Im Sportpark Rottenburg treffen sich der Vorsitzende des TV Rottenburg Norbert Vollmer (von links), Hans Peter Müller-Angstenberger, Oberbürgermeister Stephan Neher, Ministerin Susanne Eisenmann und Klaus Maier. Foto: Lück

Susanne Eisenmann im Sportpark: "Ärgerlich, wenn Mittel zurückgehalten werden."

Rottenburg - Erwischt! Gleich, nachdem Kultus- und Sportministerin Susanne Eisenmann (CDU) vor dem Sportheim des TV Rottenburg im Sportpark ausgestiegen ist, hat sie schon den ersten Lehrer entdeckt: Hans-Dieter Müller-Angstenberger!

Müller-Angstenberger ist barfuß, weil er gerade die Kids auf dem Beachvolleyfeld trainiert. Eisenmann augenzwinkernd: "Sie stehen doch auch auf meiner Gehaltsliste!"

Lockerer Beginn des Ministerbesuchs. Dann wird es ernst. Eisenmann ist heute auf Sport-Sommertour. Beim TV Rottenburg ist Stuttgarts ehemalige Sportbürgermeisterin und jetzige Chefin aller Lehrer im Ländle natürlich genau richtig. Weil der Verein Leistungssport und Bewegungsförderung bei Schülern eng verknüpft hat.

Müller-Angstenberger: "250 Kinder in Rottenburg spielen Volleyball. Durch die Bundesligazugehörigkeit konnten wir durch unsere Kooperation mit den Schulen die Schüler in die Arena zu den Spielen locken. Im vergangenen Jahr im Oktober haben unsere Profi-Spieler vor 1200 Schülern Trainings gemacht. Das hat uns 50 Jungs und 20 Mädchen gebracht, die neu bei uns angefangen haben, Volleyball zu spielen. Jetzt haben wir den Leuchtturm Bundesliga nicht mehr. Und wir befürchten, dass auch der Nachwuchs ausbleiben könnte."

Der Jugendtrainer zeigt stolz auf das Spielfeld im Sand: "Das große Thema durch Corona war Digitalisierung in der Schule. Ich selbst habe nicht nur bei meinen Kinder gemerkt, dass die durch das Hocken vor dem Computer die Körperspannung verloren haben und pausbäckig geworden sind. Bewegung ist genauso wichtig!"

Ministerin sieht Estland als Vorreiter

Damit trifft er genau den Nerv der Kultusministerin. Eisenmann: "Eines der pädagogischen Konzepte, die mein Vorbild sind, hat Estland. Dort gibt es eine Digitalisierung auf hohem Niveau – auch in der Schule. Aber: Der Unterricht dort läuft im 90 Minuten-Takt, davon sind nur 15 Minuten digital. Musik, Sport und Handwerk sind dort in den Stunden massiv hochgefahren worden und werden als gleichberechtigte Fächer angesehen!"

Die Kultusministerin ist in Rottenburg, um zu lernen. Die erste "Lektion" gibts – natürlich als Bitte formuliert – von Trainer Müller-Angstenberger: "Bitte sorgen sie dafür, dass in der Wintersaison die Schulsporthallen auch für den Sport weiter genutzt werden können, soweit das unter Corona-Bedingungen geht."

Eisenmann: "Ein guter Hinweis. Da müssen wir drauf achten, dass der Sport dann nicht hinten runter fällt. Aber es muss auch klar sein: Die Hallen müssen auch für Musikvereine offen sein – mit genügend Abstand. Denn die Infektionsgefahr ist beim Singen und Blasmusik am höchsten!"

Hausaufgabe Nummer zwei kommt vom ersten Vorsitzenden des TV Rottenburg Klaus Maier: "Durch Corona hatten wir einen Einnahmeausfall von bisher 150 000 Euro. Auch durch die fehlenden Zuschauereinnahmen. Wir haben uns von der Bundesliga abgemeldet und sind jetzt dritte Liga. Wie geht es mit den Zuschauern bei Sportveranstaltungen weiter?"

Eisenmann: "Sc hwierig. Der Fußball drängt hier. Meine Haltung dazu ist: Wenn es Lockerung gibt, dann für alle Sportarten. Ständig habe ich Diskussionen mit dem SWR: Da die teilweise Grottenkicks live im Fernsehen übertragen. Und Spiele anderer Sportarten haben keine Chance. Für mich ein Ärgernis."

Doch was geht konkret mit den Zuschauern? Eisenmann: "Wir haben das große Glück, dass die Sommerferien im Ländle diesmal im Bundesvergleich wirklich am spätesten anfangen. Da haben wir Zeit, zu schauen, welche Infektionsfolgen nach möglichen Lockerungen in anderen Bundesländern passieren. Wir werden das genau beobachten."

Dann fragt sie die Sport-Profis: "Können sie sich vorstellen, dass Zuschauer Mundschutzpflicht haben?" Vollmer: "Wenn man dann die Hälfte der Halle füllen könnte, halte ich das für machbar. Dann würden wir wenigstens 500 Zuschauer in die Arena bekommen."

Und welche Schulnote geben die Vereine der Landesförderung und der wirtschaftlichen Lage? Ausreichend. Norbert Vollmer, Geschäftsführer des TV Rottenburg: "Schon jetzt haben Vereine grenzwertig auf ihre Mittel zugegriffen." Der TV Rottenburg habe bisher noch keinen Antrag auf Landeshilfe gestellt, weil es unklar war, ob man erst die Rücklagen aufbrauchen muss. Ministerin Eisenmann erklärt, dass man festgelegt habe, dass die Rücklagen für Zukunftsinvestitionen der Vereine nicht angegriffen werden müssen. Schulnote gut. Aber die Zukunft könnte ungenügend enden. Weil derzeit nicht abschätzbar ist, wie sich die wirtschaftliche Lage entwickelt. Ob der Nachwuchs weiterhin für den TVR zu begeistern ist, ob Mitglieder austreten und wie es mit den Zuschauer-Einnahmen aussieht.

Mittel wurden nicht ausgezahlt

Maier: "Wir befürchten, dass es für uns zu einer dritten schwierigen finanziellen Welle im Jahr 2021 kommen wird." Vollmer merkt an, dass wohl die Mittel des Kultusministeriums für die "Monetarisierung der Deputate" zurückgehalten werden.

Eisenmann: „Das geht ja gar nicht, das ärgert mich. Da werde ich sofort nachhaken!"

Ein ganz wichtiger Treffer für den TV Rottenburg. Denn: Wenn Schulen für das Sportangebot auf Vereins-Profis freiwillig zurückgegriffen haben, gab es dafür Geld vom Kultusministerium. Teilweise auch als Vorschuss. Dieser wurde bisher dem TV Rottenburg nicht ausgezahlt. Ein Insider: "Das können wir in sofern nachvollziehen, weil möglicherweise ein Teil der professionellen Trainer in Kurzarbeit geht. Aber uns fehlt natürlich diese Mittel – auch, um die Kooperationen mit den Schulen am Leben zu halten!"

Schwierige Zeiten, ernste Themen. Zum Schluss gibt es noch was erfreuliches für die Kultusministerin: Sie überreichte Pia-Sophie Arnold den Landessportpreis. Die Schülerin hat 15 Punkte in Sport geholt. Die 17-Jährige will sich jetzt für Medizin oder für das Lehramt Physik/Chemie bewerben. Eisenmann: "Wenn sie das Letztere wählen, bekommen sie von mir nicht nur die Urkunde und den 150 Euro-Gutschein, sondern auch noch eine Einstellungsgarantie!"