Henry Rauner im Stadtgraben, der grünen Lunge von Rottweil. Im Bereich der Treppe könnte sich der Sprecher des Bürgerforums Perspektiven ein Freilufttheater vorstellen. Foto: Schulz

Angesichts der Mega-Projekte fordert der Sprecher der Vereinigung agilere Stadtverwaltung.

Rottweil - Gefängnis, Testturm, Hängebrücke. Über diese Projekte diskutiert die Stadt. Das Bürgerforum Perspektiven Rottweil wurde von Bürgern gegründet, die nicht zulassen wollten, dass sich immer nur eine Seite Gehör verschafft. Wir sprachen mit dem Sprecher des Forums, Henry Rauner, über das Selbstverständnis und die Ziele des Forums, das sich inzwischen als Impuls- und Ideengeber in der Stadt sieht.

Was gab den Anstoß zur Gründung des Bürgerforums Perspektiven?

Wir wollten denjenigen, die gegen die Großprojekte in unserer Stadt sind, selbst etwas entgegensetzen. Anlass war der doch einseitig geführte Streit um die Ansiedlung eines neuen und modernen Gefängnisses in Rottweil. Aber wir wollten jetzt nicht einfach eine Gruppe oder Bürgerinitiative pro JVA sein. Uns war und ist wichtig, dass sich alle – Befürworter, Gegner, Unentschlossene – an einen Tisch setzen und diskutieren, also Pro- und Kontra-Argumente austauschen. Und wir wollten uns auch um die zukünftigen Perspektiven Rottweils kümmern. Das Bürgerforum bietet eine Plattform zur Diskussion. Uns geht es um die beste Lösung, nicht um das Durchsetzen einer Position.

Wer sind "wir"?

Wir, das sind Bürger, die ein hohes Interesse daran haben, wie sich ihre Heimatstadt weiterentwickelt, die sich selbst schon seit Jahren auf vielfältige Weise ehrenamtlich engagieren. Denen ist es nicht egal, wie Rottweil in zehn, 20 oder 50 Jahren dasteht, sie wollen sich einbringen und selbst mitgestalten.

Reicht der Gemeinderat dazu nicht aus?

Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass Großprojekte wie die neue Justizanstalt, wie der Testturm, wie die Hängebrücke die Menschen emotionalisiert und vor allem jene Bürger mobilisiert, die gegen diese Zukunftsprojekte sind. Der Gemeinderat gerät, wenn er sich festgelegt hat und die Projekte befürwortet, manchmal in eine schwierige Situation, indem er seine Haltung und seine Beschlüsse verteidigen muss. Die Bürgerinitiativen stehen auf der anderen Seite, und daraus bildet sich dann eine Gegnerschaft. Das ergibt eine Situation, die der Stadt insgesamt nicht gut tut.

Aber aus der Vermittlerrolle sind Sie inzwischen entwachsen. Das Bürgerforum setzt selbst Impulse. Tut sich in der Stadt zu wenig?

In der Stadt entwickelt sich im Moment einiges. Die herausragenden Projekte haben wir gerade schon genannt.

Aber es könnten mehr sein?

Ja, man müsste die jetzige Situation noch stärker nutzen. Rottweil ist voller Dynamik, steckt voller Ideen. Die Bürger, von denen ich gesprochen habe, sind voller Tatendrang. Das dürfen wir jetzt nicht verschlafen, denn die Hängebrücke kommt und damit kommen auch die Touristen. Ladenleerstände, Schmuddelecken und andere unerwünschte Eigenheiten sollten da dann keinen Platz haben.

Haben Sie eine Idee?

Das Bürgerforum hat viele Ideen. Einen Teil haben wir erst vor Kurzem auf unserem dritten Forumsgespräch im Pavillon der Konrad-Witz-Schule vorgestellt. Schon seit dem vergangenen Jahr gibt es die Arbeitsgruppe Grüngürtel. Vor gut einem Jahr haben wir einen Rundgang durch den Stadtgraben, die grüne Lunge Rottweils, gemacht. Neben etlichen Bürgern hat auch Lothar Huber, der Fachbereichsleiter Bauen und Stadtentwicklung, teilgenommen. Das war ein interessantes Treffen.

Was kam dabei heraus?

Wir haben dabei festgestellt: Der Stadtgraben ist ein Trauerspiel. Dabei verfügt Rottweil mit diesem Grünbereich über ein gewaltiges Potenzial, noch attraktiver zu werden. Zu denken wäre etwa an einen Biergarten am Pavillon, der im Sommer von den Vereinen für Veranstaltungen genutzt werden könnte, an ein Amphitheater unterhalb des Kugelbrunnens als Spielort für Vereine, wie zum Beispiel das Zimmertheater oder an einen Barfußpfad am Stadtgrabenbach entlang. Die alten Wege könnten herausgeputzt und als Premiumwanderwege vermarktet werden. Man könnte die Stadt viel attraktiver präsentieren. Das große Ziel wäre, nach Rottweil in acht bis zehn Jahren eine Landesgartenschau zu bekommen. Der Neckar könnte miteinbezogen werden. Das würde die Stadt nachhaltig zum Positiven verändern.

Was ist daraus geworden?

Herr Huber und Oberbürgermeister Ralf Broß waren von den Ideen angetan. Inzwischen soll es auch Pläne geben, die das Büro für Landschaftsarchitektur Planstatt Senner erarbeitet hat.

Wie sehen die Pläne aus?

Das Bürgerforum hat sie noch nicht zu Gesicht bekommen. Wir hatten zwar ein weiteres Treffen für Anfang Juli mit der Stadtverwaltung vereinbart, aber dazu kam es nicht. Zunächst soll die Planung den Stadträten vorgestellt werden, hieß es.

Womit wir beim Tempo wären...

Die Verwaltung hat mit den Großprojekten sehr viel am Hut. Das weiß ich schon auch. Aber natürlich wäre es mir und uns als Bürgerforum lieber, man könnte die Dinge etwas beschleunigen. Ich habe den Eindruck, die Stadtverwaltung ist auf die neue Zeit nicht richtig vorbereitet, nicht richtig aufgestellt. Vielleicht müsste die Verwaltung über ihre Struktur nachdenken, um mit den Ideen, die von außen an sie herangetragen werden, besser umgehen zu können. Manches Mal haben wir Ehrenamtliche den Eindruck, es fehlt an dem Willen, dem Bürger in dieser Stadt auf Augenhöhe zu begegnen. Dabei wäre es wichtig, dass die Bürger, die sich einbringen wollen, wahr- und ernstgenommen und damit wertgeschätzt werden. Erste Gedanken für Leitlinien zur Bürgerbeteiligung haben wir der Verwaltung bereits gegeben – mal sehen, wann sie greifen.  

Weitere Informationen: http://www.buergerforum-rottweil.de