Schicksal: Frank Weniger spricht über seine schwere Erkrankung und die Glücksmomente im Leben

Von Armin Schulz

Für viele ist der Jahreswechsel die Zeit, die vergangenen zwölf Monate Revue passieren zu lassen und sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Für einen hat der Jahreswechsel diese Symbolkraft verloren. Frank Weniger lebt im Hier und Jetzt. Das hat einen triftigen Grund.

Rottweil. Das Schicksal nimmt keine Rücksicht. Bezeichnenderweise erfährt Frank Weniger während der närrischen Tage 2015, dass er schwer erkrankt sei. "Es war ein Schock", sagt er. Es trifft gerade ihn, der stets darauf bedacht ist, dass er sein Leben zu einhundert Prozent im Griff hat. Nun muss er sein Leben in andere Hände, in die von Ärzten, legen.

Die Krankheit zu akzeptieren und dennoch ins normale Leben zurückzufinden, das ist ein Teil von Wenigers Strategie. Der andere: Die Belastung soweit zurückzufahren, um beste äußere Bedingungen zu schaffen, die Erkrankung in den Griff zu bekommen. An der Normalität will er unbedingt festhalten: Das zeigt sich daran, dass sich Frank Weniger am Fasnetsdienstag den Rottweiler Narrensprung ansieht, so wie er es vor der Diagnose vorhatte zu tun.

Die Krankheit trifft Weniger wie einen Schlag. Er steht mitten im Leben, ist Vorsitzender und damit Motor des Lebenshilfe-Ortsvereins in Rottweil. Als Chef der Lebenshilfe im Kreis Rottweil organisierte er mehrere Benefiz-Veranstaltungen in der Stadthalle. Das ist jedes Mal ein Aufwand, es lohnt sich jedes Mal. Die Gala ist immer ausverkauft, Veranstalter, Teilnehmer und Besucher sind begeistert.

Die Krankheit ändert alles schlagartig. Sie kostet ihn viel Kraft

Vor zwei Jahren wagt Weniger einen beruflichen Neuanfang. Der gelernte Pädagoge übernimmt die Leitung der Wellendinger Neuwiesschule. Weniger kümmert sich fortan um 150 Kinder der Grundschule. Es ist sein Ding. Die Schule gefällt ihm, vom Konzept der offenen Ganztagesbetreuung ist er überzeugt, von der Innovationsfreude des Lehrerinnenkollegiums begeistert. Weniger steckt voller Ideen, Tatendrang, Energie.

Die Krankheit ändert das alles schlagartig. Sie kostet ihn fortan die ganze Kraft. Nach einer schweren Operation und weiteren Behandlungsschritten tritt Weniger kürzer. Er muss es, er will es aber auch. Die Ärzte raten ihm dringend dazu. Im Juli gibt er den Vorsitz des Lebenshilfe-Ortsvereins ab. Ein halbes Jahr später sagt er seinen Schülern im Gottesdienst vor Weihnachten Lebewohl. Er werde im neuen Jahr nicht mehr ihr Schulleiter sein. Der Abschied fällt allen schwer.

Die Krankheit führt bei dem Erkrankten zu einem Perspektiven-Wechsel. Bislang waren die Tage, Wochen und Monate getaktet, geplant, strukturiert. In Gedanken ist Weniger wie viele andere, die in Beruf, Familie oder Vereinen Verantwortung übernehmen, der Zeit immer ein Stück voraus. Das Augenmerk liegt in der Zukunft, nicht in der Gegenwart. Der Blick schweift in die Ferne. Das Naheliegende, der Alltag, wird als selbstverständlich wahrgenommen.

Sein Motto lautet: "Von dem, was man mag, weniger zu wollen.

Das hat sich geändert. Nun sind es die kleinen Dinge, die ihn erfreuen. An das erste Glas Bier nach der OP erinnert er sich. "Es war schön, dass es wieder zurück ins Leben ging". Er freut sich über das Aufwachen morgens, den Start in einen neuen Tag. Er genießt das Frühstück, die Zeitungslektüre, das Leben.

Sein Motto lautet: "Von dem, was man mag, weniger zu wollen." Dadurch würden die Erlebnisse intensiver erlebbar. Nach dem Gespräch in der Redaktion werde er sich mit seiner Frau treffen, sagt er. Sie wollen spazieren, einen Kaffee trinken gehen, Einkäufe erledigen. Was man eben so macht.

Frank Weniger lebt im Hier und Jetzt, die Zeit hat für ihn nicht mehr die Bedeutung wie früher. Sie gibt ihm nicht mehr den Takt vor. Ihm sind die kleinen Momente, die kleinen Begebenheiten, das Banale und Alltägliche wichtig. Er will eben so normal wie möglich leben. Und wenn möglich, die Krankheit besiegen. Was sonst im neuen Jahr eventuell alles passiert, ist ihm vorerst egal.