In der oberen Mensa der Ergenzinger Gemeinschaftsschule – das graue Gebäude rechts – dürfen nur Veranstaltungen mit einem schulischen Bezug abgehalten werden. Foto: Ranft

Veranstaltung darf nicht in Ergenzinger Schulmensa stattfinden. Nutzungsordnung für Mensen geplant.

Rottenburg-Ergenzingen - Aus einer Standard-Entscheidung der Rottenburger Stadtverwaltung hat sich ein Eklat entwickelt. Hintergrund ist ein Film, der in der Ergenzinger Schulmensa nicht gezeigt werden durfte, weil der schulische Bezug fehlt. Doch einige Bürger legen die Entscheidung als Angriff auf die Meinungsfreiheit aus.

Eine lautstarke Auseinandersetzung hat Emanuel Peter (Linke) im Rottenburger Gemeinderat mit Oberbürgermeister Stephan Neher begonnen. Peter stört sich daran, dass die Wählervereinigung "Bürger für Ergenzingen" den Dokumentarfilm "Kein schöner Land", der sich kritisch mit dem Flächenverbrauch durch neue Bau- und Gewerbegebiete im Großraum Reutlingen auseinandersetzt, nicht in der Mensa der Ergenzinger Gemeinschaftsschule zeigen durfte. Seine Interpretation: Das Verbot dieser politischen Veranstaltung sei ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Den Vorwurf lässt sich Neher nicht gefallen.

Er unterbricht Peter und sagt: "Wer sagt, dass ich das verboten habe? Es geht nicht um den Film, sondern um die Schulmensa. Auch der Skatclub dürfte sich dort nicht treffen." Bedingung für die Nutzung der Mensa sei ein schulischer Bezug der Veranstaltung. Neher führt das Beispiel eines Bürgermeisters einer anderen Gemeinde an, der einen Strafbefehl erhalten habe, weil er eine Schulmensa für einen nichtschulischen Zweck nutzen ließ. Das solle sich in Rottenburg nicht wiederholen.

Falsche Informationen

Auslöser des Streits dürften vor allem die "Fake-News" der "Bürger für Ergenzingen" (BfE) sein. Auf deren Homepage ist zu lesen: "Dass wir den Film nicht in der Mensa, einem städtischen Gebäude, zeigen dürfen, wird im Netz kommentiert." Es folgt ein Zitat, das von einem verlinkten Blog stammt: "Kein schöner Land ist es, wenn städtische Einrichtungen nicht zur Verfügung stehen, wenn es darum geht, für genau dieses schöner Land zu werben. Dann wird es übel, sehr übel. Es ist nicht so sehr das Verbot, das Sabine Winkler durch Verlagerung der Vorführung in eine andere Halle überwindet, es ist vielmehr das klein karierte Denken dahinter, das uns erschrecken muss."

Auch in Leserbriefen, die in unserer Zeitung erschienen sind, heißt es beispielsweise: "Beide Herren (OB Neher und Ergenzingens Ortsvorsteher Reinhold Baur) haben nichts aus dem Bürgerentscheid gegen das Gewerbegebiet Kiebingen gelernt. Denn sonst hätten sie diesen Filmbeitrag als Chance begriffen, um bereits im Vorfeld zu den Planungen für das Flugfeld in einen Bürgerdialog einzutreten, wie zum Beispiel die Stadt Reutlingen." In einem weiteren Leserbrief heißt es: "Der massive Flächenverbrauch ist ein großes Umweltproblem. Ein Dokumentarfilm und die anschließende Diskussion zu dem Thema wäre ein wichtiger Bürgerdialog. Schade, dass es nicht unterstützt wird."

Als Konsequenz aus dem Eklat wolle die Stadtverwaltung laut Neher in Zukunft noch strenger prüfen, welche Veranstaltungen in der Mensa stattfinden dürfen. Auf Anfrage unserer Zeitung gab die Stadtverwaltung bekannt, dass nun "auf jeden Fall eine Nutzungsordnung für die Mensen erlassen werden sollen, damit auch mögliche Aspekte wie beispielsweise ›politische Neutralität‹ bei der Nutzung klar geregelt sind". Einen Tag nach der kontroversen Diskussion im Gemeinderat hat sich die Stadtverwaltung bei der Aufsichtsbehörde rückversichert. Das Ergebnis: "Außerschulische Veranstaltungen können in untergeordnetem Maß erfolgen, sofern der Schulbetrieb nicht tangiert wird, also zum Beispiel auch die Ortschaftsratsitzungen (obwohl diese ja auch nur ausnahmsweise aufgrund der Rathausumbauarbeiten dorthin verlegt wurden)."

Ergenzingens Ortsvorsteher Reinhold Baur sagte noch vor der neusten Stellungnahme der Stadt im Gespräch mit unserer Zeitung: "Ich muss abklären ob der Ortschaftsrat weiterhin in der Mensa tagen darf."

Auch er stimme mit Nehers Film-Entscheidung überein. In der Vergangenheit hat auch die Jugendkapelle des Musivereins in der Mensa Auftritte gehabt, doch dabei sei laut Baur ein durch das Engagement des Vereins in der Schule ein schulischer Bezug vorhanden. Auch der Heimatverein habe die Mensa schon genutzt. Dabei sei ebenfalls ein Bezug zur Schule nachweisbar gewesen.

Was die "Gerüchte-Verbreiter" im Sinn haben, ist nicht eindeutig. Baur meint: "Sie wollen die Verwaltung an den Pranger stellen." Nicht zu vergessen ist, dass die Kommunalwahlen im Mai kurz bevorstehen.

Die Wählervereinigung "Bürger für Ergenzingen" (BfE) ist nach Angaben auf ihrer Homepage gegen eine Vergrößerung des Gewerbegebiets Ergenzingen-Ost. Sie schreibt: "Der Flächenverbrauch der wertvollen Ackerböden hier im Gäu muss reduziert werden. Wir wollen keine weitere Logistikansiedlung mehr und keine großflächigen Lagerhallen, die kaum Arbeitsplätze anbieten."