Ute Künstle vom Fachdienst für Bereitschaftspflegefamilien (von links), Peter Motteler vom Mobilen Dienst der Sophienpflege sowie Vertreter der Abteilung Jugend des Landratsamtes und der Sophienpflege Foto: Baum Foto: Schwarzwälder Bote

Bereitschaftspflege: Menschen, die Kinder oder Jugendliche aufnehmen, gesucht / Infoabend am 25. März

Wenn Kinder und Jugendliche nicht mehr in ihrer Ursprungsfamilie bleiben können, da etwa die Eltern ihre Kinder vernachlässigen oder misshandeln, springen Bereitschaftspflegefamilien in die Bresche. So auch im Landkreis Tübingen.

Rottenburg/Tübingen. Sie sind Notaufnahmestellen für Babys, Kleinkinder und Jugendliche. Die leiblichen Eltern sind vielleicht suchtkrank oder haben eine andere körperliche oder psychische Erkrankung. Oder es gibt eine Vernachlässigung des Kindes, Misshandlungen oder Gewalt in der Familie – oder Missbrauch.

Im Landkreis Tübingen gibt es derzeit neun Bereitschaftspflegefamilien, die vom Jugendamt oder der Sophienpflege angerufen werden, wenn Kinder und Jugendliche einige Tage oder Wochen betreut werden müssen, da es noch keine feste Pflegefamilie für diese Kinder gibt. Kürzlich stellten Jugendamt und Sophienpflege das Betreuungsmodell der Bereitschaftspflegefamilien vor. Zudem berichteten Frau Müller und Herr Schulze (Namen von der Redaktion geändert) von ihren Erfahrungen als Bereitschaftspflegefamilie.

In Fachfragen hilft die Sophienpflege, welche die Familien begleitet

Herr Schulze und seine Frau haben im Laufe der Jahre bereits 200 Kinder in ihrer Familie vorübergehend betreut. Die Familie Schulze aus dem Landkreis Tübingen nimmt mittlerweile nur noch Jungs, da die Bereitschaftspflege vor allem Herr Schulze übernimmt – seine Frau geht arbeiten. Eine Erziehungsperson muss immer anwesend sein, um die konstante Betreuung der Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten.

Horst Lipinski, Leiter des Geschäftsbereiches Jugend und Soziales beim Landratsamt Tübingen, und Jugendamtsleiter Bernd Hillebrand sowie Ute Künstle vom Fachdienst für Bereitschaftspflegefamilien des Landratsamtes Tübingen informierten über das Modell der Bereitschaftspflegefamilien. Auch Sebastian Kruggel von der Sophienpflege und Peter Motteler vom Mobilen Dienst der Sophienpflege waren beim Informationsgespräch mit dabei. So vollzieht das Jugendamt des Landkreises Tübingen Notaufnahmen bei familiären Notlagen und Inobhutnahmen als Gewährleistung des Kinderschutzes im Unterschied zu anderen Jugendämtern schwerpunktmäßig in Bereitschaftspflegefamilien, die Tag und Nacht belegbar sind. Die Qualifizierung und fachliche Beratung und Begleitung der Bereitschaftspflegefamilien erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der Sophienpflege, einem Tübinger Jugendhilfeträger.

Die Zahlen und die Tendenz der Inobhutnahmen sind in den vergangenen Jahren von 24 Fällen im Jahr 2015 auf 42 Fälle im Jahr 2018 gestiegen. Zusätzlich waren im Jahr 2018 23 Notaufnahmen notwendig. Hillebrand berichtet, dass sich die Inobhutnahme in Familien bewährt hat – sie erleichtert insbesondere für Kinder vor der Pubertät die Bewältigung der Krisensituation deutlich und ist hilfreicher als eine Notunterbringung in einer Wohngruppe für Jugendliche. Da aber die Zahl der in der Regel schon langjährig tätigen Bereitschaftspflegefamilien von 16 auf aktuell noch neun Familien zurückgegangen ist, suchen Jugendamt und Sophienpflege nun händeringend nach weiteren intakten Familien, die bereit sind, als Bereitschaftspflegefamilien ein Kind für einen relativ kurzen Zeitraum von wenigen Wochen oder Monaten aufzunehmen.

Frau Müller meinte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass es schon auch manchmal schwerfalle, die Kinder oder Jugendlichen wieder ziehen zu lassen und sie in eine endgültige Pflegefamilie zu geben. Da die neun Familien im Landkreis Tübingen in der Regel aber spezifische Aufnahmeschwerpunkte haben, also vor allem Jungs oder Mädchen, Babys oder Kleinkinder oder Jugendliche aufnehmen, steht derzeit die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems in Frage.

Interessierte können sich an das Tübinger Jugendamt wenden

Wer nun etwa bereit ist und sich vorstellen kann, einen Säugling oder ein Kleinkind oder einen Jugendlichen in seiner Familie aufzunehmen, kann sich beim Jugendamt in Tübingen oder bei der Sophienpflege melden. Am 25. März ist zudem ein Infoabend für interessierte Familien geplant. Treffpunkt ist um 18.30 Uhr in der Jugendhilfestation in der Bachgasse in Tübingen.

Man müsse sich aber darüber im Klaren sein, dass für das Pflegekind ein abgetrennter, eigener Raum in einer mindestens fünf Zimmer großen Wohnung zur Verfügung stehen muss. Zudem muss die Aufnahmefamilie jederzeit erreichbar sein und sich faktisch rund um die Uhr um das Baby oder das Kleinkind oder den Jugendlichen kümmern können. Auch sollten die Kinder in den Familienalltag eingebunden werden. Als Familie müsste man auch sehr belastbar sein, insbesondere die Eltern müssen starke Nerven haben. Einfühlungsvermögen sei wichtig, da die Kinder oft belastende Zeiten und Krisensituationen hinter sich hätten und eventuell traumatisiert seien.

Eine der beiden Hauptbetreuungspersonen muss zuhause vor Ort sein und darf nicht berufstätig sein, erklärten die Verantwortlichen. Es gibt eine Unkostenpauschale für die Tätigkeit, derzeit rund 70 Euro pro Tag.

Weitere Informationen: Telefon 07071/88 30