Eine Möglichkeit, klimafreundlich zu agieren, ist, regenerative Energien einzusetzen wie beispielsweise die Windkraft und die Sonnenenergie. Foto: Rumpenhorst Foto: dpa

Klimaschützer kritisieren Pläne für EEG-Reform als Todesstoß für Bürgergenossenschaften.

Kreis Rottweil - Dunkle Wolken sieht der Rottweiler Agenda-Arbeitskreis Klimaschutz aufziehen. Und treibende Kraft scheint dabei ausgerechnet der hiesige Abgeordnete Volker Kauder zu sein. Passenderweise geht es genau um die Kraft des Windes.

Johannes Haug und Raymund Holzer, ehrenamtlich engagiert in der Lokalen Agenda 21 in Rottweil, haben zunächst ihren Augen nicht getraut, als sie den Brief sahen, den Volker Kauder seinem Kollegen in der großen Koalition, dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann, geschrieben hat. Was "ihr" Abgeordneter da für die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) anstrebe, wäre "der Todesstoß für Bürgerenergiegenossenschaften", sagt Holzer. Haug sieht zudem die im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbarten Ziele in Gefahr.

Kauder: Ausbau der Windenergie schreitet zu schnell voran

Der Windenergieausbau im Land schreite zu schnell voran und stehe deshalb weder mit den im Koalitionsvertrag vereinbarten Zielen noch mit dem Netzausbau in Einklang, hat Volker Kauder geschrieben. Er drängt deshalb unter anderem darauf, den Ausbau der Windenergie an Land zu beschränken – auf jährlich 2,5 Gigawatt, wie im EEG 2014 vereinbart. Doch das wäre viel zu wenig, kritisiert Haug und verweist auf den anerkannten Fachmann Joachim Nitsch. Dessen Berechnungen zufolge wäre jährlich ein Zubau von 3,8 Gigawatt notwendig, sollen die in Paris vereinbarten Ziele erreicht werden.

"Ist Ihnen bewusst, dass Sie mit Ihrer Forderung eklatant gegen das Pariser Klimaschutzabkommen verstoßen", fragen der Sprecher des Rottweiler Arbeitskreises Klimaschutzes, Walter Klank, und Johannes Haug deshalb in einem Schreiben an ihren Abgeordneten. Die Antwort aus Berlin wirkte ernüchternd auf die beiden Ehrenamtlichen: Kauder bleibt dabei, dass der Windkraftausbau schneller voran gehen wie im Koalitionsvertrag vereinbart, deshalb der Netzausbau nicht Schritt halten und der Gesamtkostenrahmen gesprengt werden könnte. Somit drohten Mehrkosten in der EEG-Umlage laut Kauders Schreiben an Oppermann – Mehrkosten, die also von den Endkunden zu tragen wären.

Doch Haug und Klank halten dagegen, machen selbst die Rechnung auf. Da Windenergie an Land die kostengünstigste Form der Stromerzeugung sei, senke Strom aus solchen Windkraftanlagen die EEG-Kosten sogar. Ihre Frage, wie angesichts dieser Fakten starke Kostensteigerungen entstehen sollen, bleibt von Kauder unbeantwortet. Beim Versuch, einen Gesprächstermin mit dem Politiker zu vereinbaren, erhalten sie eine Absage.

Für noch gravierender hält Raymund Holzer aber Kauders Vorstoß, im Referentenentwurf zum EEG 2016 festzuschreiben, dass künftig für alle Anlagen erneuerbarer Energien bereits ab 30 Kilowatt ein Ausschreibungsverfahren Pflicht ist. "Geht der Entwurf so durch, wäre es der Ausschluss für Bürgerenergiegenossenschaften", so Holzer, da die Kosten des Ausschreibungsverfahrens deren Budgets überschreitet würde. Und selbst wenn es bei der bislang im Entwurf vorgesehenen Bagatellgrenze von einem Megawatt bleiben sollte, ändere das daran nichts. "Neue Anlagen fangen bei drei Megawatt an", erklärt Haug, weshalb die EU-Empfehlung mit einer Grenze von sechs Megawatt mehr Sinn mache.

Antwort aus Berlin klingt für Arbeitskreis wie Hohn

"Im aktuellen Referentenentwurf zum EEG 2016 ist Ihrem Wunsch entsprechend vorgesehen, bei den künftigen Ausschreibungen die Akteursvielfalt zu wahren." Dieser Satz aus dem Antwortschreiben Kauders an den Rottweiler Arbeitskreis Klimaschutz kann für Holzer und Haug nur wie Hohn klingen. Sie erwarten genau den gegenteiligen Effekt. "Werden Ausschreibungsverfahren Pflicht, wäre die Akteursvielfalt eingeschränkt – zugunsten großer Unternehmen und großer Investoren", bekräftigt Holzer seine Argumentation. "Die Dezentralisierung der Energieversorgung mit Hilfe der Bürger wäre vom Tisch", sieht er fatale Auswirkungen für neue Bürgerenergiegenossenschaften wie auch für bestehende wie etwa die in Deißlingen. Neue Projekte rückten für sie in unerreichbare Ferne.

Haug zieht den Vergleich zur Solarenergie und skizziert eine mögliche Entwicklung. Die Photovoltaik sei mit dem Streichen der Einspeisevergütung "an die Wand gefahren" worden – "das steht jetzt mit der Windkraft auch an". Seit Ende der 1990er-Jahre setzt sich der Rottweiler Agenda-Arbeitskreis für den Klimaschutz ein und hat sich in dieser Zeit auch immer wieder für Windkraftprojekte engagiert, seit 2003 auch für ein eigenes. Dieses Vorhaben wurde vor einem Jahr an den Nagel gehängt – hauptsächlich wegen des Beschlusses im Zimmerner Gemeinderat zur zulässigen Höhe der Anlage.