Monumentale Weite (oben): Heiner Glaser auf dem 4950 Meter hohen Shang-La-Pass. Darunter heftet er ein Souvenir-Tuch, verziert mit Rottweiler Narretei-Ansichten, an die Gebetsfahnen auf dem Gipfel des Stok Kangri. Foto: privat

Heinrich Glaser auf Trekking-Tour im indischen Himalaya. 6000er-Gipfel bezwungen.

Rottweil-Hausen - Der Alpinist Heinrich Glaser hatte noch eine Rechnung offen: Eine im vorigen Jahr wegen des Monsuns geplatzte Tour durch das indische Hochgebirge. Nun hat der 68-Jährigen einen neuen Anlauf gewagt – und hinterließ eine bleibende Spur.

Heinrich Glaser schwärmt, wenn er sich die Bilder seiner Bergexpedition betrachtet, die ihn im Juli in das Gebiet Ladakh im Nordosten Indiens geführt hat. "Es ist die Mischung aus buddhistischer Kultur und atemberaubender Landschaft, die den Markha-Trek so reizvoll macht. Daher war klar, dass ich es noch einmal wagen würde, nachdem mir ein außergewöhnlich starker Monsun im vergangenen Sommer einen Strich durch die Rechnung gemacht hat."

Es liegt ein feuriger Glanz auf seinen Augen, als er Bild für Bild des 19-tägigen Trips durch seine Hände gleiten lässt. Man sieht uralte Klöster, die sich romantisch an schroffe Felsen schmiegen. Glaser zeigt bunte Gebetsfahnen vor schwindelerregend tiefen Tälern und natürlich sich selbst, wie er mit einem breiten Lächeln am Gipfel des mehr als 6100 Meter hohen Stok Kangri nur noch den strahlend blauen Himmel Asiens über sich zu haben scheint.

Sonne sticht gnadenlos herab

Die Strapazen einer solchen Tour sind unwirklich, wenn man sich die bunten Bildchen gemütlich in Glasers Garten bei einem kühlen Glas Mineralwasser betrachtet. Aber der 68-Jährige lässt bei seinen Erzählungen auch diese quälende Seite des Hochgebirgstrekkings nicht aus: "Es sind Extreme, mit denen man zu kämpfen hat. Zuerst ist es die Hitze", Glaser spricht von durchschnittlich 30 Grad, "die einen auf dem Weg durch die Täler in Richtung Berg begleitet – die Sonne sticht gnadenlos herab."

Und dann ist da die dünne Luft. Meter für Meter wird sie sauerstoffärmer, und die Anstiege rauben zunehmend den Atem. Der internationale Trek, den Glaser mit zwölf weiteren Teilnehmer, zehn erfahrenen Bergbegleiter und 20 Packpferden begleitete, startete auf immerhin 3200 Metern Höhe. Danach bewältigte die Bergkarawane auf ihrem 120 Kilometer langen Weg drei Pässe, die knapp an der 5000er-Marke kratzten, bis schließlich der Höhepunkt auf dem Plan stand: die Besteigung des 6153 Meter hohen Stok Kangri.

Hier machte nicht nur der Sauerstoffmangel den Aufenthalt allmählich unwirtlich. Auch die anfangs lähmende Hitze war nun bissigen Hochgebirgstemperaturen gewichen, so Glaser.

Solche Strapazen sind ohne eine intensive Vorbereitung unmöglich zu meistern. Der Hausener hält sich mit Radfahren, Joggen und größeren Wandertouren über Schwarzwald und Alb fit. Und doch stellt sich die Sinn-Frage: "Muss man sich das mit beinahe 70 Jahren noch antun?"

Glaser ist ehrlich: "Nachdem es mitten in der Nacht vom Camp zur Gipfelbesteigung los gegangen ist – und man schläft in diesen Höhen sehr unruhig – stellt man sich in den Stunden auf dem Weg zur Spitze schon immer wieder mal die Frage: ›Warum mache ich das eigentlich?‹ Steht man aber oben, dann weiß man: ›Ich habe es geschafft‹. Dieses Gefühl überwiegt alle anderen Strapazen. Das ist unglaublich."

Echte Euphorie kommt bei Glaser aber erst auf, wenn er sich wieder im Basis-Camp befindet, erzählt er: "Dann erst habe ich die Gefahren des Aufstiegs hinter mir – und manchmal glaubt man bei Tageslicht besehen kaum, wo man Stunden zuvor in der Nacht herumgekraxelt ist."

Zudem ging der Abstieg vom 6000er durchaus an die körperliche Substanz, die immerhin fast 70 Jahre auf dem Buckel: "Also da habe ich meine Knie schon gespürt, muss ich sagen", lässt Glaser seine schmerzlichen Erinnerungen an einen atemberaubenden Trip Revue passieren.

Ein Erinnerungsstück ganz anderen Zuschnitts hat der frühere Schulrektor indes auf dem Gipfel des Stok Kangri im Meer der bunten Gebetsfahnen hinterlassen: ein Souvenir-Tüchle, auf dem die Rottweiler Narretei abgebildet ist. Glaser hat eben nicht Erfahrungen aus einer Fremden Kultur mit nach Hause gebracht – ein Stück Rottweiler Kultur hat durch ihn nun eine windige Heimat im indischen Hochgebirge gefunden.