Das restaurierte Kapfkreuz findet nach langer Odyssee neben der Kirche in Neufra ein neues Zuhause. Foto: Schmidt Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Öffentliche Einweihung steht aus

Das Kapfkreuz ist zum vierten Mal auferstanden: Corona-bedingt leise. Die Geschichten, die um das Kreuz ranken, sollen bei Führungen erzählt werden.

Rottweil-Neufra. Franz Pill und Karl Ulmschneider begleiteten das Kreuz bis zuletzt. Auch Statiker Erwin Sauter und ein paar Zaungäste beobachten das Aufstellen des Kreuzes, ebenso wie Ortsvorsteher Willy Schaumann, der den Mitarbeitern des städtischen Betriebshofs tatkräftig zur Seite stand. Aber die festliche Einweihung ist corona-bedingt verschoben.

Der Platz neben der Kirche, den der Ortschaftsrat für das Kreuz gefunden hatte, ist nicht der ursprüngliche. Vielmehr habe das Kreuz bereits vier Etappen hinter sich: Das erste Mal sei es in Feckenhausen aufgestellt worden, berichtet Ulmscheider, der das Kreuz im Zuge der Dokumentation der Kleindenkmäler in Neufra wiederentdeckte und mit Franz Pill mit Leben wieder zum Leben erweckte. Bei seiner Recherche im Stadtarchiv ließen sich laut Ulmschneider über die Pfarrchronik zwei Aufstellungsorte nachweisen. Dem nach war das Kreuz von Dominikus Hugger aus Neufra, der das Kreuz geschnitzt hatte, zum Neubau der Michaelis-Kirche Feckenhausen gestiftet worden. Mangels näherer Angaben werde die Erstaufstellung auf 1874 datiert. Allerdings hätten die Verantwortlichen in Feckenhausen das Kreuz wohl nicht geschätzt und es auf die Kirchenbühne gelegt. Hugger habe es daraufhin zurückgeholt und 1888 als Bergkreuz auf dem Neufraer Kapf zum zweiten Mal aufgestellt.

Die Untersuchung von Steven Ryle, der das Kreuz zwischen 2017 und 2018 restaurierte, hat ergeben, dass es damals in hellem Blaugrau gefasst war und farbige Akzentuierungen in Ocker, Rot, Grün und Blau aufwies. Das berücksichtigte Ulmschneider nun.

Zu Dominikus Hugger habe viel in Erfahrung gebracht werden können. Der Maurermeister lebte von 1819 bis 1895 in der Zimmerergasse 18 und war der Spross einer damals "recht bedeutenden Familie in Neufra", so Ulmschneider. Der "begabte und vielseitig interessierte Mann" habe etwa die Lourdesgrotte erbaut und dazu den Kreuzweg aufgestellt. In der Pfarrchronik wird erwähnt, dass er mit 70 Jahren "alle sieben Ulmer Türme bestiegen habe und als Maurermeister die Pracht derselben nicht genug rühmen konnte".

Langer Streit

Karl Viesel, der Autor dieser Zeilen aus der Pfarrchronik, hatte offenbar große Sympathie für Hugger, sagt Ulmschneider, während eine weitere Bemerkung Viesels Rätsel aufwerfe: "möge versöhnliche Liebe vom Kreuz herab auf Neufras zerrissene und gehäßige Bürgerschaft ausstrahlen zum Segen der Gemeinde und zur Freude jeden Pfarrers". Er habe, so vermutet Ulmschneider, damit den Finger in eine Wunde im Neufra des 19. Jahrhunderts gelegt: Der lange währende Streit zwischen den landbesitzenden Bauern, die den Gemeinderat dominierten und in der Regel den Schultheiß stellten, und den Tagelöhnern. Ruhe sei erst mit dem Abgang Viesels aus Neufra eingekehrt.

Über die dritte Aufstellung gibt die Pfarrchronik keine Auskunft. Aber ein Schnitzwerk mit Jahreszahl 1909 zeige, so Ulmschneider, dass das Kreuz überarbeitet und, zum Sühnekreuz uminterpretiert, wieder aufgestellt wurde. Ein unerwarteter Hinweis sei von sehr betagten Einwohnern gekommen. Sie hätten es als Jakob-Honer-Kreuz bezeichnet. Die Recherche habe ergeben, dass der Schmied Jakob Honer (1869 – 1947) tatsächlich Bedarf für ein Sühnekreuz hatte. 1909 starb seine Frau im fünften Kindbett. Das überlebende Kind sei mit Namen Friederike in Neufra wohl bekannt als spätere Ehefrau des Bürgermeisters Johann Steimer. Als frommer Mann habe Honer für seine früh verstorbene Schwester bereits 1906 ein Steinkreuz im Starzeltal aufstellen lassen. Mithin sei als dritter Aufstellungsort für das umgestaltete Kapfkreuz Honers Wiese an der Prim anzusehen. Anzunehmen sei, dass es aufgrund starker Witterungsschäden schon vor dem Zweiten Weltkrieg entfernt und in der Neufraer Zehntscheuer gelagert worden war, wo es 1992 bei Aufräumarbeiten wieder ans Tageslicht kam.

Laut Überlieferung sei es fast zersägt und im Kachelofen verbrannt worden, wenn Josef Grimm nicht beherzt eingegriffen hätte. In der Folge gelangte das Kreuz in die Scheuer von Josef Grathwohl, bis 2016 Ulmschneider darauf aufmerksam wurde und der Ortschaftsrat dann beschloss, das Kreuz zu restaurieren. Die Materialkosten für das Kreuz beziffert Schaumann auf 6700 Euro. 2018 kam es so zurück und wurde von Ulmschneider nach den Vorgaben des Restaurators farbig gefasst.

Bart bleibt noch

Die Suche nach einem geeigneten Platz zog sich in die Länge. Doch jetzt glänzt es auf öffentlichem Grund an der Ecke Kirchstraße und Lauffener Straße. Für das Fundament sorgte Franz Pill, der das aufwendige Schutzgehäuse mit Schlitzen versah, so dass Sonnenstrahlen das Kreuz auch von hinten durchfluten. "Die Schnitzarbeit des 19. und die Stahlhülle des 21. Jahrhunderts begegnen sich auf Augenhöhe", lobt Ulmschneider das Werk. "Franz mit Dominikus, die beiden Handwerker aus Neufra, können sich damit im Dorf verewigen". Die eigenen Malarbeiten inspirierten Ulmschneider auch zur intensiven Interpretation des ungewöhnlichen Kreuzes. Zwar habe Hugger auf eine traditionelle Ausführung von Feldkreuzen verzichtet und keinen Korpus geschnitzt, aber doch ein "zutiefst christliches Kreuz" geschaffen, das das Karfreitagsereignis aus viel späterer Perspektive zeige.

Eine andere Geschichte ist die um Ulmschneiders Bart. Den wollte er sich wachsen lassen, bis das Kreuz endlich steht. Doch als nun Schaumann den Rasierer zückte, hatte Ulmschneider Gefallen daran gefunden. Bis zur Einweihung ist noch Zeit. In diesem Jahr kann sich Schaumann keine große Feier mit vielen Gästen vorstellen.