Um diesen Salzsee in Bolivien geht es. Hier werden die weltweit größten Lithium-Vorkommen vermutet.  Foto: Wolf

Wiedergewählter Präsident soll per Dekret Joint-Venture gestoppt haben. Deutscher Partner hält an Projekt fest.

Rottweil/La Paz - Es ist ein Grund, mit einem Glas guten Sekts auf das bevorstehende Geschäft mit dem weißen "Anden-Gold" anzustoßen: Ende Oktober wird das Joint-Venture-Unternehmen der Firma ACI Systems mit dem bolivianischen Staatsunternehmen YLB (Yacimientos de Litio Bolivianos) mit Sitz in La Paz in das Handelsregister eingetragen. Eine einjährige Gründungsphase geht demnach erfolgreich zu Ende.

Wolfgang Schmutz, Chef von ACI Systems, einem mittelständischen Unternehmen aus Zimmern ob Rottweil, betont gegenüber unserer Zeitung: "Damit ist das Gemeinschaftsunternehmen gegründet, das Unternehmen voll geschäftsfähig und kann seine Tätigkeit aufnehmen." Kern des Zusammenschlusses ist der Abbau von Lithiumhydroxid in gewaltigen Mengen. Dieser Stoff wird für die Herstellung von Batterien etwa in der Automobilindustrie dringend benötigt. Bolivien hat eine Menge davon zu bieten. Die weltweit größten Vorkommen werden im Salar de Uyuni, dem größten Salzsee der Erde, vermutet. In knapp drei Jahren soll das Joint-Venture dort jährlich 40.000 Tonnen des begehrten Rohstoffes schürfen. Es ist ein Millionengeschäft.

Land befindet sich in einer Ausnahmesituation

Und jetzt – Selters statt Sekt? In der Nacht auf Montag soll der Präsident des südamerikanischen Staates, Evo Morales, plötzlich die Reißleine gezogen haben. Per Dekret stoppte er demnach das Gemeinschaftsunternehmen. Unternehmer Schmutz sagt, er sei von dieser Nachricht völlig überrascht worden. Von offizieller Seite habe er aber noch nichts gehört.

Bolivien befindet sich seit Wochen in einer Ausnahmesituation. Rund um die Präsidentschaftswahl am 20. Oktober kommt es zu Protesten und Ausschreitungen in dem Land. Diese dauern an und werden heftiger. Inzwischen gab es Tote und etliche Verletzte bei Auseinandersetzungen zwischen Unterstützern Morales’ und der Opposition. Diese wirft dem amtierenden Präsidenten vor, das Wahlergebnis zu seinen Gunsten manipuliert zu haben.

Amtsinhaber Morales erhielt nach offiziellen Angaben 47,08 Prozent der Stimmen. Sein Herausforderer, Carlos Mesa vom Bündnis Bürgergemeinschaft (Comunidad Ciudadana), erreichte lediglich 36,51 Prozent. Nach bolivianischem Wahlrecht sind 50 oder mindestens 40 Prozent der Stimmen mit einem Abstand von zehn Prozentpunkten nötig, um im ersten Wahlgang direkt gewählt zu werden. Mit diesem Ergebnis zieht Morales, der seit 2006 im Amt ist, im kommenden Jahr zum vierten Mal in den Präsidentenpalast ein. Die Opposition schäumt.

Auch in der Region Potosi, zu der die Stadt Uyuni und der Salzsee gehören, kommt es rund um die Wahl zu Streiks, Straßenblockaden und Auseinandersetzungen. Eine Forderung der Demonstranten ist, den Deal mit ACI zu stoppen. Die Bürger befürchten zum einen enorme Umweltschäden, da beim Lithium-Abbau große Mengen an Wasser verbraucht würden. Die Hochland-Bauern fühlen sich daher in ihrer Existenz bedroht. Zum anderen misstrauen sie den Versprechungen der Regierung, an dem Gewinn ausreichend beteiligt zu werden. Nach bisheriger Gesetzeslage soll die Bevölkerung bei Bergbaugeschäften drei Prozent vom Gewinn erhalten. Das ist den meisten demnach offensichtlich zu wenig.

Das Land übt eine Faszination aus. Die Landschaft ist malerisch, es ist reich an Kultur und Geschichte – und an Bodenschätzen. Ausländische Mächte wissen das seit Jahrhunderten zu schätzen. Zum Leidwesen der einheimischen Bevölkerung, die davon kaum etwas abbekommen hat. Damit, fordert die Opposition, soll jetzt Schluss sein.

Ist der baden-württembergische Mittelständler in die Frontlinie einer innerpolitischen Auseindersetzung geraten? Bolivien steht mit seinen Problemen nicht allein da. Der lateinamerikanische Kontinent, von Chile über Bolivien bis nach Nicaragua, versinkt zurzeit im Chaos. Grund sind gefälschte Wahlen, Polizeigewalt und Vorkommnisse aus der jüngeren Geschichte der jeweiligen Länder, die nicht aufgeklärt wurden.

ACI-Chef Wolfgang Schmutz gibt nicht auf

Wer hätte vor einem Jahr, als in Berlin das gemeinsame Projekt mit Politprominenz feierlich aus der Taufe gehoben wurde, gedacht, dass es so weit kommen würde? Wirtschaftsminister Peter Altmaier kam in die Landesvertretung Baden-Württembergs in Berlin, ebenso seine Ressortkollegin aus Stuttgart, Nicole Hoffmeister-Kraut (beide CDU). Aus Bolivien reisten der Außen- und Energieminister an. Die strategische Bedeutung für Deutschland wurde betont: Das Gemeinschaftsunternehmen eröffne neue Möglichkeiten bei der Herstellung von Batterien für Autos und sichere den direkten Zugriff auf einen Schlüsselrohstoff der Zukunft, hieß es damals.

Und jetzt? Schmutz will nicht klein beigeben. Er hat den bolivianischen Partner um Aufklärung der Vorgänge gebeten. ACI Systems will in der Region Potosi ein Bürgerbüro errichten, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sie zu informieren, was das Joint-Venture-Unternehmen vorhat und wie die Bevölkerung davon profitieren kann.

Von einem Ende des Bolivien-Abenteuers geht Schmutz jedenfalls nicht aus. "Wir wachsen mit der Aufgabe", sagt er mit fester Stimme.