Rechtsaufsichtsbeschwerde von Albert Bodenmiller an die Adresse des OB abgeschlossen / Leise Kritik an Neher

Von Lena Müssigmann und Martin Dold Rottenburg. Der Rechtsaufsichtsbeschwerde von Albert Bodenmiller gegen Oberbürgermeister Stephan Neher wurde nicht stattgegeben. Dennoch hat sich die Informationspolitik des Stadtoberhaupts verbessert, findet Bodenmiller. Ein Gefängnis in Baisingen? Albert Bodenmiller (74), BfH/Linke-Fraktionsvorsitzender, war überrascht und verärgert, als OB Stephan Neher den Gemeinderat am 20. Dezember 2011 darüber informierte, dass er den Standort Baisingen beim Justizministerium "vorbehaltlich der Zustimmung des Gemeinderats" angeboten habe.

Bodenmiller erhebt in einer Rechtsaufsichtsbeschwerde gegen Neher zwei Vorwürfe: Der OB habe die Alleinzuständigkeit des Gemeinderates gebrochen, indem er das Gremium nur in Kenntnis gesetzt und keine Diskussion über das Thema vorgesehen habe. Außerdem er habe das Gremium zu spät informiert.

Schon im Juli 2010 hat Neher dem damaligen Justizminister Ulrich Goll den Standort Baisingen angeboten, wie aus einem Schreiben hervorgeht, das unserer Zeitung vorliegt. "Der OB darf sondieren", gesteht Bodenmiller zu. "Aber vor dem Angebot hätte er den Gemeinderat informieren müssen." Zwischen dem Angebot an das Justizministerium und der Information des Gemeinderat ist viel Wasser den Neckar hinabgeflossen: 17 Monate wusste der Gemeinderat nichts von dem Interesse Nehers, die JVA nach Baisingen zu holen. Neher habe ungestört vorankommen wollen in der Angelegenheit, wirft ihm Bodenmiller vor.

Neher sieht den Sachverhalt naturgemäß anders: Die alte Landesregierung habe nicht angedacht, an dem Standort Rottweil für das Gefängnis zu rütteln. Erst mit dem Wechsel zu Grün-Rot habe ein neuer Suchlauf begonnen. Daher habe er die Chance für eine Bewerbung genutzt und sowohl im Gemeinde- als auch Ortschaftsrat alle Fakten auf den Tisch gelegt. Damals stimmten alle Fraktionen im Gemeinderat für die Bewerbung – mit Ausnahme von BfH/Linke.

Über diesen Punkt wundert sich Neher: Bodenmiller gebe sich immer als Anwalt der Schwachen und Entrechteten, wozu auch Gefängnisinsassen zählten. Aber wenn ein Gefängnis vor der eigenen Haustür kommen solle, wolle er davon nichts wissen.

Das RP hat die Angelegenheit mit einem Schreiben an Bodenmiller am 19. September abgeschlossen. Darin heißt es: "Wenn (...) ein Bürgermeister im Vorfeld einer Gemeinderatsbefassung ›vorbehaltlich der Zustimmung des Gemeinderates‹ nach außen hin tätig wird, so sehen wir hierin grundsätzlich keinen unstatthaften Eingriff in die Organrechte des Gemeinderates." Neher sieht sich dadurch in seiner Vorgehensweise bestätigt und im Recht.

Des Weiteren heißt es, die kommunalverfassungsrechtlichen Vorgaben seien gewahrt, weil der Gemeinderat als Hauptorgan die letzte Entscheidung treffe. Bodenmiller berichtet aber aus seiner Erfahrung, dass es für einen Gemeinderat schwer sei, sich gegen einen OB zu stellen, wenn dieser das Gremium mit weit gediehenen Verhandlungsergebnissen konfrontiere. Der OB wolle eine Bresche in die Alleinzuständigkeit des Gemeinderats schlagen. Bodenmillers Befürchtung ist, dass sich auch andere Gemeindeoberhäupter daran ein Vorbild nehmen könnten.

Bodenmiller sieht sich in seiner Position durch eine andere Passage in dem RP-Schreiben bestätigt. Dort heißt es: "Hier hätte es (...) nahe gelegen, den Gemeinderat früher als geschehen von den Aktivitäten in Sachen JVA zu unterrichten, was Oberbürgermeister Neher für die Zukunft zugesagt hat."

In einer Gemeinderatssitzung vom 24. Januar 2012 hatte Neher versprochen, das Gremium künftig in solchen Fällen früher zu informieren. Außerdem wurde ein Treffen der Fraktionsvorsitzenden mit dem OB eingeführt, in dem er diese über Planungen und Vorgänge informiert. "Ich habe mein Ziel erreicht", sagt Bodenmiller dazu. Neher hingegen sagt, dass die Zusammenarbeit auch zuvor schon nicht schlecht gewesen sei.

Dass der Streit eine persönliche Komponente bekommen hat, bedauert Bodenmiller. Eine öffentliche Reaktion Nehers auf seine Rechtsaufsichtsbeschwerde bezeichnet er als "sehr scharf" und hat sich auch darüber beim RP beschwert. Das Regierungspräsidium sieht jedoch durch Bodenmillers Vorverhalten, Neher öffentlich anzugreifen, keinen Grund, ihn vor verbalen Angriffen Nehers zu schützen. Doch die Schärfe des Schlagabtauschs findet bei der Behörde keinen Gefallen und rügt Nehers Verhalten. Im Schreiben des RP vom Juli an Bodenmiller heißt es: "Auch wenn (...) kein Raum für aufsichtsrechtliche Maßnahmen besteht, so hätte das RP gleichwohl eine zurückhaltende Reaktion der Stadt gegenüber einem Mitglied des Gemeinderates vorgezogen."

Bodenmiller fühlt sich bestätigt: "Die Bürger erwarten, dass ich der Obrigkeit widerspreche und Missstände aufdecke. Und das tue ich."