Prozess: Mutmaßlicher Kopf der Gruppe Azad K. und sein "Bodyguard" legen Geständnis ab / Drohungen gegen Mitangeklagten

Zwei Männer haben nun vor Gericht ein Geständnis abgelegt, eine Bekannte in ihrer Wohnung in Hechingen-Sickingen überfallen und ausgeraubt zu haben. All das soll im Drogenrausch passiert sein.

Tübingen/Rottenburg/Hechingen. Der zweite Prozesstag vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts Tübingen startet mit einer Absprache. Gericht, Staatsanwalt und Verteidiger wollen den Prozess, der eigentlich noch fünf weitere Verhandlungstage vorsieht, verkürzen.

Ein ziemlich weites Entgegenkommen sei der Verständigungsvorschlag der Kammer, sagt der Staatsanwalt mit vehementer Stimme. Er könne ihn aber mittragen. Dann fügt er aber noch einen Satz hinzu, der als eine deutliche Ansage zu verstehen ist: "Diese Höhe der Strafe würde ich sicher nicht beantragen, wenn wir streiten würden."

Der Deal: Die fünf Angeklagten legen ein vollumfängliches Geständnis ab. Das lässt die Strafen ordentlich nach unten purzeln. Die fünf jungen Männer, alle mit türkischen Wurzeln, folgen dem Vorschlag.

Diverse Drogen konsumiert

Es kristallisiert sich dabei deutlich eine Zweiteilung des Prozesses heraus. Die Richterin Sigrid Höchst, die beiden Beisitzerinnen und die beiden Schöffen gehen von zwei Tätern beim Raub aus, die Geständnisse bestätigen dieses Bild.

An der Spitze der Gruppe steht wohl der Angeklagte Azad K. aus Hechingen. Er soll das Falschgeld beschafft und mit Hilfe seiner Adjutanten in Umlauf gebracht haben. Er soll darüber hinaus zusammen mit dem Angeklagten Mazlum E. aus Mössingen – seinem "Bodyguard", wie er schon am ersten Prozesstag bezeichnet wurde – den Raubüberfall auf eine junge Frau in deren Wohnung begangen haben.

Der 22-jährige Azad K. lässt durch seinen Anwalt verkünden, dass er alles zugibt. Der Raub sei aber unter massivem Einfluss von Kokain erfolgt. Auch der 23-jährige Mazlum E. berichtet, dass er und Azad K. durch Kokain, Cannabis und eine Flasche Wodka sowie eine Flasche Jack Daniels aufgeputscht gewesen seien. "Man fühlt sich dann so, als würde niemand einem was anhaben können."

Beide Männer sollen vom psychiatrischen Gutachter untersucht werden, ob Paragraf 64 des Strafgesetzbuchs für sie in Frage kommt. Dieser sieht eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vor. Beide berichten von massiven Entzugserscheinungen in der Haft. Sie hätten eine lange Drogenkarriere hinter sich. Vom täglichen Joint aus habe es eine stetige Steigerung der Sucht gegeben, bis es zum regelmäßigen Kokain-Konsum gekommen sei. Auch Ecstasy und andere Drogen hätten sie immer wieder konsumiert. Wie sie das finanzieren konnten, fragt der Staatsanwalt. Dazu wollen sie keine Aussagen machen, um nicht weitere Verfahren auszulösen. "Da hat es wechselseitige Geschäfte geben", berichtet der Anwalt des Anführers.

Ohne Munition keine Waffe

Doch wie lief der Raub ab? Mazlum E. packt aus. "Ich hatte die Waffe und ich habe auch die Geldkassette genommen. Ich stand vorne." Wer auf die Idee kam? "Dazu sage ich nichts", antwortet er. Die Schreckschusspistole sei aber ohne Munition gewesen. Ein entscheidender Punkt: Denn dadurch würde sie nicht als Waffe, sondern nur als Werkzeug gewertet.

Es muss trotzdem eine schockierende Situation für das Opfer gewesen sein. Dunkel gekleidet, mit Sturmmasken auf dem Kopf standen die beiden Männer in der Tür. Es soll zu einem Gerangel gekommen sein, bei dem die Frau auch leicht verletzt worden sei.

Für Azad K. steht nun durch den Deal eine Freiheitsstrafe von mindestens vier Jahren und zehn Monaten bis höchstens fünf Jahre und vier Monate im Raum, für Mazlum E. drei Jahre und zehn Monate bis vier Jahre und vier Monate.

Und die anderen Angeklagten? Muhammed C. (20) und Burat B. (21), beide aus Rottenburg, sollen nur als Gehilfen bei Falschgeld und Drogen eingespannt worden sein. Beim Falschgeld-Deal seien sie keine Täter gewesen. Sie sollen im Auftrag von Azad K. versucht haben, das Falschgeld bei der Kreissparkasse in Rottenburg in kleine Scheine umzutauschen, was jedoch aufflog. Zum Raub-Überfall, zu dem sie Azad K. anstiften wollte, sollen sie nicht bereit gewesen sein, ist die Kammer überzeugt. Der Fünfte im Bunde, der 19-jährige Bruder von Azad K., soll dagegen mit all dem nichts zu tun gehabt haben. Ihm drohen nur Sozialstunden wegen Besitzes von Rauschmitteln.

Fortsetzung am 6. Februar

Für die beiden Gehilfen Muhammed C. und Burat B. sieht der Vorschlag eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten bis zwei Jahren beziehungsweise sechs bis acht Monaten auf Bewährung vor.

Die schweren Jungs scheinen aber wohl Azad K. und Mazlum E. zu sein. Ersterer beäugt im Prozess die anderen mit verschränkten Armen kritisch, lächelt süffisant, wenn ihm eine Aussage eines anderen nicht zu passen scheint. Muhammed C. soll er besonders kritisch im Blick haben. Denn der zeigte sich von Anfang an bereit, mit dem Gericht zu kooperieren. Ihm sei es wichtig, seine Schulausbildung fortzusetzen. In der Haft verhalte er sich vorbildlich, sagte die Richterin.

Sie berichtet davon, dass Azad K. Muhammed C. vor der Verhandlung und in den Verhandlungspausen gedroht habe. Außerdem seien wohl auch Besucher der Verhandlung – Angehörige und Bekannte der Angeklagten – mit kritischen Bemerkungen auffällig geworden.

Doch wie geht es nun weiter? Die meisten Zeugen werden wieder ausgeladen. Wichtig wird jetzt sein, ob der Gutachter den Aussagen über die Drogensucht folgen wird. Am kommenden Verhandlungstag, am 6. Februar, wird auch das Opfer aussagen. Die junge Frau soll noch immer an den psychischen Folgen des Raubüberfalls leiden.