Für die Schülerbeförderung zahlen hierzulande in der Regel die Erziehungsberechtigten. Das könnte sich bald ändern. Foto: Symbolbild: sb

Initiative zieht gegen Kreis Tübingen vors Verwaltungsgericht Sigmaringen. Argument: Bustickets sind verkapptes Schulgeld.

Rottenburg - Theo Keck ist in der baden-württembergischen Bildungslandschaft kein Unbekannter. Der frühere Polizist war von 2012 bis 2014 Vorsitzender des Landeselternbeirats und somit Stimme von Millionen Vätern und Müttern im Land.

Jetzt kehrt der Rottenburger mit einem Paukenschlag auf die öffentliche Bühne zurück, denn er vertritt eine Elterninitiative in einem Musterprozess vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen gegen den Landkreis Tübingen. Formal geht es nur um ein paar Euro: Der Kreis soll die kompletten Schulbuskosten von monatlich 40,60 Euro für seine Tochter übernehmen. Bisher bezahlt Keck den Löwenanteil von 38,10 Euro aus eigener Tasche.

Klage gegen Landkreis Tübingen

Doch das ist nur der Aufhänger. Im Grunde geht es bei der Klage, die am 22. Dezember in Sigmaringen einging, um die verfassungsrechtlich relevante Frage, ob der unentgeltliche Zugang zur Bildung nicht auch die Schülerbeförderung umfasst.

„Wir wollen damit erreichen, dass auch in Baden-Württemberg das Land die Beförderungskosten übernimmt – so wie in Bayern oder in Rheinland-Pfalz“, sagte Keck unserer Zeitung. In der Regel werde der Großteil der Ausgaben auf die Eltern abgewälzt.

Prinzipiell funktioniert die Finanzierung der Schulbusse so: Jede Gemeinde organisiert den Schülerverkehr in eigener Regie, erhält das Geld dafür aber vom jeweiligen Kreis erstattet. Dieser holt sich die Mittel im Rahmen des Finanzausgleichs vom Land zurück – aber auch von den Eltern. Wie viel diese bezahlen müssen, regelt jeder Kreis für sich mit einer Satzung.

Bis zu 2000 Euro Kosten im Jahr?

„Es gibt Fälle in Baden-Württemberg, in denen von den Eltern über 2000 Euro an jährlichen Schülerbeförderungskosten für zwei Kinder aufzubringen sind“, heißt es in der Klageschrift, die unserer Zeitung vorliegt. Der Schüler beziehungsweise dessen Eltern trügen also die Hauptlast.

Vertreten werden die Kläger von der jungen Stuttgarter Kanzlei Würtenberger und Partner, für die auch der Freiburger Staats- und Verfassungsrechtler Thomas Würtenberger arbeitet. Bereits im Frühjahr hat sie im Auftrag der Initiative „Eltern für Elternrechte in Baden-Württemberg“ ein Rechtsgutachten zu dieser Frage erstellt.

Doch von einer Klage haben Keck und seine Mitstreiter bis dato stets abgesehen: „Wir haben alle anderen Wege versucht, doch bisher hat sich die Politik nicht bewegt.“ Das ärgert ihn umso mehr, als insbesondere Grüne und SPD noch vor wenigen Jahren für eine stärkere Kostenbeteiligung des Landes plädiert hatten. So sprachen die Grünen davon, Bustickets seien als „Schulgeld durch die Hintertür“ zu sehen.

Auf politischer Ebene erfolglos

Da sich politisch nichts bewegt, beschreitet die Elterninitiative nun also den Rechtsweg – mit grundsätzlichen Argumenten. So habe die Verpflichtung der Eltern, einen Teil der Beförderungskosten zu tragen, „negative Auswirkungen auf die Wahl von Ort und Art der Schule“, argumentieren die Rechtsvertreter der Elterninitiative. Nicht nur für Väter und Mütter aus bildungsfernen Schichten setzten diese Ausgaben einen „negativen Anreiz“.

Dabei sei doch in internationalen Regelwerken festgeschrieben, dass die schulische Bildung in erster Linie vom Staat zu finanzieren sei. „Gleichwohl übergeht die Politik diese Regelwerke nicht selten“, heißt es in der Klageschrift.

Auch dürfe die Entscheidung über die Frage, wie viel die Eltern bezahlen müssen, nicht den Kommunen überlassen bleiben, dieses System sei „völlig intransparent“. Es bedürfe vielmehr eines vom Landtag beschlossenen Gesetzes, das die Eckpunkte der Erstattung festlegt, lautet ein weiterer Kernsatz des Gutachtens, das der Klageschrift beigelegt ist: „Die derzeitige Satzungsermächtigung ist jedenfalls verfassungswidrig.“

Staatsgerichtshof soll entscheiden

Nach Ansicht der Kläger sollte der Rechtsweg denn auch nicht in Sigmaringen enden: „Die Vorlage an den Staatsgerichtshof ist daher zur Entscheidung über die vorliegenden für alle schulpflichtigen Kinder und Eltern so bedeutsamen Fragen sinnvoll und geboten.“

Im Stuttgarter Kultusministerium zieht man sich einstweilen auf eine rein formale Position zurück. Das Land sei durch die Klage nicht unmittelbar betroffen, so Ministeriumssprecher Michael Hermann. Die Schülerbeförderung sowie die Kostenerstattung seien Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung.

Doch sollte der Landkreis Tübingen tatsächlich zur vollständigen Kostenübernahme verdonnert werden, ginge dies am Ende zulasten des Landeshaushalts. „Das ginge wohl über die 100-Millionen-Grenze“, glaubt Keck.

Die Elterninitiative hat aber bereits genaue Vorstellungen, wovon das Land dies bezahlen soll: aus dem Topf, aus dem die Bundesregierung ursprünglich das Betreuungsgeld finanzieren wollte.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Leistung im vergangenen Sommer aus formalen Gründen gekippt, weil der Bund dafür gar nicht zuständig sei. Zuständig seien vielmehr die Länder – und die warten nun auf den Milliardensegen aus Berlin, um ihre eigenen sozial- und familienpolitischen Akzente zu setzen.