Eine nachdenkliche Stimmung herrschte bei allen Beteiligten angesichts der mahnenden Worte. Fotos: Scharnowski Foto: Schwarzwälder-Bote

Jüdische Mitbürger aus Rottenburg wurden von den Nazis deportiert / Dankbarkeit für die Aktion von vielen Seiten

Von Marly Scharnowski Rottenburg. Vor dem Eugen-Bolz-Gymnasium fand sich eine große Menge von Schülern ein. Der Grund: Zehn neue "Stolpersteine" wurden innerhalb der Stadt verteilt und zwar an Häusern, in denen jüdische Mitbürger gelebt hatten, bis sie aus ihrem Alltagsleben gerissen wurden. Andreas Kroll, auch Jugend-Guide für die KZ-Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen, hatte zu dieser Aktion aufgerufen. Für ihn war eine "Stolpertafel" zu klein und zu wenig, daher seine Initiative.

 

Seine Eröffnungsrede machte sehr nachdenklich: "Es sind Erinnerungen an zehn Schicksale, welche Rottenburger Bürgern widerfahren sind, weil sie jüdischen Glaubens waren. Menschen werden auch heute noch ausgegrenzt und bewertet, zum Beispiel nach Ethnie, ›Behinderung‹, politischer Einstellung, sexueller Orientierung und Religion."

Er dankte den vielen Helfern, Spendern, der Stadt und den Mitbürgern. Der Dank kam auch zurück. Eine Zuschauerin – sie ist Spenderin eines Stolpersteines – bedankte sich ausdrücklich für die Aktion. Ihr Großvater wurde "eliminiert", weil er dem Regime nicht passte.

Andreas Kroll begeisterte mit seiner Idee. Drei Geschichtskurse des Eugen-Bolz-, des Paul-Klee- und des St. Klara-Wirtschaftsgymnasiums haben sich mit Beiträgen an der Stolpersteinverlegung beteiligt. Natürlich waren einzelne Schüler nervös, die Texte über die Namen und das Wirken der Familien verlasen. Aber sie alle haben es mit Bravour geschafft.

Bei dem Gang durch die Stadt wurden in der Mechthildstraße 32 der Familie Albert Horkheimer mit zwei Steinen gedacht. Sie wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert und im selben Jahr in Treblinka ermordet. Der Tochter, dem Schwiegersohn und der Enkelin glückte die Flucht.

Vor dem Haus Eberhardstraße 33 wurden zwei Steine verlegt. Das Ehepaar Ferdinand und Jenny Horkheimer wurde 1942 deportiert und in Theresienstadt ermordet. Ein weiterer Stein wurde im Gehweg vor dem Haus Königstraße 13 verlegt, wo Albertine Dierberger wohnte, die ebenfalls 1944 nach Theresienstadt deportiert wurde. Sie überlebte das KZ und kehrte nach der Befreiung nach Rottenburg zurück, wo sie 1948 starb.

An das Schicksal von Rosa und Sofie Berlizheimer erinnern zwei Stolpersteine im Asphalt vor dem Haus Königstraße 73. Die beiden Frauen (Mutter und Tochter) wurden 1942 in Schloss Eschenau, beziehungsweise 1941 in Riga von den Nazis umgebracht.

Obwohl sich das Ganze mitten in der Stadt und mit vielen Schülern abspielte, war die Stimmung sehr nachdenklich.

Andreas Kroll flocht an den Gedenkstellen Texte ein. Er verlas eine Mail von Lilian Baber in englischer Sprache. Sie versicherte, dass sie sehr traurig sei, nicht bei diesem Ereignis dabei sein zu können und dass sie wohl eine der letzten Überlebenden aus Rottenburg sei, die diese schlimme Zeit mitmachen musste und bedankte sich für die Aufmerksamkeit und die Stolpersteine.

Was hätte hier besser gepasst, als der berühmte Satz von Richard von Weizsäcker? "Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird."

Die Stolpersteine wurden vom Künstler Gunter Demnig entworfen, er hat damit viel Erfahrung und Geschick.

Bisher konnte er in 18 Ländern 47 000 Steine setzen, alleine in Deutschland 955, von den Kommunen geordert. Ein Mitarbeiter der Technischen Betriebe stand stets hilfreich zu Seite.