Das Aufsagen ist eigentlich fester Bestandteil des Narrensprungs. Zum Bedauern der Narrenzunft gehört es allerdings nicht mehr für alle Kleidlesträger dazu. Foto: Schnekenburger

Um Zahl der Teilnehmer zu begrenzen, fordern viele, dass Narrenkleider Einheimischen vorbehalten bleiben.

Rottweil - Die Wogen schlagen hoch: Nach der Zugwegänderung beim Narrensprung ist die Diskussion voll entfacht, ob die Zahl der teilnehmenden Kleidlesträger nicht begrenzt werden sollte.3980 Narren – das ist ein Wort. So viele hatten voriges Jahr am Narrensprung am Montagmorgen teilgenommen. Die Folge war Gedränge in den Gassen und ein Sprung, der sich erheblich in die Länge zieht. Also hat die Narrenzunft gehandelt und die Route am Dienstagmittag verändert.

Dafür hagelt es nun Kritik: Viele finden, dass damit das Übel nicht an der Wurzel gepackt wurde. Im Internet äußern sie ihren Unmut. Die Folge sind hitzige Diskussionen – und die Forderung, Nicht-Rottweiler vom Sprung auszuschließen.

Nutzer "Schuttigbiss" beispielsweise fragt sich, ob man nicht die Rottweiler Fasnet auf Rottweiler Akteure beschränken sollte. Ein anderer will wissen, warum es überhaupt jeden zum Narren nach Rottweil zieht, statt dass er dies in seinem Heimatort tut. Ein ein Dritter fürchtet gar das Ende der Fasnet in der Stadt, weil sie dermaßen überlaufen ist.

Dass sich aus der Änderung der Sprungführung eine derart scharfe Diskussion ergeben hat, hat die Narrenzunft überrascht, berichtet Narrenmeister Christoph Bechtold.

Allerdings ist die erneute Begrenzung der Kleidle kein Thema. Sie hatte einst dazu geführt, dass die Preise für ein von der Zunft zugelassenes Narrenkleid mit Plakette "in astronomische und nicht mehr realistische Höhe gestiegen ist", erklärt Bechtold. Die Zahl der Narren sei dennoch gestiegen. Dabei sah es vor 60 Jahren noch ganz anders aus: Karl Lambrecht, Ehrenmitglied der Zunft, erinnert sich noch gut daran, dass der Narrensprung einst bereits nach anderthalb Stunden beendet war. Heute gehe der letzte Kleidlesträger erst um 10 Uhr aus dem Schwarzen Tor. "Das ist verrückt", findet er.

Dennoch hält auch Lambrecht eine Begrenzung der Narrenzahl nicht für den richtigen Weg. Mehr als über die Quantität macht er sich sowieso Sorgen um die Qualität des Rottweiler Narrensprungs.

Er bedauert, das trotz der großen Zahl an Narren die wenigsten noch aufsagen können. Erzwingen allerdings lässt sich dies nicht: Die Kleidlesträger müssten hineinwachsen, und Freude daran haben, meint das Fasnets-Urgestein.

An dieser Baustelle ist die Zunft allerdings tätig. Kindergärten und Schulen hat sie mit Infomaterial versorgt, berichtet Christoph Bechtold. Inhalt: Wie sieht ein Narr aus, und wie benimmt er sich. Außerdem gibt sie Aufsagekurse für Jugendliche und bringt dem Nachwuchs im Zunfthaus die Fasnet näher.

Winfried Hecht, ehemaliger Stadtarchivar und ebenfalls Ehrenmitglied der Zunft, wird das gefallen. Denn er sieht die Sache ähnlich wie sein Kollege Lambrecht: "Ich fände es besser, wenn die Kommentatoren ein gutes Narrenbuch malen würden, dann hätten wir qualitativ was davon", meint er zu den Diskussionen im Netz. Ihm sind also auswärtige Narren, die das Narren ernst nehmen lieber als Rottweiler Kleidlesträger, die gleich nach dem Narrensprung das Weite suchen.

