Gewerbegebiet: Rottenburger Gemeinderat lehnt mehrheitlich Streichung aus dem Regionalplan ab

Rot tenburg. Der Riss geht quer durch alle Fraktionen des Rottenburger Gemeinderats. In den betroffenen Teilorten Ergenzingen und Baisingen ist die Stimmung ziemlich eindeutig: gegen die Schaffung eines interkommunalen Gewerbegebiets um das Eutinger Flugfeld.

Anderthalb Stunden debattierte der Rat am Dienstagabend bei seiner Sitzung in der Festhalle über die Frage, ob das Vorhaben aus dem angepassten Regionalplan Neckar-Alb gestrichen werden soll. Das hatte eine interfraktionelle Gruppe beantragt. Oberbürgermeister Stephan Neher – Befürworter der Pläne – und seine Verwaltung wollen die Ausweisung als langfristige Option beibehalten. Am Ende mussten alle Farbe bekennen: Es wurde namentlich abgestimmt.

Der gesamte Rat war wegen der verschärften Corona-Regeln durchgängig maskiert. Aber die gesamte hitzige Kontroverse war ebenso durchgängig von Respekt für die Argumente der jeweiligen Gegenseite geprägt. Das von der Stadt im Jahr 2004 für 400 000 Euro erworbene Gelände von 40 Hektar rund um das Flugfeld westlich von Ergenzingen – einst als Luftwaffenstützpunkt gebaut und als Landeplatz für Hitlers zeitweiliges Führerhauptquartier "Tannenberg" am Kniebis vorgesehen – liegt überwiegend auf Baisinger Gemarkung.

Um Ausgleich bemüht

Das neb en der Landepiste stehende Frachtzentrum der DHL bezeichnete Finanzbürgermeister Hendrik Bednarz als "städtebaulichen Sündenfall". Der OB, um Ausgleich bemüht, gestand ein, er habe "in zwölf Amtsjahren noch kein einziges Gewerbegebiet hingekriegt". Er verstehe das Drängen der Gegner nicht: "Warum grad jetzt?", fragte er in Richtung Baisingen und Ergenzingen.

Den Rathauswunsch, sich das Flugfeld im novellierten Regionalplan als Option offenzuhalten, unterstützten Sprecher aus allen Fraktion. Die Antragsteller, ebenfalls quer durch die Fraktionen vertreten, wissen neben der Bürgerinitiative die Stimmung einer Mehrheit in Baisingen und Ergenzingen hinter sich, die eher den Naturraum erhalten als dort Gewerbe ansiedeln will. Es gebe dort "nur Gegner", sagte die neue Gemeinderätin Margarete Fischer von der Linken. Als Ergenzingerin brachte sie es so auf den Punkt: "Das Flugfeld ist eine Option – auch als Biotop." Dass für einen ausgewiesenen Grünzug und Landwirtschaft rund um Ergenzingen gleichwertiger Ersatz geschaffen werden soll, stimme so nicht. "Das ist Ausverkauf der Natur", fügte sie an, "für uns geht es da um Heimat".

Der grüne Ergenzinger Rat Norbert Ziegeler, einer der Initiatoren des Antrags, wies zusätzlich darauf hin, dass Rottenburg "Kontrolle aus der Hand geben" würde und die Nachbargemeinde Eutingen "vorgeben wird, wie das interkommunale Gewerbegebiet aussehen soll". Man wolle zwar keinen weiteren Bürgerentscheid, aber müsse "jetzt die Reißleine ziehen", mahnte er.

An Option festhalten

Fü r die Mehrheit seiner SPD-Fraktion wollte der Vorsitzende Hermann Josef Steur zum Rats-Beschluss von 2018 über die Gewerbeentwicklung stehen, den seine Partei damals mitgetragen hatte: "Vielleicht brauchen wir das Gewerbegebiet in zehn Jahren gar nicht", gab er zu bedenken, "dann wird es auch nicht kommen". Für die CDU kritisierte Fraktionschef Horst Schuh, die ganze Gewerbepolitik in Rottenburg sei "bis auf Ergenzingen-Ost keine Erfolgsgeschichte". Mehrheitlich wollte seine Fraktion am Ende aber an der Option Flugfeld festhalten.

So sah das für die Freien Bürger auch Klaus Hartmann, für die Ja-Fraktion Jasson Schuler, während Volkmar Raidt (FaiR) "Wachstumswahn" anprangerte. Der Regionalplan sei "nicht für alle Zeit in Stein gemeißelt", war der Vorschlag zur Güte von Ursula Clauß (Grüne). SPD-Kollegin Cornelia Ziegler-Wegner aus Ergenzingen wies als letzte Rednerin darauf hin, dass das denkbare Gewerbegebiet Flugfeld Eutingen 15 Kilometer von der Kernstadt entfernt liege und keineswegs verkehrsgünstig direkt neben der A 81.

Einzeln rief Oberbürgermeister Neher alle Räte zum namentlichen Votum auf. Mit zwölf Ja-Stimmen gegen 18 Nein bei einer Enthaltung wurde der Antrag, das Eutinger Flugfeld im Regionalplan nicht mehr als mögliches Gewerbegebiet vorzuhalten, schließlich abgelehnt.