Tante Inge (von links): Franz-Peter Göttler, Gerhard Brüssel, Ingo Hoss, Christian "Jente" Heinrichs und Gastmusiker Ulli Reule Foto: Baiker

Weihnachtspunk und Dosenbier: Band "Tante Inge" gibt Konzert in der JVA.

Rottenburg - Wenn die "Tante Inge" zu Besuch kommt, hilft nur eines – zuhören, Spaß haben und ja nicht alles ernst nehmen, was die Gute so von sich gibt. Das galt auch für die Insassen der JVA Rottenburg.

In der Rottenburger JVA konnten sich rund 50 Insassen von den Qualitäten der tollen Tante, die eigentlich eher wie Onkel Ernst aussieht, wie einer der Konzertbesucher spontan feststellte, überzeugen.

Die Band "Tante Inge" ist etwas schrullig, sie sieht nicht sonderlich gut aus, die Haare stehen zu Berge und wirklich schön singen kann sie auch nicht, dafür tut sie es gerne und laut. Selbst für den hinteren Teil des Rottenburger Gefängnisses war es zu laut, wie Gerhard Brüssel beim Soundcheck entsetzt feststellte.

Currywurst zum Frühstück

Brüssel ist in der JVA für das Programm der Gefangenenfreizeit zuständig und freut sich, wenn er Bands mit dem besonderen Pfiff in seinem Angebot hat. Und man kann von der "Tante Inge" alles behaupten – nur nicht, dass sie langweilig wäre und ohne dieses gewisse Extra daherkommt. Sie isst Currywurst zum Frühstück, steht gegen Nazi-Gewalt ein und auf, sie bechert Rotwein an der Adria und glaubt fest daran, dass man erst dann, wenn man einmal von der Rialto-Brücke in den Canale Grande gepinkelt hat, weiß, was man für immer vermisst. "Tante Inge" kommt aus Horb, der Stadt, in der nie etwas passiert, wie sie in ihrem Lied "Diese Stadt" behaupten.

Deshalb fahren sie lieber mit der Bahn an den Bodensee, um mit Dosenbier so richtig Party zu machen. Natürlich ist Inge keine echte Tante, sondern der kuriose Name einer Spaß-Punk-Formation, bei der Schlagzeuger Franz-Peter Göttler, Bassist Ingo Hoss und der musikalische Kopf des Trios, Christian "Jente" Heinrichs, der die E-Gitarre quält und die Stimmbänder strapaziert, ihr Unwesen treiben. Jeder dieser Musiker ist schon eine Marke für sich, aber zusammen sind sie einfach brachial genial.

Weihnachtspunk und Dosenbier war als Musikrichtung vorgegeben, und herausgekommen ist Deutsch-Rock der besonderen Güte. Überwiegend eigene Kompositionen geben dem Stil von "Tante Inge" eine unverkennbare Handschrift. Neben den schnellen, frechen und meist recht humorigen Stücken hatte "Tante Inge" auch nachdenkliche Texte im Gepäck. Weihnachten bietet sich für besinnliche Betrachtungen ja an, und da das Fest der Liebe vor der Tür steht, wurde es zum roten Faden dieses Gigs.

"Frohe Weihnacht überall" dröhnte es durch die Anstaltsmauern, "Marias Baby" und "Heiligabend" wurden lautstark und tempogeladen nachgeschoben. Wenn Bing Crosby allerdings die "Inge Version" seines Welthits "White Christmas" gehört hätte, er wäre wahrscheinlich in Tränen ausgebrochen.

Die harten Jungs aus der JVA ließen sich dagegen von den harten Rhythmen anstecken und forderten schon vor Schluss des Auftritts ihre Zugabe, die sie auch mit der vollverrockten Version von "Frohe Weihnacht überall" in der C-Dur-Version geboten bekamen.

Ein richtig schön besinnliches Weihnachtskonzert hört sich mit Sicherheit anders an, aber das "Inge-Konzert" hob sich gewohnt krachlastig aus dem Einheitsallerlei der vorweihnachtlichen Musikdarbietungen ab.