Manchen stören selbst Ehemalige

Zu den auswärtigen Narren zählen viele auch ehemalige Rottweiler, die es zum Narrensprung in die Heimat zieht. Auch diese sind so manchem ein Dorn im Auge.

Karl Lambrecht allerdings kann das gut nachvollziehen. Als Beispiel nennt er seine Söhne, die längst woanders leben. "Sie kommen zum Narren hierher", erzählt er. "Muss ich denen das verbieten?" Schließlich sei die Fasnet ein Verbindungsstück – "da treffen sich alte Freunde, Familien kommen zusammen."

"Verstehen können wir beide Seiten", meint Bechtold. "Aber die Rottweiler Fasnet ist ein Gefühl, das man hat oder auch nicht." Wichtig seien die Narren, die mit Herzblut und Engagement dabei sind.

Also versucht die Zunft, einem Gerangel mit der Sprungverlegung vorzubauen, statt mit einer Begrenzung. Ob Erstere die Lösung des Disputs bringt? Zumindest Winfried Hecht ist skeptisch: "Ich kann mir gut vorstellen, dass die unendliche Diskussion weitergeht."

Beim Narrensprung wird es eng in Rottweils Straßen und Gassen. Deshalb hat die Narrenzunft erneut die Sprungführung geändert. Die richtige Maßnahme – oder sollte sie lieber dafür sorgen, dass nur Rottweiler narren?

Kommentar

Klar, die Sache ist heikel, und dennoch: Die Zahl der Narren, die hier an den Narrensprüngen teilnehmen, gehört reglementiert. Qualität hat ihren Preis. In diesem Sinn müssen uns Traditionen auch was wert sein. Und das heißt: Weniger ist mehr. Sicher ist das hübsch politisch korrekt, wenn man die Fasnet für Gschell, Biß und Federahannes aus aller Herren Länder frei gibt. Rottweil gibt sich gern weltoffen, ist tolerant. Das mag alles sein, aber an den Tagen der Fasnet gelten andere Gesetze.

Wohin soll das Ganze denn führen? Etwa dahin, dass immer noch mehr Narren sich am Fasnetsmontag und -dienstag durch die Gassen quetschen, dass die Narrensprünge ausufern? Dass man als Narr und Zuschauer eine halbe Ewigkeit ausharrt, bis alles vorbei ist? Dass die Zunft weitere Änderungen an den Sprüngen vornimmt, um es ja allen Recht zu machen?

Nein, derartige Massenveranstaltungen brauchen wir hier nicht. Tradition verpflichtet: Die Fasnet gehört den Rottweilern, denen, die hier wohnen und leben. Gegen das Zuschauen indes ist nichts einzuwenden, da sind auch Nicht-Rottweiler willkommen.

Zur Person: Armin Schulz ist Leiter der Lokalredaktion Rottweil.

So richtig will das nicht zu einer "glückseligen Fasnet" passen, was in den Internetdiskussionen auf den Tisch kommt. Manche Kommentare klingen einfach nur hochnäsig. Entweder, man ist Rottweiler von Geburt, oder man hat eben Pech gehabt und unter den Kleidlesträgern nichts verloren. Selbst Nachbargemeinden werden zum Ausland.

Mit der Realität hat das allerdings nicht mehr viel zu tun: Wer lebt denn heutzutage noch sein Leben lang in seinem Heimatort? Und was ist bitte falsch daran, wenn man sich – auch als "Auswärtiger" – in Rottweil zu Hause fühlt. Manche so sehr, dass sie sich mit hiesigen Bräuchen wie der Fasnet so identifizieren, dass sie ein Teil davon werden und deshalb auch in ein Narrenkleid schlüpfen möchten.

Eigentlich kann der Narrenzunft doch nichts Besserers passieren, als dass sogar Nicht-Rottweiler ihre Bräuche pflegen. Davon einmal abgesehen: Sind gebürtige Rottweiler denn plötzlich keine Rottweiler mehr, nur weil sie wegziehen? Fasnet verbindet. Darüber sollte man sich freuen, statt die Wurzeln und Verbindungen zu kappen.

Zur Person: Verena Schickle ist stellvertretende Leiterin der Lokalredaktion Rottweil.