40 Jahre Große Kreisstadt Rottenburg (I): 17 Ortsteile angegliedert / Eigenständige Gäugemeinde gescheitert
Von Lena Müssigmann Rottenburg. Aus 18 mach eins: Die Gemeindereform vor 40 Jahren hat aus vielen kleinen Ortschaften mit eigenen Verwaltungen eine Einheit, die Große Kreisstadt, gestrickt. Während manche Orte jubelten, mussten andere zwangseingemeindet werden.Die Ergenzinger drängten regelrecht nach Rottenburg, als sie im März 1972 um ihre Stimme für oder gegen die Eingemeindung nach Rottenburg gebeten wurden. 98 Prozent der Wahlbeteiligten sprachen sich für die Eingemeindung nach Rottenburg aus. Das deutlichste Abstimmungsergebnis unter allen Teilorten.
Anfang der 70er-Jahre fand in ganz Baden-Württemberg eine Gemeindereform statt, die zum Ziel hatte, leistungsfähigere Einheiten zu bilden und den Verwaltungsapparat zu zentralisieren, den bis dahin jede Ortschaft bereithielt.
Die Zahl der Verwaltungseinheiten ist im Zuge der Reform von 48 auf 14 gesunken. Der Altkreis Horb verlor neun Ortschaften an den Kreis Tübingen: Ergenzingen, Eckenweiler, Bieringen und Baisingen sowie die fünf Starzacher Teilorte.
Ergenzingen tut sich anfangs schwer
"Der Zusammenschluss hat sich insgesamt gut bewährt", sagt Karlheinz Geppert, der Leiter des Kulturamts Rottenburg. Er kennt die wichtigen Daten der Rottenburger Stadtgeschichte in- und auswendig. Ein letzter Rest der früheren Selbständigkeit der Gemeinden war Gepperts Ansicht nach die unechte Teilortswahl, doch auch die wurde 2004 abgeschafft.
Am Beispiel von Ergenzingen wird deutlich, wie schwierig die Entscheidungsfindung in Sachen Eingemeindung zunächst war. Die Gäu-Gemeinde stand vor der Frage: Will man sich nach Freudenstadt orientieren und damit im gleichen Landkreis bleiben, zu dem man seit der Auflösung des Horber Altkreises gehörte? Oder soll es doch der Großraum Tübingen sein? Eine dritte Variante wäre die Gründung einer eigenständigen Gemeinde zusammen mit umliegenden Ortschaften gewesen.
Auf diese Weise ist zum Beispiel Neustetten entstanden. Ergenzingen verhandelte sogar eine Zeit lang mit Weitingen, Eutingen, Baisingen und Eckenweiler, ob eine solche Gemeinde gemeinsam zu verwirklichen wäre. Doch die Pläne scheiterten.
Derweil wurden schon etliche Verträge unterzeichnet, mit denen sich kleinere Ortschaften an Rottenburg banden. Nachdem Wendelsheim als elfter Ort eingemeindet worden war, konnte die Neckarstadt im Mai 1972 einen Erfolg feiern: Die Einwohnerzahl war über 20 000 gestiegen, Rottenburg durfte sich von nun an Große Kreisstadt nennen. Dieses Jubiläum wurde am Tag der deutschen Einheit in Rottenburg gefeiert.
Dettingen am Endezwangseingemeindet
Die West-Gemeinden gehörten im Mai 1972 aber noch gar nicht zur Gesamtstadt. Erst am 1. Dezember 1972 traten die Eingemeindungsverträge für Baisingen, Eckenweiler und Ergenzingen in Kraft.
Der Umbau der Verwaltungsstrukturen dauerte seine Zeit, dafür wurde bei der Stadt Rottenburg eigens das "Amt für Stadt/Umland" eingerichtet.
Auch im Süden Rottenburgs hatten die kleinen Ortschaften an einer eigenen Lösung gebastelt – unter anderem Frommenhausen, Hemmendorf, Schwalldorf und Dettingen wollten eine Eichenberggemeinde gründen. "Doch die Bürgermeister wurden nicht handelseinig", erklärt Geppert. Stattdessen schlossen sie sich nach und nach der großen Stadt an – bis nur noch Dettingen übrig blieb. Hier hatte man so lange an die Eigenständigkeit geglaubt, dass es schließlich 1975 zur Zwangseingemeindung kam.
Wenn heute das Neckarfest gefeiert wird, sind alle Teilorte wie selbstverständlich vertreten. "Das Neckarfest wurde nach Abschluss der Eingemeindung von 17 Ortschaften 1976 erstmals als gesamtstädtisches Fest gefeiert", sagt Geppert. Bis heute ist es eine Institution der Stadt.