Katja Gaus (von links), Ursula Häsler, Anneliese Bendigkeit, Andrea Krisp und Bianca Bendigkeit sorgen dafür, dass die Kinder im Kreis in guten Händen sind. Foto: Cools

Tagesmütter werden händeringend gesucht. Kindergärten und Krippen sind voll.

Kreis Rottweil - Die Kindergärten und Krippen sind voll, die Wartelisten lang - der Bedarf in Sachen Kinderbetreuung im Kreis Rottweil ist so groß, dass manche Mutter schon beim Tagesmütter- und Elternverein vorstellig wird, ehe das Kind überhaupt geboren ist.

234 gemeldete Tagesmütter sind aktuell im Kreis Rottweil aktiv. "Wenn man sich die Nachfrage anschaut, könnten wir dreimal so viele brauchen", sagt Anneliese Bendigkeit, Vorsitzende des Tagesmütter- und Elternvereins im Landkreis.

Seit dieser 2003 von der Schrambergerin gegründet wurde, haben schon mehr als 700 Interessierte einen ausbildenden Kurs durchlaufen. Immer wieder springen jedoch welche ab, des Verdienstes wegen, wie die 76-Jährige weiß. Anfangs habe es für Tagesmütter gerade einmal 2,20 Euro pro Stunde gegeben, erinnert sich Andrea Krisp. Die 54-jährige Sozialpädagogin aus Schramberg ist 2006 zum Verein gestoßen. Sie und Kollegin Katja Gaus (46) aus Dietingen-Rotenzimmern bilden die Tagesmütter im Kreis Rottweil aus.

160 Unterrichtseinheiten teil der Ausbildung

Damals fielen für den Ausbildungskurs noch 32 Unterrichtseinheiten an. Mittlerweile sind es 160, und es sollen noch mehr werden, wenn es nach der Landesregierung geht. Für Anneliese Bendigkeit ein Unding: "Da könnte man ja gleich ein Studium machen. Bei unseren Kursteilnehmern handelt es sich aber um Frauen, die selbst Kinder großgezogen und jede Menge Erfahrung haben."

Für die Vorsitzende ist es nichts Neues, nach Stuttgart oder Berlin zu fahren, um den Verantwortlichen dort auf die Füße zu treten und auf Missstände aufmerksam zu machen. "Früher habe ich regelmäßig dafür gekämpft, dass die Tagesmütter eine bessere Bezahlung bekommen", nennt sie ein Beispiel. Jetzt seien es immerhin 6,50 Euro. Trotzdem gebe es noch einige, die schwarz arbeiten.

Nachfrage ist sehr groß

Das Team des Tagesmütter- und Elternvereins wird um die stellvertretende Vorsitzende Ursula Häsler (76) aus Rottweil-Neufra und die Bürokraft Bianca Bendigkeit ergänzt. Der Verein ist an drei Standorten aktiv: Schramberg, Sulz und Rottweil. Interessenten aus Oberndorf - "dort steht uns nur ein kleiner Raum zur Verfügung" - werden nach Schramberg weitergeleitet. An den anderen Standorten gibt es auch einen Schulungsraum sowie in Sulz und Schramberg die Möglichkeit zur Kinderbetreuung, während die Mütter den Ausbildungskurs belegen. "Das reißt ein Loch in unsere Kasse, ist aber auch der Grund, warum die Frauen unsere Ausbildung in Anspruch nehmen", weiß Bendigkeit.

Der Qualifizierungskurs besteht aus mehreren Teilen. Der erste Teil befasst sich mit den Themen Lebensmittelhygiene und Gesundheit - Teil davon ist ein Erste-Hilfe-Kurs bei Babys und Kleinkindern. Danach dürfen die Tagesmütter erste Kinder annehmen, erklärt Andrea Krisp. Es folgen die rechtlichen und finanziellen Grundlagen, Fragen der Erziehung und der Umgang mit den Eltern. "Erst einmal gilt es, die Motivation zu klären. Dann geht man auch mal einen exemplarischen Tagesablauf durch und schaut, wie sich die Arbeit in den familiären Alltag mit den eigenen Kindern integrieren lässt", erläutert Katja Gaus.

Auch müsse man sich überlegen, ob man Tagesmutter werde, also Kinder im eigenen häuslichen Umfeld betreue, Kinderfrau in anderen Haushalten oder Betreuerin in extra dafür angemieteten Räumen, etwa in einer Firma oder bei einer Gemeinde. Zudem müssen sich die angehenden Tagesmütter darüber klar werden, welche Kinder sie betreuen wollen - die Altersspanne reicht von null bis 14 Jahre.

Aktuell sei die Nachfrage nach Tagesmüttern unwahrscheinlich groß, berichtet die Vorsitzende. Umso wichtiger ist, dass sich viele Interessierte zum Qualifizierungskurs anmelden, der in Rottweil am 17. März startet und in der Neutorstraße 1 jeweils dienstags und donnerstags vormittags stattfindet.

Firmen in Zugzwang

Anneliese Bendigkeit hat kürzlich zu einer Firma Kontakt aufgenommen, die ihr Gebäude neu baut und darin auch eine Kinderbetreuung für die Sprösslinge der Mitarbeiter integrieren will. Der Verein soll dem Unternehmen dabei beratend zur Seite stehen. "Das ist ein Projekt, auf das ich mich freue", sagt Bendigkeit. Generell seien Firmen, die ihre Fachkräfte halten wollen, zunehmend im Zugzwang, sagt Krisp.

Der Bedarf hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Die Nachfrage ist nicht nur gestiegen, sondern hat sich auch von älteren Kindern zu immer mehr Unter-Dreijährigen entwickelt. "Oft sollen die Kinder schon kurz nach der Geburt betreut werden", erzählt Krisp.

Wenn Interesse besteht, schlagen die Sozialpädagoginnen geeignete Tagesmütter vor. "Dadurch, dass wir sie alle selbst ausgebildet haben, wissen wir, wer zu wem passen könnte", meint Gaus. Am persönlichen Kennenlernen vor der Betreuung führt trotzdem kein Weg vorbei, auch wenn einige Eltern das am liebsten schnell telefonisch geregelt hätten, sagt Bendigkeit. Schließlich müsse die Chemie stimmen. "Es geht nicht um Ware, sondern um Menschen."

Vor einer Herausforderung werden die Tagesmütter hinsichtlich der variierenden Arbeitszeiten der Eltern gestellt. "Das ist nicht familienfreundlich", sagt Bendigkeit über ständig wechselnde Schichtdienstmodelle.

"Ohne den Tagesmütterverein würde alles zusammenbrechen", weiß sie ganz genau. Das liegt auch daran, dass manche Gemeinden nicht genug Plätze für die Kinderbetreuung vorhalten können. In solchen Fällen wird beim Tagesmütter- und Elternverein angefragt. Ein guter Kontakt besteht laut Vorsitzender nach Sulz, Schramberg, Rottweil und Zimmern.

Häufig geht es auch um eine Urlaubs- oder Krankheitsvertretung in Kindergärten und Schulen, "denn der Erziehermarkt ist quasi leergefegt", erzählt Krisp. Ein Konkurrent zu öffentlichen Einrichtungen ist der Verein jedoch nicht. "Wir ergänzen das Angebot."

Weitere Informationen:

Telefon: 0741/9 42 38 66

E-Mail: TMV-Rottweil@t-online.de