Landtags-Abgeordnete stellen Förderpraxis der Landesregierung in Frage. Vorgehen hat Methode. Mit Kommentar
Rottweil/Stuttgart - Das Zimmertheater in Rottweil ist in den Fokus der AfD im baden-württembergischen Landtag geraten. Anlass ist die Komödie "Wenn der Kahn nach links kippt, setze ich mich nach rechts". Darin setzen sich die Theatermacher kritisch-kreativ mit Rechtspopulismus auseinander.
Das Stück "Wenn der Kahn nach links kippt, setze ich mich nach rechts" feierte bereits im Oktober 2017 in Rottweil Premiere. Die Intendanten Peter Staatsmann und Bettina Schültke waren bundesweit mit die ersten Theatermacher, die sich kritisch-kreativ mit Rechtspopulisten wie dem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke auseinandersetzten. Dadurch erhielten sie eine bundesweite Aufmerksamkeit.
Jetzt, zwei Jahre später, nimmt die AfD-Fraktion im Landtag das Stück zum Anlass, einen Antrag zu stellen. Darin werfen die Rechtspopulisten der Landesregierung einen "Bruch der Neutralitätspflicht" vor. Die Unterzeichner, darunter der aus Sulz stammende Landtagsabgeordnete Emil Sänze, äußern die Ansicht, es bestehe die "Pflicht der Staatsorgane zur parteipolitischen Neutralität", "die einseitige Förderung von Veranstaltungen gegen eine Partei, wie sie ganz klar in Rottweil geschehen ist, widerspricht der Neutralitätspflicht der Staatsorgane".
In dem Antrag fordern sie von der Landesregierung, Rechenschaft darüber abzulegen, in welcher Höhe das Zimmertheater seit 2013 öffentliche Fördermittel erhielt und erhält.
Für ihre Komödie bekamen die Zimmertheater-Intendanten Schültke und Staatsmann im Jahr 2017 28.000 Euro aus dem Innovationsfonds Kunst der Landes. Insgesamt wurden damals landesweit 45 Projekte mit einer Million Euro gefördert. Auch 2018 und 2019 durfte sich das Rottweiler Zimmertheater über ähnlich hohe Zuwendungen aus dem Innovationsfonds freuen. Das Geld gab es für "Raub der Europa" und "We are family". Zusammen mit der Komödie "Wenn der Kahn..." bilden die Stücke die Deutschland-Trilogie im Zimmertheater.
Erst vor Kurzem hat die "Alternative für Deutschland" Aufsehen erregt, als sie in einer Landtagsanfrage verlangte offen zu legen, wie viele Darsteller an den Bühnen im Land keinen deutschen Pass besäßen. Zudem interessierte sich die AfD dafür, welche Staatsangehörigkeit die Künstler hätten und wo sie ausgebildet worden seien. Das sorgte im Sommer für Empörung in der Künstlerszene landauf landab und mitunter pfiffige Reaktion der Theaterleute.
Dass die Rechtspopulisten die Kulturbetriebe für sich entdeckt haben, ist nicht neu. Das Vorgehen wie jetzt im Landtag hat bundesweit Methode, wie unter anderem die Süddeutsche Zeitung herausgefunden hat. Gefordert wird die Offenlegung von finanziellen Förderungen, gerade dann, wenn die Stücke, die dargeboten werden, nicht nach dem Geschmack der örtlichen Parteifunktionäre der AfD sind. Immer wieder wird den staatlichen Zuschussgebern vorgeworfen, gegen eine von der AfD ins Spiel gebrachte "Neutralitätspflicht" zu verstoßen.
Die Komödie "Wenn der Kahn..." aus der Feder von Peter Staatsmann spielt in Deutschland im Herbst 2017. Im Programmheft heißt es dazu: "In der turbulenten Komödie entfaltet sich ein Panoptikum ewiger deutscher Sehnsüchte nach Einheit und Homogenität, sei es einer Gruppe oder einer Familie. Doch wo eine so große Sehnsucht nach Homogenität entsteht, wird es umso schneller disparat, widersprüchlich und chaotisch. Durch jahrelanges Augenverschließen und dem Wegschauen vor Problemen hat sich unter der Oberfläche ein bunter und recht explosiver Cocktail entwickelt von Heilslehren, die eigentlich Irrlehren sind, von Lösungsvorschlägen, die eigentlich Vernebelungen sind, von Entscheidungsfreude, die eigentlich ein Gegen-die-Wand-Rennen ist."
Bei der Recherche zum Stück hat der Autor und Intendant Reden von Björn Höcke analyisiert und Wahlkampfveranstaltungen der AfD in Rottweil besucht. Das sei zum einen erschreckend, zum anderen erhellend gewesen, äußert sich Staatsmann.
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat vier Wochen nach Eingang des Antrags Zeit, zu antworten. Diese Antwort enthält der Antragsteller. Er kann darüber entscheiden, sie öffentlich zu machen. Ob der Antrag im Landtag oder im Fachausschuss behandelt wird, ist noch offen.
Kommentar: Kunstfreiheit
Die AfD interessiert sich, was in den Schauspielhäusern dargeboten wird. Vor allem dann, wenn in den Theatern die Absicht der Rechtspopulisten künstlerisch-kreativ gespiegelt und damit offengelegt wird. Dem Zimmertheater in Rottweil ist das mit dem Stück gegen Rechtspopulismus gelungen. Wenn die rechtspopulistische Partei nun in Parlamenten und Gemeinderatssitzungen die Förderpraxis der Theaterhäuser kritisiert und Rechenschaft verlangt, dann macht sie aus der Theaterbühne eine politische. Die AfD inszeniert sich als Opfer der künstlerischen Freiheit und stellt die Kunstfreiheit insgesamt in Frage. Nebenbei versuchen die Rechtspopulisten, ein Angst-Klima unter den Kunstschaffenden zu schüren. Dass die AfD damit nicht durchkommt, ist nicht nur Aufgabe der Politik, sondern all jener, denen ein weltoffenes Kunst- und Kulturleben wichtig ist.