Julia Schneider. Foto: Schneider

Julia Schneider: 20-Jährige ist im Dressurviereck Rottweils bester Exportschlager.

Wellendingen/Rottweil - Es gibt viele tiefgründige Sprüche über die besondere Beziehung zwischen Pferd und Reiter. So wie den hier: "Ein Pferd ohne Reiter ist ein Pferd, aber ein Reiter ohne Pferd ist nur ein Mensch." Julia Schneider war in den vergangenen Monaten Letzteres. Rockingham, das Pferd der Ausnahmereiterin aus Wellendingen, verletzte sich bei einem Turnier am Vorderbein. Zwar platzte damit der große Traum vom Dressurviereck in der Hans-Martin-Schleyer-Halle, die Beziehung zu ihrem Pferd aber hat an Tiefe gewonnen, wie die 20-Jährige im Gespräch erzählt. In diesem Jahr will das Duo an die bisherigen Erfolge anknüpfen.

Das Reiten liegt der jungen Frau im Blut. Seit ihrem dritten Lebensjahr ist der Pferderücken so etwas wie ihr zweites Zuhause. "Ich bin ein richtiges Landei", sagt Schneider und lacht. "Ich bin sehr familienbezogen. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, wegzugehen." Das gelte für ihren Heimatort Wellendingen genauso wie für Rottweil, dessen Ambiente sie sehr schätze.

Die Schneiders sind eine Reiterfamilie wie aus dem Bilderbuch. Das ist in erster Linie der Verdienst des Großvaters, der auf dem Familien-Anwesen in Wellendingen Springpferde züchtet. "Zum Springreiten fehlt mir der Mut. Mir liegt die Dressur", erzählt die Reiterin, weshalb sie familiär gesehen ein wenig aus dem Rahmen fällt. Aus der anfänglichen Liebe wird mit der Zeit eine regelrechte Passion, und der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Bereits in jungen Jahren steht Schneider bei den Amateuren auf etlichen Siegertreppchen, gewinnt 2014 beim Nürnberger Burg-Pokal mit "Dolce-Far Niente" den ersten Preis. Doch erst auf dem Rücken des Württembergers Rockingham startet Julia so richtig durch.

2018 war ihr bis dato erfolgreichstes Jahr. Im Kader der baden-württembergischen Dressur-Mannschaft qualifizierte sie sich für die deutsche Meisterschaft, gewann beim international besetzen Reitturnier in Donaueschingen und hatte darüber hinaus beim I-West-Cup einen Lauf. Dessen Finale wird in der Hans-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart ausgetragen. "Der Traum eines jeden Reiters", schwärmt Schneider. Doch der Traum zerplatzte wie eine Seifenblase.

Rockingham verletzt sich bei einem Turnier im Dressurviereck. Er lahmt. "Ich habe gleich gemerkt, dass etwas nichts stimmt. Hätte der Richter nicht abgeklingelt, ich hätte trotzdem aufgegeben", erinnert sie sich an diesen schmerzlichen Augenblick.

Der Wallach braucht eine längere Auszeit. Für Rockinghams Wohl steckt Julia zurück. So macht man das, wenn man ein Team ist – eine "Einheit", wie die Reiterin betont. "Ob man zusammenpasst oder nicht, das merkt man, wenn man sich in die Augen schaut", erklärt die Reiterin. Bei Rockingham sei es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Schnell seien sie zusammengewachsen. "Ich habe ihn im November bekommen, und im März gewannen wir das erste Turnier." Damals war "Rocky" sechs. Heute ist er doppelt so alt. Dennoch ist sich Schneider sicher, dass sie noch viele gemeinsame Jahre vor sich haben. Da sei auch der Traum von der Schleyer-Halle so schnell noch nicht ausgeträumt.

Manchmal ist eben Geduld gefragt. Das gilt im Leben, wie bei der Reiterei. 2017 sei so ein Jahr gewesen: 18 Mal musste sich das Duo bei Turnieren mit einem zweiten Platz zufrieden geben. In der S-Dressur – der Königsklasse – kommt es auf Feinheiten an. Die Hilfen, die für den Laien außerhalb des Dressurvierecks ohnehin nicht wahrnehmbar sind, entgehen den strengen Augen der Turnierrichter nicht. Ebenso die kleinen Patzer bei der Präsentation der Kür. Oft kommt es auf Nuancen an. Pirouette, Gangwechsel und Seitengänge – hinter dem, was so tänzerisch, leicht daherkommt, steckt ein intensives Training, das sich nicht immer auszahlt.

In der Turnier-Saison 2018 feiert das Duo dann seinen bislang größten Erfolg: den Sieg beim CHI Donaueschingen, dem S. D.-Fürst-Joachim-zu-Fürstenberg-Gedächtnisturnier. Das Turnier ist international besetzt. Dort tummelt sich Jahr für Jahr das "Who is Who" der Reiterelite. Das Turnier wird auch in diesem Jahr nach der Zwangspause ein Pflichttermin sein, bei dem Schneider mit Rockingham an den Erfolg des vergangenen Jahres anknüpfen möchte. Der Turnierplan jedenfalls steht: I-West-Qualifikation, baden-württembergische Meisterschaft und natürlich das Donaueschinger Turnier. "Und, wenn’s klappt, die Schleyer-Halle", sagt Schneider lachend.

Passend zum Start der Turniersaison ist Rockinghams Verletzung ausgeheilt. Und zwar so gut, dass er und Julia beim Turnier in Schopfheim vor wenigen Wochen den zweiten S-Sieg und einen weiteren zweiten Platz mit nach Hause nehmen. Eine Woche später, in Moosbeuren, schafft das Team den dritten S-Sieg und vor wenigen Tagen beim Turnier im heimischen Rottweil Platz drei. "Ich bin megaglücklich, dass es Rockingham nach dieser langen Verletzungspause so gut geht und wir an unsere Erfolge anknüpfen können", betont Schneider. Die Erleichterung ist ihr anzumerken, und der Traum von der Schleyer-Halle könnte doch noch Wirklichkeit werden.

Trotz ihres Erfolgs – ihren Lebensunterhalt mit dem Reiten verdienen, das will Julia Schneider nicht. Das Geschäft sei hart, erklärt sie. Für Reiter und Pferd. Dann darf man nicht mehr, dann muss man. Das sei der Unterschied. Und überhaupt bräuchten die Pferde auch Zeit außerhalb des Dressurvierecks. "Du merkst es ihnen einfach an, dass sie ihre Freiheit brauchen. Sie müssen auf der Weide rumbuckeln können und auch einfach nur Pferd sein dürfen", betont Schneider. Und vielleicht ist diese Art, diese Mischung aus sportlichem Ehrgeiz und tiefem Verständnis für den vierbeinigen Sportpartner Julias Erfolgsgeheimnis. Wie’s in diesem Jahr weiter geht? Man darf gespannt sein.

Sie sind jung und weit über die Region hinaus erfolgreich, und doch bekennen sie sich zu ihren Wurzeln. In unserer Serie stellen wir "Junge Wilde" vor, befragen sie zu ihrem Erfolg und wollen erfahren, was sie an ihre Heimat bindet. Wer noch jemanden weiß, der in die Serie passen könnte, der kann sich mit einer Mail unter redaktionrottweil@schwarzwaelder-bote.de melden.