Der demografische Wandel macht sich auch am Steuer bemerkbar: Immer mehr ältere Menschen sind noch mobil. Foto: Körner

Aufsehenerregende Unfälle mit Senioren führen zu Diskussion. Zahl der Vorfälle mit "jungen" Fahrern geht zurück.

Rottweil - Gleich drei aufsehenerregende Unfälle mit betagten Autofahrerinnen innerhalb kurzer Zeit haben in und um Rottweil die Debatte erneut aufflammen lassen: Werden Autofahrer ab einem gewissen Alter zum Sicherheitsrisiko? Oder sind das Zufälle, die keine Rückschlüsse zulassen?

Nach der unkontrollierten Fahrt einer 84-jährigen Frau am 8. Februar durch die Rottweiler Innenstadt war das Entsetzen groß. Die Seniorin – die Polizei geht von einem medizinischen Notfall aus, die Ermittlungen laufen jedoch noch – erfasste eine Fußgängerin auf dem Zebrastreifen, demolierte etliche Autos am Straßenrand und fuhr durch einen Vorgarten. Schnell war klar: Es hätte alles noch viel schlimmer ausgehen könnten. Und dann das: Am Montag fährt eine ebenfalls 84-jährige Frau bei Neufra in eine Fußgängergruppe. Am Dienstag wiederum hat sich bei Böhringen eine 86-Jährige mit ihrem Fahrzeug überschlagen.

Die Reaktion darauf sind Kommentare wie dieser auf unserer Facebook-Seite Schwarzwälder Bote Rottweil: "Schon wieder eine ältere Person, die Fußgänger anfährt! Wann kommt endlich ein Gesetz raus, das jede Person ab einem gewissen Alter jedes Jahr ein Test machen muss – bevor er wieder ans Steuer darf? Was muss noch passieren??"

Andere befürchten, "dass ältere Personen oft auf Grund ihres Gesundheitszustand solche Unfälle bauen, weil sie einfach nicht mehr die Reflexe haben oder gar durch Medikamente eingeschränkt sind." Doch es gibt auch etliche Gegenstimmen, die daran erinnern, dass auch Jüngere Unfälle verursachen. Und die Forderung nach einem Fahrtüchtigkeits-Test für Senioren kontern manche damit, dass so ein Test wohl Fahrer jeden Alters vor Probleme stellen könnte.

Ein Blick in die Statistik

Wir gehen der Sache auf den Grund: Wie schlagen sich Unfälle mit Senioren beispielsweise in der Statistik nieder? Der Jahresverkehrsbericht des Polizeipräsidiums Tuttlingen für 2017 zeigt auf, dass die Zahl der Unfälle, die von Senioren verursacht werden, in den zurückliegenden zehn Jahren immer weiter steigt. Waren es 2008 noch 964 Unfälle, wurden 2017 schon 1085 Unfälle registriert.

Gleichzeitig ging die Zahl der Unfälle, die durch "junge Fahrer" (18 bis 24 Jahre) verursacht wurden, zurück: von 1453 im Jahr 2008 auf 1078 im Jahr 2017. Die Zahl der Geschwindigkeitsunfälle mit jungen Fahrern als Verursacher sank von 524 auf 308.

Auf die Frage nach den Gründen für diese Entwicklung erklärt die Polizeipressestelle in Tuttlingen, dass bei der steigenden Zahl der Unfälle, die von Senioren verschuldet werden, auch der demografische Wandel, sprich die steigende Zahl älterer Menschen, eine Rolle spielen dürfte. Das Referat Prävention biete im Übrigen regelmäßig Veranstaltungen für die Zielgruppe der Senioren an. Was den Rückgang der Unfälle bei den jüngeren Fahrern angehe, so sei nur zu vermuten, dass hier auch Präventionsmaßnahmen Wirkung zeigen.

Egal ob Alt oder Jung – wenn die Polizei Bedenken hat, ob jemand wirklich zum Führen von Fahrzeugen geeignet ist, wird ein Bericht an die Führerscheinstelle vorgelegt. "Dies ist völlig unabhängig davon, welches Alter der oder die Betroffene hat", wird betont. Die Entscheidung zum Fahrerlaubnisentzug liege dann bei der Führerscheinstelle. Das bestätigt auf Anfrage auch Brigitte Stein von der Pressestelle des Landratsamts. Nur bei einem negativen Gutachten, etwa nach einem Unfall, müssten Senioren ihren Führerschein abgeben. "Eine freiwillige Abgabe kommt nur in seltenen Einzelfällen vor", so Stein.

Auf Mobilität angewiesen

Der Rottweiler Fahrlehrer Siegfried Michel findet, dass Senioren ab 65 Jahren nicht generell unsicherer fahren. Die Frage, ob ab einem bestimmten Alter eine Untersuchung stattfinden sollte, beantwortet er mit "Jein". Einerseits sei es sinnvoll, etwa die Sehfähigkeit oder Reaktionsgeschwindigkeit von Senioren zu testen, andererseits fahren aus seiner Sicht auch viele junge "Zeitbomben" auf den Straßen. Defizite kompensieren ältere Fahrer seiner Einschätzung nach etwa durch ruhiges Fahren. Er weiß, dass Senioren gerade im ländlichen Raum auf die Mobilität, die ihnen ihr Auto gewährt, angewiesen sind. Mehr Angebote für Senioren fände er sinnvoll.

Sicherheit gewinnen

Der Vorsitzende des Rottweiler Seniorenrats, Johannes Jäger, betont, dass das Thema Autofahren im Alter in seinem Umfeld "sehr kontrovers" diskutiert wird. Er spricht sich für die Möglichkeit aus, eine freie Stunde bei einem Fahrlehrer zu nehmen. Er selbst werde das noch vor der Sommerpause in Angriff nehmen, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Viele ältere Menschen fürchten seiner Meinung nach so ein Zeugnis eines Fahrlehrers, weil sie das Auto brauchen, um einzukaufen oder zum Arzt zu gehen. Bei einer positiven Einschätzung könnten die älteren Autofahrer aber auch wieder mehr Sicherheit gewinnen. Rechtliche Konsequenzen habe so ein freiwilliger Test ohnehin nicht. "Sie können mit unserem Führerschein theoretisch fahren, bis sie 117 sind", so Jäger.