Einige Jäger in Dietingen müssen den Mantel an den Nagel hängen, sie haben keine Pacht mehr erhalten. Foto: Schmidt

Alt-Jäger ausgebootet und werfen Bürgermeister Schummeleien vor. Adlatus wehrt sich.

Dietingen - Der Aufschrei der Dietinger Jäger ist unüberhörbar. Sieben Dietinger Jäger wurden abgelehnt, dafür fünf auswärtige Jäger für Dietinger Jagdbögen zugelassen. Der Bürgermeister steht am Pranger.

Auf dem Boden liegt ein Fell, im Kamin knistert das Holz. Nacheinander treffen die Jäger ein. Gemeinsam wollen sie sich wehren, sich nicht gefallen lassen, was aus ihrer Sicht einer zu verantworten hat: Bürgermeister Frank Scholz. Der Gemeinderat (im Zusammenhang mit dem Jagdvorstand), der die Vergabe der Jagdbögen nichtöffentlich getroffen hat, enttäusche sie nur zweitrangig.

Situation scheint aussichtslos

Die Verwaltung habe den Räten Informationen falsch wiedergegeben. Jagen sei eine Passion, der sie alle beraubt wurden. Die Worte werden deftiger. Eine Chance, ihren Jagdbogen wieder zu bekommen, sehen sie nicht. Aber sie fühlen sich nicht machtlos.

Unter ihnen befindet sich Alois Frommer, der seit 44 Jahren im Jagdbogen Dietingen Süd-Ost jagt. Er weiß, dass er endgültig verloren hat. Zu lange hat er gegen den Schultes prozessiert. Aber seine Tochter, die sich auch um einen Jagdbogen beworben hatte und scheiterte, könne doch nichts dafür, sagt er fast verzweifelt. Sie habe sich loyal gegenüber dem Schultes verhalten, meint er.

Ein anderer am Tisch versteht die Welt nicht mehr. Stefan Seimel pflegt für den Ort das Wildschweingehege. Scholz sei für ihn "der König" gewesen. Immer habe er hinter ihm gestanden, ihn geschützt. Das kann auch Frommer bestätigten, der es begrüßt, dass Seimel die "wahre Seite von Scholz kennenlernen musste". Vor einem Jahr habe er sich hinter Scholz gestellt, als das Wildschweingehege öffentlich unter Beschuss stand. "Warum nur?", fragt er sich. War alles gelogen, wurde er ausgenutzt und nun werde er nicht mehr gebraucht? Die offenen Fragen schlauchen Seimel.

Neben ihm sitzt Angelika Blankenhorn. Sie selbst jagt nicht, aber ihr Mann Kurt Blankenhorn – seit 44 Jahren im Jagdbogen Dietingen. Seine Aufgabe erfüllt er vorbildlich. Die Höhe des Verbissschadens in seinem Jagdbogen sei gleich null. Seine erneute Bewerbung wurde dennoch zurückgewiesen.

Mit am Tisch sitzt er nicht. Sein gesundheitlicher Zustand habe sich mit der Absage enorm verschlechtert, erzählt seine Frau bedrückt. Unvorbereitet kam die Absage nicht: Sein Alter, nennt sie als Grund und weil auch Blankenhorn prozessiert habe. Nicht nur gegen die Gemeinde, sondern auch gegen einen Landwirt.

Uwe Blankenhorn, der Neffe, tat weder das eine noch das andere. Und wurde dennoch nicht berücksichtigt. "Ich war für Scholz auch nicht bequem", erklärte er und schilderte weit ausholend die Auseinandersetzungen. Die Jäger nehmen kein Blatt vor den Mund. Berichten von Machtspielen, von Intrigen, von privaten Kriegen. "Wenn er dich nicht leiden kann, hast Du in dieser Gemeinde verloren."

Fiel die Entscheidung im stillen Kämmerlein?

Ein anderer in der Runde kennt Scholz nur vom Hörensagen. Thomas Rottler ist Rottweiler und hatte sich für den Jagdbogen Rotenzimmern gemeinsam mit seinem Freund Stefan Seimel beworben. Auf der Bewerber-Liste erschien er nie. Seine Bewerbung sei ignoriert worden, erzählt er. Was den erfahrenen Jäger überraschte, war, dass er sich als Rottweiler überhaupt in Dietingen bewerben konnte. Ihm sei keine Gemeinde bekannt, die auswärtige Jäger zuließen, solange Einheimische Interesse zeigten. Das bestätigen die anderen Jäger.

Auch in Dietingen habe seit dem Jahr 1993 ein Beschluss vorgelegen, dass nur einheimische Jäger einen Dietinger Bogen übernehmen könnten. Nun wurden aber sieben Einheimische abgelehnt, während fünf Auswärtige zugelassen worden seien. Wann hatte das Gremium entschieden, dass auch Auswärtige im Dietinger Jagdbogen willkommen sind?, fragen sie in die Runde. Oder fiel die Entscheidung im stillen Rathauskämmerlein? Ein Blick auf die Liste der Zusagen zeigt, dass der Dietinger Wald auch zukünftig überwiegend von Dietingern bejagt wird. Die Auswärtigen, die mitjagen werden, kommen aus Rottweil, Epfendorf und Oberndorf. Unter ihnen eine Jägerin, die keine Bewerbung abgegeben habe, sagen die abgelehnten Jäger, weil sie auf der Anmeldeliste nicht zu finden sei.

