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Prozess: Für den 29. Eintrag im Strafregister des Angeklagten gibt es vier Monate und zwei Wochen Gefängnis

Rottenburg. Das Vorstrafenregister des Angeklagten ist lang, sehr lang. 28 Einträge sind dort zu finden, verliest Richter Stefan Fundel. Darunter mehrfach Körperverletzung, fahrlässige sowie vorsätzliche, erst gab es Geldstrafen, dann vermehrt Haftstrafen, mit und ohne Bewährung.

Der Angeklagte, Jahrgang 1964, kennt sich also gut aus mit den Gepflogenheiten in der Justiz: Willig und ohne sichtbare Gefühlsregung streckt er nach der Verhandlung die Hände in Richtung der Wachmänner, die ihm die Handschellen anlegen. Vier Monate und zwei Wochen Haft lautet diesmal das Urteil des Amtsgerichts Rottenburg, ohne Bewährung. Fazit des Richters: "Ich vermag keine günstige Sozialprognose zu sehen."

Alles begann im Zug, vor fast einem Jahr, auf der Fahrt zwischen Rottenburg und Bieringen. Eigentlich eine kurze Fahrt, doch der Angeklagte ist mittelschwer bis schwer betrunken, mit seiner Lebensgefährtin hat er gerade Streit gehabt – und jetzt sichtet er im Zug auch noch den Mann, von dem er glaubt, dass er schon seit längerem ein Verhältnis zu seiner Lebensgefährtin hat. "Dann hat der Typ sich auch noch hinter einer Zeitung versteckt", sagt der Angeklagte, das habe ihn irgendwie noch mehr gereizt, schwer beschimpft habe er den Mann, "blöd angemacht" habe er ihn, räumt er selbst ein. Von Worten wie "Arschgesicht" und "Wichser" ist die Rede.

Doch dann, am Bahnhof von Bieringen, habe die Situation sich zugespitzt. Der Angeklagte habe dem vermeintlichen Nebenbuhler den Weg versperrt. Es kam, so der junge Staatsanwalt, zu Faustschlägen und Tritten, was der Angeklagte allerdings etwas anders sieht: "Hätte ich mit der Faust zugeschlagen, hätte das ganz anders ausgesehen." Lediglich gegen das Fahrrad des Kontrahenten habe er getreten, das dann umgefallen sei, ebenso wie der Mann gegenüber. Später, so sieht es zumindest der Angeklagte, habe er sich aber für seine Tat entschuldigt.

Zügig und rasch erzählt der Angeklagte die Tat. "Durch den Alkohol ist alles rausgekommen", dabei habe er lange Zeit überhaupt keinen Alkohol getrunken, auch mit Drogen sei Schluss. In einem "richtigen Job" mit Sozialversicherung habe er allerdings seit Jahren nicht gearbeitet, dabei habe er immerhin Industriemechaniker gelernt, nach einer Insolvenz habe er aber hohe Schulden. "Und wovon leben Sie?", will der Richter wissen. Die Antwort ist kurz und knapp: "Von Hartz IV". Und seit elf Monaten sitzt der Angeklagte in Haft, wegen einer anderen Strafsache.

Zügig und rasch geht die Verhandlung weiter: "Er ist dem Wahn verfallen, dass ich mit seiner Bekannten ein Verhältnis habe", meint der Beleidigte und Geschlagene, ein "Opfertyp", der berichtet, schon mehrfach im Leben grundlos zusammengeschlagen worden zu sein. Doch viel schlimmer ist, was der Geschlagene weiter berichtet: "Ich habe Passanten um Hilfe gebeten, doch alle haben sich verdrückt. Ich habe sie gebeten, die Polizei zu holen, doch da kam keine Reaktion."

"Es tut mir tierisch leid", so der Angeklagte zu seinem Opfer. Der wiederum meint: "Ich will nicht, dass Du dafür in den Knast kommst." Der junge Staatsanwalt sieht das anders, die Vorstrafenliste sei einfach zu lang, sechs Monate und zwei Wochen Haft fordert er. Richter Funder verhängt schließlich das Urteil: Vier Monate und zwei Wochen Haft wegen Körperverletzung und Beleidigung, ohne Bewährung.

Die Verhandlung dauerte eine Stunde und zehn Minuten, ein kurzer Prozess sozusagen, es ist der 29. Eintrag im Strafregister des Angeklagten.