Beim "Runden Tisch Asyl" diskutiert die Stadtverwaltung mit den Bürgern. Neher: "Flüchtlinge sind eine Chance für die Gesellschaft".
Von Annika Rath
Rottenburg. Erst die immer steigenden Flüchtlingszahlen, dann der Brand in der Unterkunft in der Nacht auf Montag: Das Thema Flüchtlinge ist in Rottenburg in aller Munde.
Gleichzeitig wird auch kräftig mit angepackt. Passend zu den aktuellen Diskussionen lud die Stadt zum "Runden Tisch Asyl" ins Rathaus ein.
Mittwochabend, die Uhr am Dom zeigt fünf Minuten vor sieben. Bereits jetzt sind alle Stühle im neuen Sitzungssaal des Rathauses besetzt. Und der Andrang lässt nicht nach. Die Interessierten, die jetzt noch kommen, nehmen sich kurzerhand Stühle und stellen sie zwischen die Reihen, bevor OB Stephan Neher die Anwesenden begrüßt.
Zu Beginn verglich er die aktuelle Situation mit einem Abend in einer Gaststätte: "Da sind 80 Leute schon drin und jetzt kommt noch einer rein. Dann sagen plötzlich alle, dass jetzt voll ist." Er verstehe die Ängste und Vorbehalte der Bürger, aber ähnlich sei doch auch die Situation in Deutschland: 80 Millionen Einwohner hat Deutschland, bis zum Ende des Jahres sollen eine Million Flüchtlinge hier Asyl suchen.
Brandursache immer noch unbekannt
"Wir wissen immer noch nicht, was die Brandursache der Container war", gab Neher weiter Einblicke in die Geschehnisse seit Anfang der Woche. Die 84 Flüchtlinge werden momentan in der Kreissporthalle Tübingen untergebracht. Wenn das Hochhaus auf dem DHL-Gelände fertiggestellt ist, haben sie die Möglichkeit, dorthin zurückzukehren. Dieses soll im Oktober bezugsfähig sein.
Gleichzeitig bedankte er sich für die Unterstützung: "Wir wurden regelrecht überrannt von Hilfe." Es werde sogar Lagerplatz gesucht, um die Spenden für weitere Flüchtlinge aufbewahren zu können. Handys, Fernseher und Fahrräder werden immer gern gesehen. Schon wenige Stunden nach der Katastrophe hatten alle Flüchtlinge durch Spenden wieder ein Handy. "Das ist einfach wichtig, damit sie Kontakt zu ihren Verwandten und ihrer Heimat haben können", beschrieb Wolfgang Jüngling, Koordinator der Stadt für Flüchtlings- und Migrantenhilfe.
Ebenso wichtig ist auch das Erlernen der deutschen Sprache. Ein neues Konzept für die Sprachkurse stellten Susanne Anan und Bodo Müller, neuer Leiter der Rottenburger VHS, vor. Die Kurse in der Eingangsstufe gehen drei Monate. Acht Stunden in der Woche lernen die Flüchtlinge in Gruppen mit Lehrern und Tutoren Deutsch. Danach wird entschieden, wer einen Intensivkurs machen möchte oder lieber bei den acht Stunden bleibt. "Nur durch die Sprache ist eine Integration in die Gesellschaft und die Arbeitswelt möglich", zeigte sich Müller überzeugt.
Die Ehrenamtlichen, die einen Deutschkurs als Lehrer übernehmen möchten, sollten auch einen solchen Hintergrund haben. Die Tutoren vertiefen dann das Gelernte. "Tutoren können alle sein, die bereit sind, sich darauf einzulassen", so Anan. Interessierte können sich direkt bei der Volkshochschule melden.
Ein weiterer Ansprechpartner für Freiwillige ist Wolfgang Jüngling. Am Mittwochabend berichtete er von einer Riesenwelle der Hilfsbereitschaft nicht erst seit dem Brand in der Flüchtlingsunterkunft. Die schon bestehenden ehrenamtlichen Aktionen und Projekte sollen künftig besser strukturiert werden. Dazu soll es bald ein Treffen mit mitwirkenden Personen und Kreise geben. "Dann bilden wir Arbeitsgruppen, etwa zum Thema Begrüßungskultur, Sprachkurse oder Freizeitgestaltung", so Jüngling.
Zum Abschluss blickte Neher in die Vergangenheit – gleichzeitig ein mutiger Ausblick auf die Zukunft. In den 90ern kamen zahlreiche Spätaussiedler nach Deutschland. "Was würden wir heute ohne sie machen? Flüchtlinge sind nicht nur Risiko, sondern immer auch eine Chance für eine Gesellschaft."