig eine Geldfrage werden", meint Jürgen Kühn. Angesichts dessen fragt sich der frühere Stadtarchivar Winfried Hecht: "Was ist es TKE an dieser Stelle wert?" Bisher rechnet das Unternehmen mit 40 Millionen Euro.