Unterwegs: Sven Fiedler will den Jakobsweg bis nach Santiago laufen – trotz seiner Taubblindheit

Von Tatsiana Zelenjuk

800 Kilometer, 32 Etappen – der Jakobsweg nach und in Spanien ist einer der bekanntesten Pilgerwege der Welt. Auch Sven Fiedler, taubblind, aus Rottweil hat sich vorgenommen, im Frühjahr 2017 nach Santiago de Compostela zu wandern.

Rottweil. Für Sven Fiedler ist es mehr als ein persönlicher Traum. Er will die Öffentlichkeit auf die Situation und die Schicksale der taubblinden Menschen aufmerksam machen. Sein ehrgeiziges und mutiges Projekt soll eine "stille Demonstration" sein für seine taubblinden und hörsehbehinderten Freunde in Deutschland und der Welt.

Wünsche sind dieselben – nur schwerer zu erfüllen

"Taubblindheit hält mich nicht auf", sagt der 48-jährige Fiedler, der schwerhörig geboren und infolge des Usher-Syndroms 2010 völlig erblindet ist. Er weiß: "Taubblinde Menschen haben Wünsche, Träume und Bedürfnisse – nur die Erfüllung derselben ist eine besonders große Herausforderung."

Allein in Deutschland gebe es mehr als 6000 taubblinde und stark hörsehbehinderte Menschen. Viele von ihnen würden isoliert und ohne geeignete Assistenzen leben, denn das Thema sei in der Gesellschaft und in der Politik immer noch wenig bekannt, stellt Fiedler fest. Er engagiert sich seit seiner Erblindung aktiv für die Belange der Taubblinden und will auch mit seinem Jakobsweg-Projekt Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit leisten. Bis jetzt, so hätten Fiedlers Nachforschungen ergeben, habe sich kein Taubblinder auf den Jakobsweg gewagt. Er will zeigen, dass es geht.

"Viele können einfach nicht glauben, dass ich es mir zumute, als Taubblinder nach Santiago de Compostela zu pilgern." Andere sind begeistert – Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß, der Schirmherr des Projekts, genauso wie ein Kamerateam aus Köln, das Fiedler in Spanien begleiten und einen Dokumentarfilm drehen will.

Die Vorbereitungen sind in vollem Gange: Sven Fiedler plant, organisiert, trainiert. In sechs Wochen will er den Jakobsweg gehen – mit erfahrenen Taubblindenassistenten an der Seite. Denn auf ihre Unterstützung ist Fiedler angewiesen. "Sie sind meine Augen", sagt er.

Und macht deutlich: "Für meine Assistenten ist es kein Urlaub und kein Abenteuer, sondern eben Arbeit. Und sie muss entsprechend honoriert werden." Deshalb versucht Fiedler, möglichst viele Sponsoren und Spender für sein Projekt zu begeistern. Um für den Aufwand, die Reise- und Übernachtungskosten der Begleiter aufzukommen, braucht er 35 000 Euro – das liegt am hohen Assistenzaufwand und an der Dauer der Pilgerreise. Die eigenen Kosten übernimmt Fiedler selbst. Er bleibt zuversichtlich, dass das Geld zusammenkommt und er sich wie geplant im nächsten Frühling auf den Weg macht.

"Dieses Projekt ist eine Herausforderung"

Er gibt zu: "Dieses Projekt ist eine Herausforderung." Das Wandern auf engen und steilen Wegen erfordere unglaublich viel Konzentration – von ihm und von seinen Assistenten. Auf drei Vorbereitungswanderungen – am Bodensee, im Schwarzwald und im Elsass – trainieren sie deshalb zusammen. Sie probieren Führtechniken aus, der Laufstil wird angepasst.    Zur Person: Sven Fiedler ist stellvertretender Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Taubblindheit/Hörsehbehinderung Baden- -Württemberg. Er be- treibt ein Informa- tionsportal zum Thema Taubblindheit (www.taubblinden-info.org) und hält deutschlandweit Vorträge und Seminare. Speziell für Baden-Württemberg hat er eine Plattform für die Vermittlung von Taubblindenassistenzen gegründet: www.tba-vermittlung-bw.de.

Weitere Informationen: www.tbl-jakobsweg.de