Bei einer Online-Videokonferenz wurde das Flüchtlingsaufnahmeprogramm "Neustart im Team" (Nest) vorgestellt. Foto: Screenshot/Steinmetz Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Die Stadt Rottenburg beteiligt sich an Aufnahmeprogramm "Nest" / Treibender Motor sind Bürger

Rottenburg (lst). Weltweit befinden sich etwa so viele Menschen auf der Flucht wie die Bundesrepublik Einwohner verzeichnet. Ein Teil von ihnen wird als akut lebensgefährdet und somit als besonders schutzbedürftig eingestuft. Diesen Menschen will das Aufnahmeprogramm "Nest" helfen. Die Stadt Rottenburg und ihre Bürger beteiligen sich nun daran.

Kürzlich fand eine Informationsveranstaltung zum Flüchtlingsaufnahmeprogramm "Neustart im Team" (Nest) statt. Hierbei handelt es sich um ein zusätzliches Aufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, das getragen wird vom Deutschen Caritas Verbund, dem Deutschen Roten Kreuz und der Evangelischen Kirche. Besonders an diesem Programm ist, dass der treibende Motor weder Staat noch Stadt ist, sondern die Bürger selbst es sind. Diese können sich als ehrenamtliche Mentoren schulen lassen und so schließlich an Geflüchtete vermittelt werden, für die sie direkte Ansprechpartner sind.

Eigentlich hätte "Nest" schon früher in diesem Jahr anlaufen sollen, doch auch hier hat die Corona-Pandemie Steine in den Weg gelegt. "Corona hat die Durchführung unseres Projekts natürlich erschwert. Im Sommer kam die Aufnahme von Flüchtlingen komplett zum Erliegen", schildert Staatsministerin für Integration, Annette Widmann-Mauz, die auch Initiatorin des Programms ist. "Dennoch konnten bereits sechs Familien, insgesamt 26 Personen, in Deutschland über Nest an Mentoren vermittelt werden."

Und nun soll das Programm weiter wachsen. Auch Rottenburg will endlich einsteigen. Von der sich aktuell wieder verstärkt ausbreitenden Pandemie wollen sich die Veranstalter diesmal nicht mehr abhalten lassen. Ziel sei es, noch in diesem Jahr mit dem Prozess zur Aufnahme von Geflüchteten zu beginnen. Darum wurde die Zusammenkunft auch kurzerhand als Online-Videokonferenz möglich gemacht. "Mit dem Nest-Programm verfolgt Deutschland einen neuen Ansatz", lauten die einführenden Worte der Staatsministerin Annette Widmann-Mauz. "Sein Erfolgsrezept ist, dass Staat und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Hand in Hand." Ziel soll es sein, Geflüchteten von Anfang an ein gutes Ankommen in Deutschland zu ermöglichen.

Dies soll mithilfe von Mentorengruppen aus je mindestens fünf Personen gewährleistet werden. "Die Mentoren sind das Herzstück unseres Programms", betont Widmann-Mauz. "Sie leisten teilweise finanzielle Unterstützung wie zum Beispiel einen Wohnraum für zwei Jahre zur Verfügung zu stellen. Zum anderen bieten sie ideelle Unterstützung." Dazu zähle beispielsweise Hilfe bei Behördengängen, aber auch Alltagstätigkeiten wie der Weg in den Kindergarten. "Wichtig ist es Vertrauen zu schaffen und die Verlässlichkeit, dass Mentoren langfristig bleiben und anwesend sind."

Damit interessierte Personen über die nötigen Kenntnisse verfügen, erhalten sie zum einen Schulungen, zum anderen aber auch Unterstützung von Rottenburgs Flüchtlingsbeauftragten Wolfgang Jüngling. "Ich stehe sowohl Interessenten als auch schließlich dann den Mentoren jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung", versichert Jüngling. "Bei Problemen oder Hürden, werden wir versuchen Lösungen zu finden." So könne mithilfe des Bürgergelds eventuelle finanzielle Lücken geschlossen werden.

Auch für den Fall, dass sich Mentoren in bestimmten Situationen überfordert fühlen könnten, soll ausreichend professionelle Unterstützung geboten werden können. Zu nennen ist hier die Caritas. "Man muss damit umgehen können, wenn Kulturen aufeinander prallen", erklärt Claudia Lüdtke, Integrationsmanagerin bei der Caritas. "Darum biete ich auch eine Werteorientierung an. Zu wissen ›Was ist mir wichtig?‹ und auch ›Was ist dem anderen wichtig und warum?‹, dieses Verständnis ist für gegenseitiges Zusammenarbeiten wichtig."

Zum Ende der Veranstaltung hat sich bereits eine Mentorengruppe gefunden. Die Veranstalter hoffen auf noch weitere Engagierte. Es lohne sich laut Staatsministerin Widmann-Mauz, denn: "Dies ist das einzige Programm, wo Bürger, die etwas tun wollen vom Staat ganz nach ihren Vorstellungen unterstützt werden."