Und zwei Jäger seien zugelassen worden, die keine Pachtfähigkeit vorweisen könnten. Das stehe nicht im Einklang mit der vom Bürgermeister in einer der jüngsten Gemeinderatssitzungen geforderten Qualitätsanforderungen an die neuen Pächter, sagen sie. Für sie umso erschütternder, da einer der beiden sogar für zwei Dietinger Jagdbögen eine Zulassung erreichen konnte, während sie als erfahrene Jäger leer ausgegangen seien.

Ihr stärkstes Argument für den Alleingang des Schultes gegen seine vermeintlichen Widersacher sehen die Jäger im Protokoll der Jagdgenossenschaft. Die Jagdgenossenschaft gebe ihre nichtöffentlich getroffene Empfehlung an den Gemeinderat weiter, erklären die Jäger. Doch kam der Beschluss tatsächlich im Rat an? Daran zweifeln die Jäger. Aus den Aussagen einzelner Mitglieder der Jagdgenossenschaft könne entnommen werden, dass die Empfehlung der Jagdgenossenschaftsgesellschaft nicht in allen Punkten an den Gemeinderat weitergereicht worden sei.

So sei etwa Uwe Blankenhorn von der Jagdgenossenschaft nicht abgelehnt worden. Vier Zeugen aus der Jagdgenossenschaft hätten darüber hinaus bestätigt, dass sich die Jagdgesellschaft einig gewesen sei und sich "mehrmals dafür ausgesprochen" habe, dass Aline Frommer "in jedem Fall einen Jagdbogen bekommen muss". Bei einer Unterredung von Alois Frommer mit Hauptamtsleiter Matthias Barth habe Barth die Absage von Aline Frommer mit deren "fehlender jagdlichen Qualität" begründet. Ihrer Bewerbung wiederum sei zu entnehmen, dass Aline Frommer seit dem Jahr 2014 jagt und im Besitz eines Begehungsscheins war. Was für Jagdausübung, Erfahrung und Qualität spreche, so Frommer.

Empörung reicht in die Jagdgenossenschaft

Klaus Häsler, Gemeinderat und stellvertretender Vorsitzender der einzigen Fraktion im Rat, sagt zu den Vorwürfen der Jäger, dass der Gemeinderat entsprechend der Sitzungsvorlage, die von der Verwaltung vorgelegt worden sei, abgestimmt habe. Die Verwaltung habe den Räten verdeutlicht, dass die Empfehlung der Verwaltung die Beschlüsse der Jagdgenossenschaft widerspiegele. "Aufgrund der vorliegenden Dokumente, den Ausführungen des Bürgermeisters und der Beratung im Gremium gab es aus meiner Sicht keinen Grund, den Vorschlägen der Verwaltung und den Beschlüssen des Jagdgenossenschaft nicht zu folgen."

Uwe Blankenhorns Bemühungen, Einsicht in das jagdgenossenschaftliche Protokoll zu erlangen, schlugen bislang fehl. In einer Antwort schreibt der Hauptamtsleiter: "Nach einem Zwischenstand des Landratsamtes ist noch keine abschließende Rückmeldung zur Protokolleinsicht möglich." Die Empörung über die Vorgänge reicht bis in die Jagdgenossenschaft. Trotz nichtöffentlicher Sitzung schweigen nicht alle.

Bürgermeister Scholz habe die Versammlung mit den Worten eröffnet: "Vier bekommen nichts und alle, die jetzt rausfliegen, erhalten auch keinen Begehungsschein." Dann habe er die Betroffenen aufgezählt: Alois Frommer, Alfred Winter, Stefan Seimel und Kurt Blankenhorn. Gegen diese vier entschied sich auch die Jagdgenossenschaft, gestand der Zeuge ein. Es sollte Ruhe einkehren.

Gegen Aline Frommer habe sich aber keiner ausgesprochen. Im Gegenteil, es sei ausdrücklich vorgeschlagen worden, ihr einen Jagdbogen zuzusprechen. Und in der Versammlung sei betont worden: "Alles, was wir entscheiden, ist bindend." Was im Gemeinderat danach im Namen der Jagdgenossenschaft vorgetragen worden sei, sei daher "verlogen".

Darauf angesprochen, versucht Matthias Barth zu widersprechen. Über Aline Frommer sei auf der Jagdgenossenschafts-Versammlung gar nicht gesprochen worden, sagt er. Schon Tage vor den Jägern wendet sich der Hauptamtsleiter an unsere Zeitung. Er vermutet da bereits, dass die Jagdverpachtung "Wellen schlagen werde", erklärt er seinen frühzeitigen Schritt. In seinen Schreiben bezieht er sich auf das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz, nachdem die Jagdgenossenschaft frei entscheiden könne, wer Jagdpächter werden könne.

Es gebe beispielsweise keine Kriterien, "wonach der Pächter beispielsweise in der Gemeinde wohnen muss". Des Weiteren sagt er, dass es fortan nur noch neun und nicht zehn Jagdbögen in Dietingen gebe und dass sich einige Pachtwächter gemeinsam beworben hätten. So würden jetzt teilweise jüngere mit erfahrenen Jagdpächtern jagen. "Das ist natürlich der Idealfall." Schließlich habe die Jagdpacht eine neunjährige Laufzeit. Aber jeder Pächter werde durch "Begehungsscheininhaber" unterstützt. Soll heißen, wer jagen möchte, könne dies auch in Zukunft tun. Es sei nur erforderlich, dass die Leute miteinander redeten.

Abschließend sagt er: "Wir hatten viele sehr gute Bewerbungen. Da konnten nicht alle zum Zug kommen. Möglicherweise haben die Erfahrungen der vergangenen neun Jahre die Entscheidung beeinflusst."